Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ferdinand F*****, vertreten durch Dr. Evamaria Sluka-Grabner, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2005, GZ 9 Rs 195/04v-41, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. September 2004, GZ 4 Cgs 326/01b-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der am 13. 5. 1942 geborene Kläger war über 28 Jahre im Obst- und Gemüsehandel teils selbständig, teils in einem Beschäftigungsverhältnis tätig. Er erwarb in den letzten 180 Monaten vor dem Stichtag (1. 6. 2001) 114 bis 116 Monate an ASVG-Versicherungszeiten und rund 26 Monate an GSVG-Versicherungszeiten ohne zeitliche Deckung. In all diesen Monaten verrichtete er ungeachtet der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung als Selbständiger oder Beschäftigter im Wesentlichen gleichartige Tätigkeiten.
Der Kläger kann leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen in der üblichen Arbeitszeit und mit den üblichen Pausen durchführen. Arbeiten in länger oder häufig gebückter Haltung und Arbeiten mit längerem oder häufigerem Knieen oder Hocken sind ausgeschlossen. Es kommt zu keiner Leidenspotenzierung der Leidenszustände aus den einzelnen Fachgebieten. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihm möglich. Bei Einhaltung des Kalküls sind Krankenstände nicht prognostizierbar.
Die vom Kläger bisher ausgeübten Tätigkeiten im Obst- und Gemüsehandel sind ohne Kalkülsübertretung nicht mehr möglich. Er könnte unter Zugrundelegung lediglich der von ihm bisher ausgeübten unselbständigen Tätigkeiten jene in die Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages für Handelsangestellte fallenden einfachen Angestellten - Beschäftigungen im Obst- und Gemüsehandel im Bereich telefonischer Bestellannahme, Vertrieb, Auslieferung oder Kundeninformation -, Kundenberatung ohne Übertretung des medizinischen Kalküls ausüben. Er könnte ihm allenfalls gänzlich fehlende Büroqualifikationen in einer etwa zweimonatigen Büropraxisergänzungsschulung erwerben, bei der gerade für Personen, die länger nicht in den Arbeitsprozess eingebunden waren, ein einfacher Umgang mit dem Computer, Kundendienst, Verhalten am Telefon und die Aufnahme einfachster Bestellungen aufgefrischt und gelehrt wird.
Mit Bescheid vom 23. 8. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 23. 5. 2001 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab.
Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das dagegen erhobene, auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 6. 2001 gerichtete Klagebegehren ab. Die eingangs wiedergegebenen Feststellungen beurteilte es rechtlich dahin, § 273 Abs 2 ASVG sei nicht anwendbar, weil nach der bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts Versicherungszeiten nach ASVG und GSVG nicht zusammenzurechnen seien. Im Licht des § 273 Abs 1 ASVG müsse sich der Kläger jedoch noch auf die dargestellten Beschäftigungen verweisen lassen, die sein medizinisches Kalkül nicht überschritten.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dem Grundsatz, dass jeder Versicherungsträger nur eigenes Recht anzuwenden habe, entspreche, dass die Frage der Erwerbsfähigkeit nur unter Zugrundelegung der in diesem Versicherungszweig versicherten Tätigkeiten zu prüfen sei. Unter diesem Aspekt könnten aber Beitragszeiten, die nicht nach dem ASVG, sondern nach dem GSVG erworben worden seien, zur Verwirklichung der Voraussetzungen des § 273 Abs 2 ASVG nicht herangezogen werden. Der Kläger habe innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag weniger als 120 Kalendermonate ASVG-Versicherungszeiten im Obst- und Gemüsehandel erworben. Er erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 273 Abs 2 ASVG. Berufsunfähigkeit iSd § 273 Abs 1 ASVG liege nicht vor, weil er im Hinblick auf bisher geleisteten einfachen Angestelltenbeschäftigungen im Obst- und Gemüsehandel unselbständige Tätigkeiten im Rahmen der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte wie etwa telefonische Bestellannahme, Vertrieb, Auslieferung oder Kundeninformation und Kundenberatung ohne Überschreitung des medizinischen Kalküls ausüben könnte. Allenfalls ihm fehlende Büroqualifikation könne der Kläger in einer etwa zweimonatigen Büropraxisergänzungsschule erwerben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei erstattete die freigestellte Revisionsbeantwortung nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der - im Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung allerdings noch nicht veröffentlichten - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 10 Ob 4/05v zur Berücksichtigung von Versicherungsmonaten einer selbständigen Tätigkeit bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 255 Abs 4 (§ 273 Abs 2) ASVG abgewichen ist, und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Hat ein Versicherter Versicherungszeiten sowohl nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem GSVG oder nach dem BSVG erworben, so richten sich die Ansprüche und ihre Berechnung nach § 251a ASVG (Wanderversicherung). Danach ist jener Pensionsversicherungsträger für die Leistungen zuständig, bei dem der Antragsteller in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag versichert war. War er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag bei verschiedenen Pensionsversicherungsträgern versichert, ist jener Versicherungsträger zuständig, bei dem die meisten Versicherungsmonate vorliegen. Die Leistungen bestimmen sich dabei nach den Regelungen, die im Bereich jener Pensionsversicherung bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden. Ist danach ein Wanderversicherter der Pensionsversicherung der Angestellten leistungszugehörig, kann für ihn somit nur der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG, nicht aber jener der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG in Frage kommen, weil der letztgenannte Versicherungsfall im Leistungsrecht im ASVG nicht vorgesehen ist; Gegenstand der Pensionsversicherung nach dem ASVG sind nämlich nur unselbständige Erwerbstätigkeiten (SSV-NF 16/19, 15/31, 15/83 mwN ua).Hat ein Versicherter Versicherungszeiten sowohl nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem GSVG oder nach dem BSVG erworben, so richten sich die Ansprüche und ihre Berechnung nach § 251a ASVG (Wanderversicherung). Danach ist jener Pensionsversicherungsträger für die Leistungen zuständig, bei dem der Antragsteller in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag versichert war. War er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag bei verschiedenen Pensionsversicherungsträgern versichert, ist jener Versicherungsträger zuständig, bei dem die meisten Versicherungsmonate vorliegen. Die Leistungen bestimmen sich dabei nach den Regelungen, die im Bereich jener Pensionsversicherung bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden. Ist danach ein Wanderversicherter der Pensionsversicherung der Angestellten leistungszugehörig, kann für ihn somit nur der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG, nicht aber jener der Erwerbsunfähigkeit nach Paragraph 133, GSVG in Frage kommen, weil der letztgenannte Versicherungsfall im Leistungsrecht im ASVG nicht vorgesehen ist; Gegenstand der Pensionsversicherung nach dem ASVG sind nämlich nur unselbständige Erwerbstätigkeiten (SSV-NF 16/19, 15/31, 15/83 mwN ua).
Die Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Angestellten ist nicht strittig, weshalb sein Leistungsanspruch unbestritten nach § 273 ASVG zu prüfen ist.
Gemäß § 273 Abs 1 ASVG gilt der Versicherte als berufsunfähig, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten um eine Berufs(gruppen-)Versicherung, deren Leistungen bereits einsetzen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen und/oder geistigen Zustands einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann. Dabei bestimmt der vom Versicherten zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübte Beruf das Verweisungsfeld, das sind alle Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (10 ObS 181/03w; SSV-NF 12/86 ua). Zur Berufsgruppe zählen nicht nur Berufe aus einer bestimmten Branche, sondern auch solche aus anderen Branchen, wenn sie gleichwertige Kenntnisse voraussetzen (SSV-NF 12/15 mwN ua). Aber auch innerhalb seiner Berufsgruppe darf ein Angestellter nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Allgemeinheit der Ausbildung und den Kenntnissen und Fähigkeiten des Versicherten beimisst. Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag kann dafür ein Indiz bilden und daher zur Beurteilung des sozialen Werts herangezogen werden. In diesem Sinn wird in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Verweisung von Angestellten auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Beschäftigungs- oder Verwendungsgruppe eines Kollektivvertrages in der Regel mit keinem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden ist, auch wenn es sich dabei um Arbeiten mit weniger Eigenverantwortung handelt. Gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen (SSV-NF 12/123 mwN ua).
Die Revision rügt die Verweisung des Klägers auf die ihm nach seinem Leistungskalkül noch möglichen Tätigkeiten eines Angestellten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte, weil diese Tätigkeiten „nicht einmal mehr im entferntesten mit den angestammten Tätigkeiten als Angestellter im Obst- und Gemüsehandel in Verbindung" stünden. Die Frage, ob der Kläger im Sinn der vorstehenden Ausführungen auf die von den Vorinstanzen angeführten Angestelltentätigkeiten verwiesen werden darf, kann noch nicht beantwortet werden, weil Feststellungen über den Inhalt der vom Kläger im Obst- und Gemüsehandel ausgeübten Tätigkeiten (in dem Beruf, den der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat) und die hiefür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen. Aus der Feststellung des Erstgerichts, „der Kläger könnte auch unter Zugrundelegung lediglich der von ihm bisher ausgeübten unselbständigen Tätigkeiten ...", ergibt sich nicht mit der für gerichtliche Feststellungen notwendigen Sicher- und Klarheit, dass der Kläger nur einfache Angestelltentätigkeiten im Obst- und Gemüsehandel verrichtet hat, wie es das Berufungsgericht annahm.
Gemäß § 273 Abs 2 ASVG gilt § 255 Abs 4 ASVG in der Pensionsversicherung der Angestellten entsprechend. Nach dieser Bestimmung (idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/140) gilt als invalid auch der Versicherte, der das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen. Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung vom 8. 3. 2005, 10 ObS 4/05v (= INFAS 2005, 113), aus, dass - im Gegensatz zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung - für die Erfüllung des im § 255 Abs 4 ASVG vorgesehenen Tätigkeitszeitraums von mindestens 120 Kalendermonaten in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag auch gleichartige, nach dem GSVG versicherte Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Auf die ausführliche Begründung dieser der beklagten Partei bekannten Entscheidung wird verwiesen.Gemäß § 273 Abs 2 ASVG gilt § 255 Abs 4 ASVG in der Pensionsversicherung der Angestellten entsprechend. Nach dieser Bestimmung in der Fassung SVÄG 2000, BGBl I 2000/140) gilt als invalid auch der Versicherte, der das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen. Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung vom 8. 3. 2005, 10 ObS 4/05v (= INFAS 2005, 113), aus, dass - im Gegensatz zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung - für die Erfüllung des im § 255 Abs 4 ASVG vorgesehenen Tätigkeitszeitraums von mindestens 120 Kalendermonaten in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag auch gleichartige, nach dem GSVG versicherte Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Auf die ausführliche Begründung dieser der beklagten Partei bekannten Entscheidung wird verwiesen.
Nach den Feststellungen übte der Kläger in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag über mehr als 120 Kalendermonate eine im Wesentlichen gleichartige Tätigkeit - sei es als Selbständiger, sei es als Dienstnehmer - im Obst- und Gemüsehandel aus. Da die Zeiten der nach dem GSVG versicherten selbständigen Tätigkeiten und die Zeiten der gleichartigen, nach dem ASVG versicherten Tätigkeit zusammenzurechnen sind, erfüllt der Kläger die Voraussetzung der Ausübung einer Tätigkeit in dem in § 255 Abs 4 ASVG genannten relevanten Ausmaß. Der Kläger hatte zum Stichtag 1. 6. 2001 das 57. Lebensjahr vollendet. Feststeht ferner, dass er aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls seine bisher ausgeübte Tätigkeit im Obst- und Gemüsehandel nicht mehr ausüben kann. Seine Berufsunfähigkeit iSd § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 4 ASVG ist demnach nur dann zu verneinen, wenn ihm eine Änderung der im Obst- und Gemüsehandel ausgeübten Tätigkeit zumutbar ist. Diese Frage lässt sich aber nicht abschließend beurteilen, weil der Inhalt der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht festgestellt wurde.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen (vgl 10 ObS 185/02g = SSV-NF 16/100; 10 ObS 352/02s = SSV-NF 16/136; 10 ObS 367/02x = SSV-NF 16/140; wN in 10 ObS 181/03w) eingehend zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG Stellung genommen. Insgesamt werden die „zumutbaren Änderungen" eng interpretiert (RIS-Justiz RS0100022 [T 4 und T 6]).Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen vergleiche 10 ObS 185/02g = SSV-NF 16/100; 10 ObS 352/02s = SSV-NF 16/136; 10 ObS 367/02x = SSV-NF 16/140; wN in 10 ObS 181/03w) eingehend zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG Stellung genommen. Insgesamt werden die „zumutbaren Änderungen" eng interpretiert (RIS-Justiz RS0100022 [T 4 und T 6]).
In der Entscheidung 10 ObS 185/02g wurde eine Verweisung jedenfalls dann als zumutbar angesehen, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt worden und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist, soweit dafür ein Arbeitsmarkt besteht. Als Kriterium für das Arbeitsumfeld wurden dabei neben dem kulturellen Arbeitsumfeld unter anderem auch die Kontakte mit Mitarbeitern sowie die räumliche Situation, etwa ob die Arbeiten im Freien oder am Fließband auszuüben sind, angeführt. Der Branche wurde keine allein ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt; es wurde aber ausgesprochen, dass sie bei der Konkretisierung des Umfelds eine Rolle spielen kann.
In der Folge war in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung auch zur Frage Stellung zu nehmen, ob für die Verweisbarkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG eine bestimmte zeitliche und inhaltliche Bedeutung der für eine Verweisung in Frage kommenden Teiltätigkeit an der vom Versicherten im maßgebenden Beobachtungszeitraum, das sind mindestens 120 Kalendermonate, hindurch ausgeübten Tätigkeit Voraussetzung ist. Dieser Frage wurde dahin entschieden, dass es sich bei dieser Teiltätigkeit um ein wesentliches Element (= Kern) der bisherigen Tätigkeit gehandelt haben muss (10 ObS 98/03i = SSV-NF 17/41) und dieser Teiltätigkeit daher weder nach der Gewichtung im Arbeitsablauf noch nach ihrem zeitlichen Umfang nur eine untergeordnete Bedeutung in der bisher ausgeübten Tätigkeit zugekommen sein durfte (10 ObS 8/04f). Im Einklang mit diesen Grundsätzen wurde in der Entscheidung 10 ObS 170/03b ausgesprochen, dass ein als Buchhalter und Fakturist tätig gewesener Versicherter auf die von ihm bisher ausgeübte Teiltätigkeit als Fakturist verwiesen werden kann. In der Entscheidung 10 ObS 134/04k wurde darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung der Verweisbarkeit nach § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 4 ASVG auch darauf ankomme, mit welchem Maß an Verantwortung eine Tätigkeit verbunden war. Sei die bisherige Tätigkeit selbständig und eigenverantwortlich durchgeführt worden, wäre eine Änderung auf eine deutlich untergeordnete nur nach Weisungen und Vorgaben zu verrichtende Tätigkeit nicht zumutbar. Auch in Bezug auf das Einkommen könne nur eine gravierende Lohneinbuße - als ein Kriterium unter anderem - eine Unzumutbarkeit der Verweisung bewirken (ebenso 10 ObS 8/04f; 10 ObS 181/03w).
Da sich das bisherige Verfahren als ergänzungsbedürftig erweist und es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz betraf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dieses wird mit den Parteien die aufgezeigten, im Hinblick auf die Beurteilung des Klagsanspruchs nach § 273 Abs 1 ASVG oder § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 4 ASVG relevanten offenen Punkt zu erörtern und danach zu entscheiden haben, ob es zweckmäßig ist, das Verfahren zunächst zur Schaffung der für die Beurteilung nach § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 4 ASVG notwendigen Entscheidungsgrundlage oder zu jener nach § 273 Abs 1 ASVG zu ergänzen.Da sich das bisherige Verfahren als ergänzungsbedürftig erweist und es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz betraf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dieses wird mit den Parteien die aufgezeigten, im Hinblick auf die Beurteilung des Klagsanspruchs nach § 273 Abs 1 ASVG oder § 273 Abs 2 iVm § 255 Absatz 4, ASVG relevanten offenen Punkt zu erörtern und danach zu entscheiden haben, ob es zweckmäßig ist, das Verfahren zunächst zur Schaffung der für die Beurteilung nach § 273 Abs 2 iVm § 255 Absatz 4, ASVG notwendigen Entscheidungsgrundlage oder zu jener nach § 273 Abs 1 ASVG zu ergänzen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E78543European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:010OBS00054.05X.0906.000Im RIS seit
06.10.2005Zuletzt aktualisiert am
11.02.2011