TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/16 2007/19/0851

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Veröffentlicht am 16.01.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §1 Z3;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §44 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §44 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z1;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des W, vertreten durch Hofbauer, Hofbauer & Wagner, Rechtsanwälte Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 1. August 2007, Zl. 254.420/0/5E-VIII/40/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste mit seiner Familie in das Bundesgebiet ein, wo er am 13. November 2003 einen Asylantrag stellte. Er ist der Ehemann von G (hg. Zl. 2007/19/0852) und der Vater des vierjährigen A (hg. Zl. 2007/19/0853) und des fünfjährigen Z (hg. Zl. 2007/19/0854), die alle am 13. November 2003 Asylerstreckungsanträge in Bezug auf den Asylantrag des Beschwerdeführers stellten.

Diese Asylerstreckungsanträge wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde vom 1. August 2007 gemäß §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 abgewiesen.

Den Asylantrag des Beschwerdeführers wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 8. Oktober 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF der Asylgesetznovelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) mangels Glaubwürdigkeit der Verfolgungsbehauptung ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig. Mit Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 1. August 2007 "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides auf Ausweisung des Beschwerdeführers "nach Armenien" zu lauten habe. Die belangte Behörde kam in der Begründung ihrer Entscheidung ebenso wie das Bundesasylamt zu dem Ergebnis, die Verfolgungsbehauptung des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nachdem die belangte Behörde die ihr gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrgenommen hatte - erwogen hat:

1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid wendet, ist ihr zu entgegnen, dass die Erwägungen, aus denen die belangte Behörde den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe nicht gefolgt ist, der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof standhalten. Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Fehlen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr und eines Refoulementhindernisses für den Beschwerdeführer ausgegangen, sodass die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

2. Mit der durch den angefochtenen Bescheid erfolgten Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem der Beschwerdeführer - als einziges Familienmitglied - nach Armenien ausgewiesen wurde, hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt.

3. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung der Asylgesetznovelle BGBl. I Nr. 101/2003 lauten wie folgt:

"Subsidiärer Schutz

§ 8. (1) Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

(2) Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß Abs. 1 ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

...

Übergangsbestimmungen

§ 44. (1) Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, werden nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

...

(3) Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 sind auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden."

4. Mit der Asylgesetznovelle 2003 wurde das im Asylgesetz 1997 vorgesehene System der Asylerstreckung durch das sogenannte "Familienverfahren" abgelöst. Zur Darstellung der diesbezüglichen Regelungen und der damit verfolgten Intention des Gesetzgebers, die Rechtsposition der Kernfamilie zu vereinheitlichen und dadurch die Familieneinheit zu stärken, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Punkte 4. und 5. des hg. Erkenntnisses vom 12. Dezember 2007, Zl. 2007/19/1054, verwiesen.

5. Im vorliegenden Fall hat der unabhängige Bundesasylsenat die erstinstanzliche Ausweisung des Beschwerdeführers bestätigt, der als Ehemann und Vater in Österreich im Familienverband mit seiner Frau und seinen vier- und fünfjährigen Söhnen lebt. Die Asylerstreckungsverfahren dieser Familienmitglieder sind zwar mittlerweile auch (negativ) beendet. Eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet hätte jedoch nach der bei ihnen anzuwendenden Rechtslage durch die Fremdenbehörden zu erfolgen.

Die von der belangten Behörde übernommene Begründung der erstinstanzlichen Ausweisung, wonach von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen sei, weshalb nicht festgestellt werden könne, dass durch eine Ausweisung das Recht auf Familienleben verletzt werde, erweist sich daher als unrichtig. Es erscheint vielmehr möglich, dass der Beschwerdeführer aufgrund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne seine Ehefrau und seine Kinder zu verlassen hat. Die vorliegende Ausweisung greift somit in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers ein. Für diesen Eingriff ist keine Rechtfertigung zu erkennen, zumal die belangte Behörde auch nicht dargelegt hat, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass der Beschwerdeführer Österreich schon vor einer allfälligen Entscheidung der Fremdenbehörden über die Ausweisung der übrigen Mitglieder seiner Kernfamilie verlassen muss.

Um das vom Gesetzgeber intendierte und verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis zu erzielen, hat eine Ausweisung durch die Asylbehörden daher in einem Fall wie dem vorliegenden zu unterbleiben. Demnach hätte die belangte Behörde die erstinstanzliche Ausweisung des Beschwerdeführers ersatzlos beheben müssen.

Durch den so erreichten rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens wäre der Beschwerdeführer kein "Asylwerber" (im Sinne des hier noch anzuwendenden § 1 Z 3 AsylG) mehr, sondern fiele als "Fremder" (im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG) in die Zuständigkeit der Fremdenbehörden, welche damit in die Lage versetzt würden, über die Zulässigkeit der Ausweisung aller Familienmitglieder gemeinsam zu entscheiden.

6. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit Spruchpunkt III. der erstinstanzlichen Entscheidung (Ausweisung) bestätigt wurde, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG) aufzuheben.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 333.

Wien, am 16. Jänner 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007190851.X00

Im RIS seit

03.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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