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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Karl-Peter Hasch, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Moritschstraße 5, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Belgrad vom 16. Oktober 2007, Zl. E - 13930/3/07, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige von Serbien, stellte bei der österreichischen Botschaft in Belgrad unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblattes den Antrag auf Erteilung eines für 90 Tage gültigen "Schengen-Visums". Unter der Rubrik "Reisezweck" kreuzte sie im Formular die Variante "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" an, daneben findet sich auf dem Vordruck der botschaftsinterne Vermerk "Schwiegervater + Ehemann". Dem Antrag beigeschlossen war u.a. eine Verpflichtungserklärung des H.R. (erkennbar der Schwiegervater der Beschwerdeführerin), in der dieser erklärte, für den Unterhalt und die Unterkunft "der eingeladenen Person" aufzukommen.
Mit Schreiben vom 26. September 2007 teilte die eingangs genannte Botschaft der Beschwerdeführerin mit, seitens der Behörde würden keine weiteren Dokumente mehr benötigt. Dem Antrag könne jedoch nicht stattgegeben werden, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Vor einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag werde der Beschwerdeführerin jedoch die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen eine abschließende Stellungnahme zu erstatten.
Die Beschwerdeführerin gab in der Folge eine derartige Stellungnahme ab. Sie verwies auf die vorgelegte Verpflichtungserklärung und merkte überdies an, dass ihr Ehemann in Österreich geboren sei und dort lebe und arbeite, was ebenfalls dafür spreche, dass sie finanziell "gesichert" sei.
Ungeachtet dieser Stellungnahme wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde den Versagungsgrund nach § 21 Abs. 5 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als gegeben erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise -
wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
1.
dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;
2.
die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;
3.
öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und
4. kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird.
...
(4) Die Behörde hat bei der Beurteilung der nach Abs. 1 Z 3 zu treffenden Interessensabwägung jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthalts des Fremden ausgehend
1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und gegebenenfalls die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und
2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange und die Volksgesundheit
Bedacht zu nehmen.
(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;
...
(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.
..."
Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 5 Z 3 FPG begründet. Das allein würde freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel darstellen, wenn (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG) der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest aus dem Akt nachvollziehbar wäre (vgl. grundlegend den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).
Das ist vorliegend indes nicht der Fall. Wie schon erwähnt, hat die Beschwerdeführerin ihrem Antrag eine Verpflichtungserklärung ihres Schwiegervaters beigelegt. Sie hat weiters u.a. einen Lohnzettel für Juli 2007 angeschlossen, aus dem sich ergibt, dass der Schwiegervater in diesem Monat 2.102,85 EUR netto bezog. Die belangte Behörde hätte gemäß § 21 Abs. 6 FPG die vorgelegte Verpflichtungserklärung (samt Beilagen) in ihre Beurteilung miteinbeziehen müssen. Eine Auseinandersetzung damit lässt sich dem Akt demgegenüber nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde angesichts des beigelegten Lohnzettels zu dem Ergebnis hätte gelangen können, die Verpflichtungserklärung sei nicht tragfähig bzw. es könne ungeachtet derselben zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen.
Der Aktenlage lässt sich darüber hinaus aber auch nicht entnehmen, dass die belangte Behörde die nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG erforderliche Interessensabwägung vorgenommen hätte, obwohl dies im Hinblick auf die familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin im besonderen Maße indiziert gewesen wäre. Auch von daher ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war. Ergänzend sei darüber hinaus zur formularmäßigen Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides noch darauf hingewiesen, dass gegen Bescheide der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten - abgesehen von der für begünstigte Drittstaatsangehörige vorgesehenen Berufungsmöglichkeit an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 9 Abs. 4 FPG - nicht nur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, sondern gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG (bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen) auch an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Februar 2008
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007210494.X00Im RIS seit
27.03.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009