TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/2 2006/10/0165

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Veröffentlicht am 02.10.2007
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Index

E3L E15103020;
L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

31979L0409 Vogelschutz-RL Art4 Abs4;
31992L0043 FFH-RL Art1 lite;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung NÖ 2004 §1 Abs2;
Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung NÖ 2004 §2 Abs5;
Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung NÖ 2004;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs2;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs3;
NatSchG NÖ 2000 §38 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des JR in Maria Laach am Jauerling, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2006, Zl. RU5-BE-389/001-2006, betreffend Feststellung der Naturverträglichkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems (BH) vom 29. März 2006 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer auf Grund des Antrages der NÖ Umweltanwaltschaft vom 21. Juni 2005 gemäß § 10 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NatSchG) festgestellt, dass die Errichtung einer Christbaumkultur auf den Grundstücken Nr. 181/1 und 181/2, KG F., auf einer Fläche von 1,16 ha unter der Voraussetzung des Einbringens von Ersatzflächen als Alternativlösung nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Schutzgebietes mit dessen Schutzgütern führe. Die Naturverträglichkeit sei unter Berücksichtigung des Einbringens der Ersatzflächen auf Grundstück Nr. 237, 267, 354 und 504/2, alle KG F., im Ausmaß von 1,24 ha unter gleichzeitiger Einhaltung nachstehender Bedingungen gegeben:

"Damit die angebotenen Ersatzflächen für die Schutzgüter als geeignet zu erachten sind, müssen sie als hochwertige Wiesenflächen bewirtschaftet werden.

1) Dies beinhaltet, dass sie nur zweimal im Jahr gemäht und nicht gedüngt werden. Zusätzlich darf die Feuchtwiese nicht drainagiert werden.

2) Der im Plan eingezeichnete 5 m breite Mindestabstand zwischen den Christbaumkulturen und der angrenzenden Feuchtwiesenfläche im Nordwesten bzw. den Kleinseggenriedresten im Westen muss unbedingt eingehalten werden. Generell muss zu allen großen und lang gezogenen Hecken- und Gehölzformationen ein mindestens 5 m breites Freiareal erhalten werden.

3) Weiters muss gewährleistet sein, dass, nachdem die Christbaumkultur nach Ablauf der Umtriebszeit auf den Grundstücken Nr. 181/1 und 181/2 entfernt werden, wieder auf diesen Flächen hochwertige Wiesen (Glatthaferwiesen) entstehen (gesät werden) und entsprechend bewirtschaftet werden, damit diese Flächen als Wiesenflächen nicht gänzlich verloren gehen. Die Fertigstellung ist der Behörde ein halbes Jahr nach Ablauf der befristeten Kulturumwandlung zu melden."

(Spruchpunkt I)

Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 NÖ NatSchG die naturschutzbehördliche Bewilligung für eine Kulturumwandlung zur Anlage einer Christbaumkultur auf einer Fläche von 1,16 ha und zwar auf den Grundstücken Nr. 181/1 und 181/2, KG F., außerhalb des Ortsbereiches, im Landschaftsschutzgebiet "Wachau und Umgebung" erteilt (Spruchpunkt II).

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund des Bewilligungsantrages des Beschwerdeführers sei eine Vorprüfung durch die Abteilung Naturschutz des Amtes der NÖ Landesregierung vorgenommen worden. Diese habe ergeben, dass durch die Anlage einer Christbaumkultur Wespenbussard, Schwarzstorch und Neuntöter potenzielle Nahrungsflächen, deren Bedeutung für das Vorkommen dieser Arten im betroffenen Natura 2000-Gebiet jedoch gering sei, verlieren würden. Die Beurteilung des Projektes für sich lasse daher nicht auf eine erhebliche Beeinträchtigung schließen. Allerdings seien in den letzten Jahren im gegenständlichen Natura 2000-Gebiet zahlreiche ehemalige landwirtschaftliche Nutzflächen in Wald bzw. in Christbaumkulturen umgewandelt worden. Im Zusammenhang mit diesen Projekten sei eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes nicht auszuschließen. Es müsse daher die Naturverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Summationseffektes durchgeführt werden.

In der Folge habe die NÖ Umweltanwaltschaft einen Antrag auf Durchführung der Verträglichkeitsprüfung betreffend die geplante Kulturumwandlung gestellt.

Die BH habe das Gutachten einer Naturschutzsachverständigen eingeholt. Diesem Gutachten zufolge befinde sich das betroffene Gebiet im Natura 2000-Vogelschutzgebiet "Wachau-Jauerling" mit den betroffenen Schutzgütern "Neuntöter", "Schwarzstorch" und "Wespenbussard", weiters in einem Landschaftsschutzgebiet und in einem Naturpark.

Der Neuntöter (Lanius collurio) brüte in offenen Landschaften, die einerseits viele Büsche und niedere Hecken als Neststandorte und Warten und andererseits niederwüchsige Bodenvegetation mit reichlichem Insektenvorkommen aufwiesen. Die bevorzugten Lebensräume seien buschbestandene Trockenbiotope, Hecken und Buschgruppen mit angrenzenden Wiesen, Weiden und Äckern oder Weingärten, der Neuntöter brüte aber auch an buschbestandenen Waldrändern, in Obstgärten und verbuschten Feuchtgebieten. Dornige Sträucher würden als Neststandort bevorzugt. Die Art sei ab Anfang Mai in den Brutgebieten zu beobachten, der Herbstzug beginne im August. Der Neuntöter weise im Gebiet einen Erhaltungszustand der Kategorie A auf. Die Bedeutung für die Fläche sei lokal. Im Gebiet seien 90 bis 180 Brutpaare verzeichnet (Birdlife Österreich, 2003). Größere Trocken- und Magerrasenflächen sollten besonders geschützt und gepflegt werden. Besonders die Aufforstung solcher Gebiete sollte unterbleiben. In Agrarlandschaften seien Randstrukturen zu erhalten bzw. neu zu schaffen. In größeren Grünlandbereichen sollten ausgedehntere Altgrasstreifen stehen bleiben (Ellmauer, 2005).

Als Zugvogel sei der Schwarzstorch (Ciconia nigra) bei uns von Ende März bis Ende September anzutreffen. Er bewohne möglichst urwüchsige, ausgedehnte Waldgebiete und bewaldete Feldlandschaften. In Österreich sei er Brutvogel der collinen und submontanen Laubmischwaldstufe. Der Horst werde in Altholzbeständen, gelegentlich auch auf einem Felsvorsprung oder in einer Felswand errichtet, wobei ein Horst oft mehrere Jahre benutzt werde. Wesentliche Habitatelemente seien in den Wald eingestreute ruhige Lichtungen, nasse Waldwiesen, stehende Gewässer, Gräben und Bäche. Die Art gelte in Mitteleuropa als Kulturflüchter, doch seien manche Neusiedler auch weniger störanfällig. Manchmal würden die Horste deshalb auch in Wirtschaftswäldern mit forstlich begünstigter Nadelholzdominanz errichtet. Die Brutzeit erstrecke sich von April bis Juli. Der Schwarzstorch weise im Gebiet einen Erhaltungszustand der Kategorie B auf. Die Bedeutung der Fläche sei national. Im Gebiet seien drei bis vier Brutpaare verzeichnet (Birdlife Österreich, 2003). Zentrale Bedeutung für die Nahrungsaufnahme hätten (Fließ)Gewässer und Feuchtstellen. Dadurch führten das Drainagieren von Feuchtwiesen, die Verbauung von Bächen und die Schlägerung von bachbegleitenden Gehölzen, die als Sichtschutz dienten, zum Verlust von Jagdflächen. Zur Brutzeit müssten sämtliche Störungen in einem 200 m- bis 300 m-Radius um den Horst vermieden werden. Waldwege sollten in diesen Bereichen nicht befestigt und ausgebaut werden. Altholzbestände seien zu erhalten und wenn möglich auszuweiten, die Erschließung von Wanderwegen und Forststraßen sollte nicht weiter vorangetrieben werden (Ellmauer, 2005). Zach, 2004, hebe noch stärker die Pflege und Offenhaltung von Wald- und Bachwiesen hervor.

Der Wespenbussard (Pernis apivorus) sei als Zugvogel in Österreich nur von Ende April bis Anfang September anzutreffen. Er bewohne verschiedene Waldlandschaften, die sich zumindest durch hohen Strukturreichtum auszeichneten. Lockere Altholzbestände, Wiesen, Lichtungen, Waldränder und Buschlandschaften würden als Jagdgebiete benötigt. Der Horst würde zumeist in zusammenhängenden Altholzbeständen angelegt, in der Regel im Waldesinneren. Die Artenzusammensetzung des Waldes spiele eine eher untergeordnete Rolle, reine Nadelholzbestände würden jedoch weniger oft besiedelt. Da Amphibien im Nahrungsspektrum des Wespenbussards einen verhältnismäßig großen Anteil einnehmen könnten, würden in Gewässernähe oft höhere Siedlungsdichten erreicht. Die Brutzeit erstrecke sich von Mai bis August. Der Wespenbussard weise im Gebiet einen Erhaltungszustand der Kategorie A auf. Die Bedeutung für die Fläche sei national. Im Gebiet seien zehn bis fünfzehn Brutpaare verzeichnet (Birdlife Österreich, 2003). Die Einstellung der Verfolgung von Greifvögeln würde unnötige Abschüsse von Wespenbussarden verhindern. Die Erhaltung aufgelockerter Waldbestände und Altholzinseln sowie die Verlängerung der Umtriebszeiten stellten für den Wespenbussard wesentliche Managementmaßnahmen dar. Weiters führe die Erhaltung und Pflege von extensiven Wiesenflächen insbesondere in Waldrandnähe zu einer Verbesserung des Nahrungsangebots (Ellmauer, 2005).

Das Gebiet stelle eine hügelige Landschaft dar, die reich strukturiert mit zahlreichen kleineren und größeren Waldflächen und Waldinseln sei. Dazwischen lägen Offenlandinseln, die Ackerflächen, Wiesenflächen bzw. Christbaumkulturen aufwiesen. Vereinzelte Dörfer und Straßen seien vorhanden, trotzdem könne dieses Gebiet als störungsarm bezeichnet werden.

Durch die Errichtung der Christbaumkulturen gingen die bepflanzten Flächen als Offenlandflächen verloren. Auf Grund der gleichförmigen Bepflanzung mit gleich großen, gleichartigen Nadelbäumchen und der Schattenbildung sei die Grundlage für viele Beutetiere der ausgewiesenen Vogelarten nicht mehr vorhanden. Diese betroffenen Flächen - besonders die Grünlandflächen - dienten den genannten Schutzgütern als Nahrungsfläche. Besonders der großflächige Wiesenkomplex, für den die beiden Glatthaferwiesen auf Parzelle 181/1 und 181/2 Bestandteil seien, und der Entwässerungsgraben mit dem schmalen Kleinseggenried seien von großer Bedeutung, denn in diesen Habitaten hielten sich die bevorzugten Beutetiere - Insekten, Amphibien und Kleinsäuger - verstärkt auf. Da diese Flächen den größten Teil des zusammenhängenden Wiesenkomplexes ausmachten und noch dazu sich in mittlerer Lage befänden, verliere die abgelegene, von strukturierten Waldflächen umgebene Offenlandinsel durch Christbaumkulturen an Wert. Bereits jetzt sei eine Fläche mit einer Christbaumkultur besetzt. Der zusammenhängende Charakter dieser großen Offenlandfläche würde durch weitere gänzlich verloren gehen. Da sich in 9,5 km Entfernung ein schon seit Jahren regelmäßig verwendeter Schwarzstorchhorst befinde, gehöre diese Fläche zum Nahrungsrevier dieses Brutpaares. Die Nahrung der Schwarzstörche bestehe überwiegend aus Fischen, Amphibien, Wasserinsekten, Insekten und deren Larven, seltener aus kleinen Säugern. Zur Nahrungssuche flögen sie während der Brutzeit bis zu 15 km weit. Somit gehöre dieser offene, abgelegene Wiesenkomplex mit den Feuchtbiotopen zum optimalen Nahrungshabitat für diese Storchenart. Aber auch für den Wespenbussard, der freie Flächen am Rande von Wäldern zur Jagd benötige, sei dies ein geeignetes Jagdhabitat. Die freien Hecken seien für den Neuntöter als Brutplatz geeignet, die Wiesen als Beuterefugium. Die an die Parzellen 276 und 474/1 angrenzenden lang gezogenen Hecken- und Gehölzformationen verlören an Wert als Bruthabitate für den Neuntöter, wenn sie im unmittelbaren Anschluss an die Christbaumkulturen zu liegen kämen, da sie nicht mehr frei zugänglich wären. In Anbetracht der hohen Vorbelastung, d.h. der vielen einzelnen, bereits behördlich genehmigten und/oder illegalen Christbaumkulturen des Gebietes stelle sich hauptsächlich die Frage bezüglich des Summationseffekts der Beeinträchtigungen. Grünlandoffenflächen seien in diesem Natura 2000-Gebiet auf Grund von Umwandlungen in Christbaumkulturen, Aufforstungen bzw. aus anderen Gründen in den vergangenen Jahren zunehmend verloren gegangen. Besonders in den letzten Jahren sei eine Verstärkung dieser Tatsache zu beobachten und große zusammenhängende, freie Nahrungsflächen würden für die als Schutzgüter ausgewiesenen Vogelarten sukzessive immer kleiner. Besonders Christbaumkulturen böten den betroffenen Schutzgütern keinerlei Qualitäten für einen Lebensraum. Diese Flächen seien gänzlich verloren. In wenigen Fällen seien - aber erst in jüngster Zeit und wenn auch geeignet - Ersatzflächen angelegt worden. Somit sei es notwendig, die bestgeeigneten Flächen für die Schutzgüter als Offenlandinseln freizuhalten und ein mindestens 5 m breites Freiareal um große und lang gezogene Hecken- und Gehölzformationen zu erhalten. Aus diesen Gründen sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutzgüter Neuntöter, Schwarzstorch und Wespenbussard bei dieser Projektrealisierung durch Christbaumkulturen - besonders durch die Bepflanzung der Grundstücke Nr. 181/1 und 181/2, KG F. - gegeben.

Alternativlösungen seien anzustreben.

In Reaktion auf dieses Gutachten habe der Beschwerdeführer Ersatzflächen auf den Grundstücken Nr. 237, 267, 354 und 504/2, alle KG F., angeboten und so den Forderungen der Amtssachverständigen für Naturschutz entsprochen. Da auch die Bewilligungsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 4 NÖ NatSchG erfüllt seien, habe gleichzeitig die beantragte Bewilligung entsprechend dem Spruchpunkt II erteilt werden können.

Gegen diesen Bescheid und zwar lediglich gegen Spruchpunkt I erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte vor, dass unter den vorgeschriebenen Bedingungen ein generelles Düngeverbot enthalten sei, obwohl der wertvolle Pflanzenbestand auf den Wiesenflächen nur deshalb vorzufinden sei, weil er bisher ökologisch und nur mit Wirtschaftsdünger gedüngt habe. Dies sei auch mit der Amtssachverständigen ausführlich besprochen worden.

Die Berufungsbehörde holte ein ergänzendes Gutachten der Naturschutzsachverständigen ein, in dem u.a. ausgeführt wurde, dass durch starke Düngung gewisse Pflanzen so genannter Fettwiesen verstärkt gefördert würden, während besondere, schützenswerte Arten, die in hochwertigen Wiesen vertreten seien, verdrängt würden. Die Glatthaferwiese bestünde im vorliegenden Fall deshalb, weil verhältnismäßig wenig gedüngt worden sei, trotzdem lasse die Artenzusammensetzung auf eine gewisse Düngung schließen, weil auch stickstoffliebende Pflanzen enthalten seien. Die Ersatzflächen wiesen jedoch unterschiedliche Qualitäten auf, die nicht alle der Qualität einer Glatthaferwiese entsprächen. Dem Aufbringen von Wirtschaftsdünger auf die Ersatzflächen sei nichts entgegenzusetzen, es müsse nur gewährleistet werden, dass dieselbe oder eine bessere Qualität der Glatthaferwiese entstehe. Somit sei die Häufigkeit der Düngung auf diesen Flächen zu reduzieren. In einer Glatthaferwiese befänden sich überwiegend Horstgräser, wie z. B. Wiesenschwingel, Glatthafer, Goldhafer etc. Damit eine Glatthaferwiese erhalten bleibe, dürfe sie erst gemäht werden, wenn die meisten Gräser und Kräuter verblüht seien. Damit der späte Heuschnitttermin (Mitte Juni) eingehalten werden könne, sollten die Wiesen nicht mit stickstoffhaltigen Düngern "getrieben" werden. Zu frühe Mahd und Düngung mit unverdünnter Gülle könnten die Pflanzenzusammensetzung innerhalb kurzer Zeit völlig verändern. Aus diesem Grund sei mit gut abgelagertem Festmist (3 bis 6 Monate) mit einer maximalen Jahresmenge von 4 kg N/ha zu düngen. Falls mit verdünnter Gülle gedüngt werde, sei diese nur alle 3 bis 5 Jahre auszubringen, und mit 20 m3/ha/Gabe zu beschränken.

Punkt 1) der Bedingungen des erstbehördlichen Bescheides könne daher entsprechend abgeändert werden.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 21. Juni 2006 wurde der Berufung Folge gegeben und Punkt 1) der Bedingungen des erstbehördlichen Bescheides wie folgt geändert:

"1. Die Ersatzflächen sind nur zweimal im Jahr zu mähen. Die erste Mahd ist ab Mitte Juni durchzuführen. Die Feuchtwiese darf nicht drainagiert werden.

2. Als Dünger ist kein Mineral- oder Handelsdünger, sondern ausschließlich Wirtschaftsdünger zu verwenden.

3. Die Flächen sind nur zweimal im Jahr in einem Mindestabstand von fünf Monaten zu düngen.

4. Es ist mit gut abgelagertem Festmist (3 - 6 Monate) mit einer maximalen Jahresmenge von 40 kg N/ha zu düngen. Falls mit verdünnter Gülle gedüngt wird, ist diese nur alle 3 - 5 Jahre auszubringen, und mit 20 m3/ha/Gabe zu beschränken."

Begründend wurde auf das Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz hingewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Unterbleiben einer Naturverträglichkeitsprüfung gemäß § 10 Abs. 2 NÖ NatSchG bzw. auf Unterbleiben der Vorschreibung nicht erforderlicher und nicht geeigneter Bedingungen im Zusammenhang mit einer Feststellung gemäß § 10 Abs. 2 NÖ NatSchG verletzt. Für das Gebiet "Wachau-Jauerling" sei nämlich bisher keine Verordnung erlassen worden, durch die eine Erklärung zum "Europaschutzgebiet" erfolgt wäre. Das Gebiet sei der Europäischen Kommission lediglich als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 1 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Rl) gemeldet worden. In der Meldung seien nur Schutzgüter nach der FFH-Rl, nicht aber nach der Vogelschutz-Richtlinie genannt worden. Es liege daher keine rechtswirksame Meldung betreffend ein Vogelschutzgebiet vor, sodass auch im Sinne des § 38 Abs. 6 NÖ NatSchG keine Grundlage für die Feststellung der Naturverträglichkeit bzw. für eine entsprechende Feststellung unter Bedingungen bestehe. Mangels entsprechender Feststellungen im angefochtenen Bescheid könne auch nicht davon gesprochen werden, dass die unter Bedingungen erfolgte Erklärung der Naturverträglichkeit ihre Grundlage in einem "faktischen Vogelschutzgebiet" habe.

Der mit "Verträglichkeitsprüfung" überschriebene § 10 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NatSchG) normiert in seinem Abs. 1, dass Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hiefür nicht notwendig sind und die ein solches Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, einer Bewilligung der Behörde bedürfen.

"Europaschutzgebiete" sind gemäß § 9 Abs. 3 NÖ NatSchG durch Verordnung der Landesregierung zu besonderen Schutzgebieten erklärte Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (d.s. in der Liste nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. März 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-, Flora-Habitat-Richtlinie) eingetragene Gebiete) und europäische Vogelschutzgebiete (d.s. Gebiete zur Erhaltung wild lebender Vogelarten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie)). Zu Europaschutzgebieten können insbesondere auch bereits bestehende Natur- und Landschaftsschutzgebiete erklärt werden.

Auf Antrag eines Projektwerbers oder der NÖ Umweltanwaltschaft hat die Behörde gemäß § 10 Abs. 2 NÖ NatSchG mit Bescheid festzustellen, dass ein Projekt weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebietes führen kann.

Eine Bewilligung ist gemäß § 10 Abs. 4 NÖ NatSchG zu erteilen, wenn die Behörde auf Grund der Ergebnisse der im Bewilligungsverfahren durchzuführenden Naturverträglichkeitsprüfung (das ist gemäß § 10 Abs. 3 NÖ NatSchG die Prüfung der Verträglichkeit des Projektes mit den für das betroffene Europaschutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in diesem Gebiet) festgestellt hat, dass das Gebiet als solches nicht erheblich beeinträchtigt wird.

Gemäß § 38 Abs. 6 NÖ NatSchG ist auf Antrag der NÖ Umweltanwaltschaft für Projekte, die in Europaschutzgebieten nach § 10 einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, eine derartige Prüfung unabhängig von der Erlassung einer Verordnung nach § 9 durchzuführen, sofern sie zu einer Gefährdung der Schutzzwecke eines als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder als Vogelschutzgebiet der Europäischen Kommission gemeldeten Gebietes führen könnten.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, durch das Projekt des Beschwerdeführers, die Anlage einer Christbaumkultur, würden die Erhaltungsziele des "Vogelschutzgebietes 'Wachau-Jauerling'" insofern betroffen, als das Projekt unter Berücksichtigung anderer gleichartiger Projekt zu einem bedeutenden Verlust potenzieller Nahrungsflächen für die Schutzgüter "Neuntöter", "Schwarzstorch" und "Wespenbussard" führen könnte, eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebietes aber auszuschließen sei, wenn die projektgemäß vorgesehenen Ersatzflächen entsprechend den vorgeschriebenen Bedingungen bewirtschaftet würden.

Zu Recht wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, es bestehe keine Verordnung der NÖ Landesregierung, mit der gemäß § 9 Abs. 3 NÖ NatSchG das Gebiet "Wachau-Jauerling" zum Europaschutzgebiet erklärt worden wäre. Das Fehlen einer solchen Verordnung räumt auch die belangte Behörde ein.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher von einer Erfüllung der Voraussetzungen des § 38 Abs. 6 NÖ NatSchG, also davon ab, ob das Projekt des Beschwerdeführers für sich oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer Gefährdung des Schutzzweckes eines als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder als Vogelschutzgebiet der Europäischen Kommission gemeldeten Gebietes führen könnte; ein Antrag der NÖ Umweltanwaltschaft, das Projekt einer Verträglichkeitsprüfung gemäß § 10 NatSchG zu unterziehen, wurde unbestrittener Maßen gestellt.

Nun scheint in § 2 Abs. 5 der Verordnung über die gemeldeten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, LGBl. 5500/5-0, das "Gebiet 5: Wachau-Jauerling" als ein der Europäischen Kommission zur Erstellung der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 1 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gemeldetes Gebiet auf.

In den "gemeldeten Gebieten" gemäß dieser Verordnung soll, so § 1 Abs. 2 der zitierten Verordnung, ein günstiger Erhaltungszustand für die jeweils angeführten natürlichen Lebensräume nach Anhang I sowie Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie erhalten werden.

Für das "Gebiet 5: Wachau-Jauerling" werden in § 2 Abs. 5 der zitierten Verordnung als natürliche Lebensräume, deren günstiger Erhaltungszustand erhalten werden soll, u.a. der Lebensraumtyp "6510 Glatthaferwiesen" genannt. Auf diesen Lebensraumtyp nimmt die NÖ Umweltanwaltschaft in ihrem Antrag, das Projekt der beschwerdeführenden Partei einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen, insofern Bezug, als sie auf das Ergebnis der Vorprüfung verweist, wo ausgeführt ist, es handle sich bei den betroffenen Parzellen 181/1 und 181/2 um den Lebensraumtyp 6510 in gutem Erhaltungszustand. Die Flächen stellten jedoch im vorliegenden Fall als Lebensraumtyp nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie keine Schutzgüter dar, weil sie innerhalb eines Vogelschutzgebietes lägen. Als Lebensräume von Schwarzstorch, Wespenbussard und Neuntöter handle es sich um "Natura 2000- Schutzgüter nach Vogelschutz-Richtlinie". Die Größe und die Qualität der Parzellen 181/1 und 181/2 lasse auf eine hohe Lebensraum-Eignung für diese Vogelarten schließen.

Auch der angefochtene Bescheid nimmt nicht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der in der zitierten Verordnung angeführten Erhaltungsziele des "Gebietes 5: Wachau-Jauerling" (etwa die Erhaltung des günstigen Erhaltungszustandes des Lebensraumes 6510 Glatthaferwiesen" iSd Art. I lit. e der FFH-Richtlinie) Bezug. Vielmehr geht er unabhängig von einer Bedachtnahme auf Erhaltungsziele dieses Lebensraumes vom Vorliegen eines - nicht näher beschriebenen - Vogelschutzgebietes und von einer Beeinträchtigung der Schutzgüter "Neuntöter", "Schwarzstorch" und "Wespenbussard" als mögliche Folge einer Verwirklichung des Projektes des Beschwerdeführers aus, wenn die Ersatzflächen nicht entsprechend den vorgeschriebenen Bedingungen bewirtschaftet werden.

Die Annahme der Gefährdung des Schutzzweckes eines der Kommission gemeldeten Gebietes im Sinne des § 38 Abs. 6 NatSchG kommt allerdings nur insoweit in Betracht, als der Schutzzweck in einer - in geeigneten Form kundgemachten - "Meldung" festgelegt ist. Der "Schutzzweck des Gebietes" kann nämlich nicht aus tatsächlichen Gegebenheiten abgeleitet werden, sondern setzt "festgelegte Erhaltungsziele" iSd § 10 Abs. 3 NÖ NatSchG, somit eine normative Festlegung voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 2004, Zlen. 2001/10/0156 u.a., und zwar insbesondere Punkte 13.6.6. und 13.6.11.). Eine solche normative Festlegung fehlt aber in Ansehung der vom angefochtenen Bescheid herangezogenen Schutzgüter "Neuntöter", Schwarzstorch" und "Wespenbussard".

Nun könnte erwogen werden, ob es geboten sei, - im Sinne von Vorwirkungen des durch Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie vermittelten Schutzes - erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensräume geschützter Vogelarten gegebenenfalls auch ohne Vorliegen normativer Festlegungen vorzukehren. Derartige Erwägungen scheitern im vorliegenden Fall aber schon daran, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheid ausreichende Darlegungen fehlen, die der Annahme, es liege ein so genanntes "faktisches Vogelschutzgebiet" vor, eine tragfähige Grundlage geben könnten (zu diesen Anforderungen vgl. nochmals das Erkenntnis vom 16. April 2004 und zwar insbesondere Punkt 15.4.3.2.). Entgegen den Anforderungen, die an die Begründung eines Bescheides zu stellen sind, die vom Vorhandensein eines "faktischen Vogelschutzgebietes" ausgeht, fehlen im angefochtenen Bescheid nämlich in qualitativer wie quantitativer Hinsicht konkrete Feststellungen über jene Tatsachen (Abgrenzung des Gebietes, Populationsdichte, Artendiversität, Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdungsgrad der in Rede stehenden Vogelarten, Erhaltungsperspektiven der bedrohten Arten, Rang des Gebietes im Hinblick auf die Netzverknüpfung), auf deren Grundlage (unter den Gesichtspunkten der Vogelschutzrichtlinie), die Wertigkeit des vom Vorhaben voraussichtlich beeinflussten Gebietes beurteilt und im Rahmen der erforderlichen vergleichenden Bewertung zu den maßgebenden Eignungsfaktoren der andern in Betracht kommenden Gebiete in Beziehung gesetzt werden könnte (vgl. nochmals das zit. Erk. vom 16. April 2004, insbesondere Punkt 18.2.2.).

Die belangte Behörde hat, indem sie die Erfüllung der Voraussetzungen für die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung ausschließlich auf die Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzzwecken gestützt hat, die für das betroffene Gebiet gar nicht festgelegt wurden, die Rechtslage verkannt. Gleiches gilt für die unter Vorschreibung von Bedingungen festgestellte Verträglichkeit des Projektes des Beschwerdeführers mit nicht normativ festgelegten und daher rechtens nicht heranzuziehenden Erhaltungszielen des betroffenen Gebietes.

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Oktober 2007

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100165.X00

Im RIS seit

26.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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