Index
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
NatSchG Tir 1997 §43 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Dr. RP in Innsbruck, vertreten durch Mag. Clemens Krenn, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Jänner 2006, Zl. uvs-2004/17/169-9, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zwischen August und Oktober 2003 im Bereich der Herrenhäuser im Gemeindegebiet von Absam und somit im Naturschutzgebiet Karwendel bzw. im Wasserschongebiet Halltal eine Pflanzenkläranlage ohne die hiefür erforderliche naturschutzrechtliche und wasserrechtliche Bewilligung errichtet. Der Beschwerdeführer habe dadurch
1. eine Übertretung nach § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Erklärung eines Teiles des Karwendels zum Naturschutzgebiet Karwendel in Verbindung mit § 20 sowie § 43 Abs. 1 lit. c Tiroler Naturschutzgesetz 1997 begangen, deretwegen über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.500,-- (sieben Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde, und
2. eine Verwaltungsübertretung nach § 3 lit. a der Verordnung zum Schutz der Wasserversorgungsanlagen im Halltal, Gemeindegebiet Absam in Verbindung mit § 34 Abs. 2 sowie § 137 Abs. 1 Z. 15 Wasserrechtsgesetz begangen, deretwegen über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 400,-- (zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe, obwohl er mehrmals darauf hingewiesen worden sei, dass das Projekt einer Pflanzenkläranlage nur nach behördlicher Bewilligung ausgeführt werden dürfe, zwischen August und Oktober 2003 Maßnahmen zur Errichtung der Pflanzenkläranlage (Terrassierung, Beckenbau) gesetzt. Er habe im Verfahren zwar behauptet, wegen Gefahr im Verzug für die Grundwasserquellen der Stadtgemeinde Hall und der Gemeinde Absam gehandelt zu haben, weil die bestehende Klärgrube bei den Herrenhäusern übergegangen sei. Die Einvernahme des in dieser Angelegenheit als Sachverständiger für Siedlungswasserbau befassten Zeugen L. habe jedoch diese Behauptung stichhaltig entkräftet. Wäre tatsächlich Gefahr im Verzug vorgelegen, wäre auch nicht der Neubau einer Pflanzenkläranlage zielführend gewesen. Vielmehr hätte eine wesentlich raschere Lösung gefunden werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die in Ansehung der Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes zur hg. Zl. 2006/10/0078, und in Ansehung der Übertretung des Wasserrechtsgesetzes zur hg. Zl. 2006/07/0039, protokolliert wurde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, verzichtete im Übrigen jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - soweit sich die Beschwerde auf die Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes bezieht - erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 lit. c Tiroler Naturschutzgesetz 1997 (Tir NatSchG) begeht, wer ein Vorhaben, für das in Verordnungen nach § 20 Abs. 1 (Naturschutzgebietsverordnungen) ein Verbot festgelegt ist, oder für das nach § 21 Abs. 2 zweiter Satz die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vorgesehen ist, ohne Ausnahmebewilligung ausführt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 20.000,--
zu bestrafen.
Gemäß § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Erklärung eines Teiles des Karwendels zum Naturschutzgebiet Karwendel, LGBl. Nr. 21/1989, in der Fassung LGBl. Nr. 65/2000, ist im Naturschutzgebiet, sofern im § 4 nichts anderes bestimmt ist, was im vorliegenden Fall aber nicht in Betracht kommt, die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, im Besonderen von baulichen Anlagen aller Art, soweit sie nicht nach lit. b oder c verboten sind, verboten.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, entsprechend den Annahmen der belangten Behörde zwischen August und Oktober 2003 Maßnahmen zur Errichtung einer Pflanzenkläranlage im Naturschutzgebiet Karwendel gesetzt zu haben. Er bringt vor, er sei Vorsitzender des Vereins zur Bewahrung von Kulturerbe und Natur im Tiroler Halltal ("Herrenhäuserverein"). Im Rahmen der Vereinstätigkeit habe er darauf hingearbeitet, die Abwasserentsorgung für den Herrenhäuser-Komplex in vorbildlicher und umweltschonender Weise dadurch zu regeln, dass eine Pflanzenkläranlage neuen Typs im Rahmen eines Forschungsprojekts und als wasserwirtschaftliche Versuchsanlage errichtet, langfristig getestet und optimiert werde. Er habe sich mit dem Ersuchen, die geplanten Maßnahmen an Ort und Stelle zu diskutieren, an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gewandt, die eine mündliche Verhandlung anberaumt habe. In dieser Verhandlung vom 30. Juli 2003 habe der naturkundliche Amtssachverständige ausgeführt, die Vorbereitung geneigter Geländeterrassen oberhalb der Zeltlagerwiese zur späteren Gestaltung einer Pflanzenkläranlage erscheine sinnvoll, weil mit Hilfe der durchwachsenen Krainerwände eine bereits vor langer Zeit geschüttete Böschungsfläche mit Ruderalvegetation (Hochstaudenflur) standortgerecht mit Strauch- und Laubbaumvegetation strukturiert und bewachsen werden könne. Diese Arbeiten müssten unter standortgerechter Begrünung und händischer Durchführung der Krainerwände erfolgen, wobei ein Schütten von oben - sofern es die Standfestigkeit erlaube - auch mit mechanischen Hilfsmitteln durchgeführt werden könne. Diese Äußerungen des Amtssachverständigen für Naturkunde bedeuteten "Wort für Wort die behördliche Zustimmung" zur Vorbereitung geneigter Geländeterrassen oberhalb der Zeltlagerwiese zur späteren Gestaltung einer Pflanzenkläranlage in der Sommersaison 2003. Insofern treffe der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe für die von ihm gesetzten Maßnahmen über keinerlei Bewilligung verfügt, nicht zu. Er habe das ihm damals zugestandene "Probestück" allerdings nicht ausführen können, weil der kleine Bautrupp nach der Entdeckung, dass die bestehende Klärgrube derart mangelhaft sei, dass Gefahr im Verzug bestehe, alle Hände voll zu tun gehabt habe, um ein funktionsfähiges Provisorium der Pflanzenkläranlage bereits im Herbst 2003 zu Stande zu bringen. Bei Durchführung der betreffenden Arbeiten seien allerdings sämtliche Anweisungen des Amtssachverständigen für Naturkunde befolgt worden.
Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass es sich bei den "Äußerungen des Amtssachverständigen für Naturkunde" nicht um Erklärungen der Naturschutzbehörde gehandelt hat und weiters, dass diese Äußerungen (lediglich) eine fachliche Beurteilung der in der Verhandlung vom 30. Juli 2003 erörterten Maßnahmen zum Inhalt hatten, wie dies auch in der Einleitung der sachverständigen Darlegungen deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Die Annahme, die Äußerungen des Amtssachverständigen bedeuteten "Wort für Wort die behördliche Zustimmung", es liege also eine naturschutzrechtliche Bewilligung für die vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen vor, entbehrt somit jeder Grundlage.
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, er habe wiederholt vorgebracht, dass er durch Gefahr im Verzug veranlasst worden sei, die Pflanzenkläranlage vor Erhalt einer behördlichen Bewilligung zu errichten. Es sei darum gegangen, eine der Trinkwasserversorgung der Stadt Hall drohende Gefahr abzuwenden. Die bei den Herrenhäusern bestehende Klärgrube habe sich nämlich - offenbar durch eindringendes Grundwasser - so rasch gefüllt, dass eine Sammlung der Abwässer der Herrenhäuser in der Grube und deren Entleerung, bevor der Spiegelstand den Überlauf erreichen könnte, undurchführbar erschienen sei. Das in der Grube teils abgelagerte, teils aufschwimmende Fäkalmaterial hätte zufolge des unvermeidlichen Fremdwasserdurchflusses auf Monate hinaus zu belastenden Ausschwemmungen in den Grundwasserbereich am Törlgraben geführt. Der Beschwerdeführer habe daher wegen Gefahr im Verzug ein Provisorium als Vorstufe einer zur Bewilligung einreichbaren Pflanzenkläranlage ausgeführt und so eine Belastung des Wasserschutzgebietes Karwendel durch Überlauf aus der Klärgrube vollständig vermieden. Die Alternative einer Drosselung des Fremdwasserzuflusses durch Abdichtung der Klärgrube hätte eine sehr aufwändige Baumaßnahme bedeutet, die mangels verfügbarer finanzieller Mittel niemand angegangen, geschweige denn zu Stande gebracht hätte. Dazu komme, dass diese Maßnahme händisch - wie vom Sachverständigen für Naturschutz gefordert -nicht zu bewältigen gewesen wäre. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei seine Vorgangsweise zumindest durch Notstand gerechtfertigt oder entschuldigt, weil ein unmittelbar drohender bedeutender Schaden für die Umwelt und insbesondere für die Trinkwasserstollen der Stadtgemeinde Hall in Tirol vorgelegen habe. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit habe er die behördliche Bewilligung für die Anlage nicht einholen können. Dies habe er in Kauf genommen, um die drohenden Schäden abzuwehren.
Mit diesem Vorbringen beruft sich der Beschwerdeführer auf das Vorliegen einer Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG.
Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder obgleich sie dem Tatbestand eine Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedrohen. Des Weiteren gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist und dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), S. 124, dargestellte hg. Judikatur).
Nun hat der mit der Angelegenheit als Sachverständiger für Siedlungswasserbau befasst gewesene Zeuge L. vor der belangten Behörde angegeben, das Überlaufen der Klärgrube sei durch die unzulässige Einleitung von Dachwässern in die Anlage bewirkt worden; das Wasser sei sehr klar gewesen. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass der äußerst geringe Abwasseranfall der Herrenhäuser einen Einfluss auf das Trinkwasser im Halltal hätte haben können. Sicherlich sei es für den Beschwerdeführer beunruhigend gewesen, dass die Klärgrube übergegangen sei. Sofortmaßnahme bei Gefahr im Verzug wäre jedoch nicht die Errichtung einer biologischen Pflanzenkläranlage gewesen, sondern die Ausleitung von Abwässern und das Herrichten der Klärgrube. Der Beschwerdeführer habe ihn auch niemals darüber informiert, dass Gefahr im Verzug geherrscht habe.
Gestützt auf diese Aussage hat die belangte Behörde die Behauptung des Beschwerdeführers, es hätten wegen Gefahr im Verzug die Maßnahmen zur Errichtung der Pflanzenkläranlage gesetzt werden müssen, ohne eine Bewilligung durch die Behörde abzuwarten, als unzutreffend erachtet. Hätte tatsächlich die behauptete Gefahr im Verzug bestanden, hätten wesentlich raschere Lösungen ergriffen werden müssen.
Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, es habe wegen des Überlaufens der Klärgrube zumindest aus seiner Sicht ein unmittelbar drohender Schaden für die Umwelt und die Trinkwasserstollen der Stadt Hall in Tirol bestanden. Die im Verfahren aufgezeigten Möglichkeiten, dieser Gefahr auf andere Weise zu begegnen (Ausleitung der Abwässer, Instandsetzung der Klärgrube), wären sehr aufwändig gewesen und es hätten die finanziellen Mittel hiefür gefehlt.
Nun vermag auch die irrtümliche Annahme eine Notstandssituation den Täter dann zu entschuldigen, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen des Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruhte, dem Täter also nicht vorzuwerfen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/03/0264, und die dort zitierte Vorjudikatur). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt, hat der Beschwerdeführer doch nicht einmal dargelegt, aus welchen Gründen er zur Auffassung gelangt sei, das - durch eindringendes Grundwasser bewirkte - Überlaufen der Klärgrube würde ohne sein Eingreifen zu einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Umwelt bzw. für die Trinkwasserversorgung der Stadt Hall in Tirol führen, geschweige denn, dass eingeholter fachlicher Rat ihn zu dieser Auffassung geführt hätte.
Selbst wenn man aber trotzdem annehmen wollte, der Beschwerdeführer habe auf Grund des mangelhaften Betriebes der bestehenden Klärgrube Grund für die Überzeugung gehabt, es bestehe eine unmittelbar drohende Gefahr für die Wasserversorgung der Stadt Hall in Tirol, ist sein Vorbringen ungeeignet, darzutun, dass die Errichtung der Pflanzenkläranlage ohne vorherige Einholung der erforderlichen Bewilligung der einzig zumutbare Weg gewesen wäre, um dieser Gefahr zu begegnen. Weder hat der Beschwerdeführer nämlich konkrete Umstände genannt, die eine Einholung der erforderlichen Bewilligung verhindert hätten, noch hat er konkret aufgezeigt, dass andere - näher liegende - Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr aus besonderen Gründen nicht in Frage gekommen wären. Der Hinweis, die zur Verfügung stehende Zeit habe die Einholung einer behördlichen Bewilligung nicht zugelassen, ist ebenso unzureichend, die Unzumutbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens darzutun, wie der bloße Hinweis auf den erforderlichen Aufwand sowie auf fehlende finanzielle Mittel.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG somit zu Recht verneint.
Soweit sich die Beschwerde auf die Übertretung des Tir NatSchG bezieht, erweist sie sich als unbegründet. Sie war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Soweit sie sich auf die Übertretung des Wasserrechtsgesetzes bezieht, obliegt ihre Erledigung dem dafür zuständigen Senat 07 des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Oktober 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006100078.X00Im RIS seit
28.11.2007Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008