TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/21 2007/05/0169

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Veröffentlicht am 21.09.2007
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Index

L82000 Bauordnung;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BauRallg;
MRG §30 Abs2 Z14;
VVG §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Ernst Wiltschko, 2. der Sabine Lang und

3. der Gabriele Klomm, alle in Wien, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Mai 2007, Zl. MA 64 - 2187/2007, betreffend Unterbrechung eines Verfahrens gemäß § 38 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 2. April 2007, Zl. MA 25-EV/12/429/2006, mit welchem der Antrag auf Unterbrechung des Ersatzvornahmeverfahrens hinsichtlich den Beschwerdeführern aufgetragener Instandsetzungsmaßnahmen und Vorlagen von Befunden (betreffend Art und Umfang von Baugebrechen) bis zur rechtskräftigen Entscheidung im beim Bezirksgericht Meidling zur Zahl: 10 C 691/05p anhängigen Kündigungsprozess mangels Vorliegens einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer führen im Wesentlichen aus, dass sie Eigentümer des Objekts R.-gasse 3 seien, welches sich zur Gänze in einem schlechten Erhaltungszustand befinde. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, habe mit Schreiben vom 18. Juli 2006 die Ersatzvornahme (hinsichtlich der Maßnahmen Instandsetzung der Flachdachkonstruktion, von Stufenkanten, eines Holzfußbodens und eines Abfallstranges sowie Befundvorlagen über vermutete Baugebrechen betreffend die Tragfähigkeit von Dippelbäumen und die Durchfeuchtung des Erdgeschoßmauerwerks) angedroht. Aus Sicht der Beschwerdeführer hätte ihrem Antrag auf Unterbrechung des Ersatzvornahmeverfahrens gemäß § 38 AVG stattgegeben werden müssen, da die Entscheidung des Bezirksgerichts Meidling über die Kündigung der letzten im verfahrensgegenständlichen Objekt verbliebenen Mieterin gemäß § 30 Abs 2 Z 14 MRG für die Ersatzvornahme präjudiziell sei. Die von der Behörde aufgetragene Sanierung sei weder sinnvoll noch sachlich gerechtfertigt, da es einerseits bereits einen Teilabbruchbescheid gebe und andererseits nach Kündigung der letzten Mieterin - welche der Gegenstand des beim Bezirksgericht Meidling anhängigen Kündigungsverfahrens ist - das Objekt sowieso abgerissen werde. Der Anordnung einer kostspieligen Ersatzvornahme stehe das Sachlichkeitsgebot entgegen. Darüber hinaus rügen die Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde gelindere Maßnahmen hätte auftragen müssen.

§ 38 AVG lautet:

"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Bei einer Vorfrage handelt es sich um eine Frage, für deren Lösung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Schlussfassung berücksichtigt werden muss (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 505, unter E 1 zu § 38 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).

Die anhängige Kündigung von Mietern hindert die Vollstreckung eines Instandsetzungsauftrages (und ebenso eines Auftrages zur Befundvorlage) im Wege der Ersatzvornahme nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1973, Zl. 1623/72). Ein baupolizeilicher Abtragungsauftrag ist auch dann durch Ersatzvornahme vollstreckbar, wenn das Gebäude noch von Personen benützt wird und mit Fahrnissen ausgestattet ist, und zwar ohne dass es einer vorgängigen, durch gesonderte Vollstreckungsverfügung angeordneten zwangsweisen Räumung bedürfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1970, Zl. 750/70). Dies gilt umso mehr für bloße Instandsetzungsmaßnahmen bzw. Befundvorlagen. Daher stellt die beim Bezirksgericht Meidling anhängige Frage der Kündigung einer Mieterin auch keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG für die gegenständliche Ersatzvornahme dar. Die Abweisung des Antrags auf Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 38 AVG durch die belangte Behörde war somit nicht rechtswidrig.

Die Beschwerdeführer bezweifeln im Übrigen die Sinnhaftigkeit, Sachlichkeit sowie die Angemessenheit des baupolizeilichen Auftrags. Diese Fragen sind aber nicht Gegenstand des im Vollstreckungsverfahren ergangenen angefochtenen Bescheids und somit nicht relevant.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn (im Wesentlichen) die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Wie Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2, S. 195, mit Bezugnahme auf die Judikatur der Europäischen Kommission für Menschenrechte ausführen, kann sich ein Vollstreckungsschuldner grundsätzlich nicht auf Art. 6 MRK berufen, da über seine zivilrechtlichen Ansprüche bzw. Verpflichtungen bereits im vorangegangenen Titelverfahren entschieden wurde (vgl. die Entscheidung vom 5. Oktober 1987, Nr. 11918/86, u.a.).

Art. 6 EMRK steht somit aber der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung auch in einem Fall wie dem vorliegenden nicht entgegen. Abgesehen davon ist Gegenstand des Verfahrens lediglich die Rechtsfrage der Präjudizialität einer Kündigung für die Zulässigkeit einer Ersatzvornahme.

Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 21. September 2007

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007050169.X00

Im RIS seit

23.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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