TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/7 2006/21/0232

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Veröffentlicht am 07.02.2008
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E02100000;
E3L E05100000;
E3L E19100000;
E3Y E19104000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31997Y121601 Maßnahmen Bekämpfung Scheinehen;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art35;
EURallg;
FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Hans-Peter Kandler, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 53a/1/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 17. Juli 2006, Zl. Fr-313/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 2006 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 und § 60 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer hätte am 14. Mai 2002 in der Türkei die - über Vermittlung seines Vaters und des Max B. lediglich zu diesem Zweck eingereiste - österreichische Staatsangehörige M. zum Schein geheiratet. Ein gemeinsames Eheleben sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen oder geführt worden. Am 22. Mai 2002 habe er bei der österreichischen Botschaft in Ankara den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht. Dem Antrag beigelegt habe er verfälschte Gehaltsbestätigungen seiner Ehefrau, dem Urkundeninhalt nach ausgestellt von der X. & Co GmbH für die Monate Februar bis April 2002. Nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses zum 12. Februar 2002 sei M. dort allerdings nicht mehr beschäftigt gewesen. Als beabsichtigten Wohnsitz in Österreich habe er die Adresse der Eltern von M. angeführt. Diese hätten allerdings ausgesagt, den Beschwerdeführer, der ihnen gänzlich unbekannt sei, nicht zu kennen und ihn auch nicht eingeladen zu haben. Tatsächlich hätte M. Notstandshilfe bezogen und sich auf Grund finanzieller Schwierigkeiten gegen Entgelt zum Abschluss einer Ehe zum Schein bereit erklärt. Hiefür spräche - neben der Aussage der M. - weiters der Umstand, dass der Beschwerdeführer "bei einer (seinem) Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beigelegten Erklärung" nicht einmal im Stande gewesen sei, den Namen seiner Ehegattin richtig zu schreiben.

Da der Beschwerdeführer somit eine österreichische Staatsangehörige ausschließlich deshalb geheiratet habe, um in den Genuss eines Aufenthaltstitels zu gelangen, sei der für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab dienende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung (das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen).

Da sich der Beschwerdeführer seit Oktober 2002 im Bundesgebiet aufhalte, hier eine Arbeit aufgenommen und fortgesetzt habe und sich in Österreich "auch Verwandte" befänden, sei von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Die Integration sei jedoch nur durch die dargestellten Täuschungshandlungen und den damit verbundenen Rechtsmissbrauch ermöglicht worden, sodass sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG als zulässig erweise. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden, weil keine für ihn "günstigen Parameter" erblickt werden könnten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 1 FPG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei Inkrafttreten des FPG (am 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiter zu führen. Dementsprechend hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall zutreffend die Bestimmungen des FPG angewendet. Diese Rechtsfolge trat unabhängig davon ein, ob der belangten Behörde allenfalls - wie der Beschwerdeführer meint - eine Verfahrensverzögerung vorgeworfen werden kann. Im Übrigen wurde über die Berufung des Beschwerdeführers vom 21. Jänner 2004 bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2004 entschieden. Ein Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom 27. April 2004 bis zur Vorabentscheidung des in den hg. Beschwerdesachen Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt. Der genannte Bescheid vom 23. Februar 2004 wurde danach mit hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2005/21/0242 (vormals 2004/21/0072) aufgehoben. Davon, dass eine Verfahrensverzögerung der belangten Behörde zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides im Geltungsbereich des FPG geführt hätte, kann nach diesem Verfahrensgang somit keine Rede sein.

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Normen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn Letztere ihr (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden. Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246, und vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0352, mwN).

Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Kritik an der behördlichen Beweiswürdigung, womit es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelingt, eine diesbezügliche Unschlüssigkeit aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde ihre Einschätzung zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe vor allem auf die (spätere) Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers vor dem GPK Krenglbach (vom 25. November 2002) stützte, in der diese ihre früheren Angaben vor der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (vom 27. August 2002) widerrief. Dabei schilderte M. nämlich letztlich überzeugend, dass sie auf Grund ihrer finanziell ungünstigen Lage von ihrem Bekannten Max B. bestimmt worden sei, einen ihr unbekannten Mann in der Türkei für Geld zu heiraten. Schon damals, so führte M. aus, sei die Ehe nur zum Schein eingegangen worden; sie habe die Absicht gehabt, sich nach einem Jahr wieder scheiden zu lassen.

Diese Ausführungen stehen mit der Aussage der Zeugin Sandra K. im Einklang, die am 26. November 2002 darlegte, Max B. habe - neben ihrer eigenen Scheinehe - auch die Ehe ihrer Freundin M. vermittelt. Ebenso sprechen dafür die Schilderungen der Eltern der M., die weder vom Beschwerdeführer noch von einer beabsichtigten Wohnungnahme bei ihnen gewusst haben. In der Beschwerde wird dagegen nicht plausibel erklärt, weshalb es trotz einer von Seiten des Beschwerdeführers angeblich "aus Liebe" erfolgten Eheschließung, die im Übrigen durch das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Lichtbild der Ehegatten - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht - nicht bescheinigt werden kann, nie zu einem Zusammenleben der Ehepartner gekommen ist. Die beweiswürdigenden Schlussfolgerungen der belangten Behörde in Richtung auf das Vorliegen einer so genannten "Aufenthaltsehe" sind vom Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu beanstanden.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang auch kein Verfahrensmangel vorzuwerfen: Dem Beschwerdeführer wurde es nämlich mit am 26. August 2003 zugestellter Note vom 25. Juli 2003 (Blatt 127 des vorgelegten Verwaltungsaktes) freigestellt, zu den - näher dargestellten - Ergebnissen der Beweisaufnahme eine Stellungnahme abzugeben oder zu einer mündlichen Erörterung des Gegenstandes zur Behörde zu kommen. Nach zweimaliger Fristerstreckung hat er - durch einen Rechtsanwalt vertreten - am 21. Oktober 2003 tatsächlich eine Stellungnahme abgegeben, in der er jedoch lediglich die angeführte Aussage seiner Ehefrau vom 25. November 2002 bestritten und zum Beweis des Vorliegens einer "Liebesheirat" ein (beide Ehegatten ablichtendes) Foto vorgelegt hat. Von einer Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs kann somit keine Rede sein.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen, denen in ausreichender Weise eine "Missbrauchsabsicht" des Beschwerdeführers entnommen werden kann, ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der - wie erwähnt als Orientierungsmaßstab heranzuziehende - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht wurde.

In diesem Zusammenhang bestreitet der Beschwerdeführer, dass die darauf gegründete Prognose im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) gerechtfertigt sei, und verweist darauf, dass seit Eingehen der Ehe mehr als vier Jahre vergangen seien und er sich bisher wohlverhalten habe.

Die vom Beschwerdeführer begangene grobe Verletzung des als hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kann allerdings - trotz des seit der Eheschließung verstrichenen Zeitraums - noch nicht als maßgeblich gemindert angesehen werden. Ebenso können der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine Berufstätigkeit und seine sozialen Bindungen nicht entscheidend ins Gewicht fallen, beruhen diese Umstände doch gerade auf der (missbilligten) Berufung auf die Scheinehe. Das Eingehen einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) zur Umgehung der für Drittstaatsangehörige geltenden Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stellt auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246, mwN). Angesichts dessen kann die Auffassung der belangten Behörde, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG seien im vorliegenden Fall erfüllt, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Schließlich bestehen vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde zu Recht vorgenommenen Relativierung der vom Beschwerdeführer in Österreich erlangten Integration keine Bedenken gegen das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung ist keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 7. Februar 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210232.X00

Im RIS seit

07.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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