TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/17 2008/23/1033

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §24 Abs8;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §5a Abs1;
AsylG 1997 §5a Abs4;
AsylGNov 2003;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Berger und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerden 1. des M B in W, geboren 1968, und 2. der C B in B G, geboren 1975, beide vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. April 2005, Zl. 259.420/0-VII/20/05 (zu 1.) und Zl. 259.419/0-VII/20/05 (zu 2.), jeweils betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20 (insgesamt daher EUR 1.982,40) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten und georgische Staatsangehörige; sie reisten am 14. Februar 2005 in das Bundesgebiet ein und brachten am selben Tag bei der Erstaufnahmestelle West des Bundesasylamtes Asylanträge ein. Das Bundesasylamt holte hinsichtlich der Beschwerdeführer Eurodac-Auskünfte ein, denen zufolge diese bereits am 17. März 2003 (Erstbeschwerdeführer) bzw. 23. April 2004 (Zweitbeschwerdeführerin) in der Bundesrepublik Deutschland Asylanträge gestellt hatten. Auf dieser Grundlage ersuchte das Bundesasylamt die zuständige deutsche Behörde, die Beschwerdeführer nach Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin-Verordnung), wieder aufzunehmen. Das deutsche "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" erteilte mit Schreiben jeweils vom 25. Februar 2005 (beim Bundesasylamt per Telefax eingelangt am selben Tag) seine diesbezügliche Zustimmung, dies gestützt auf Art. 16 Abs. 1 lit. e (Erstbeschwerdeführer) bzw. Art. 16 Abs. 1 lit. c (Zweitbeschwerdeführerin) der Dublin-Verordnung. Das Bundesasylamt wies die Asylanträge mit Bescheiden jeweils vom 5. März 2005, den Beschwerdeführern am 18. März 2005 durch persönliche Übergabe zugestellt, gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) zurück, sprach aus, dass für die Prüfung der Asylanträge die Bundesrepublik Deutschland zuständig sei, und wies die Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 und 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Bundesrepublik Deutschland aus. Das Bundesasylamt stützte sich im Spruch der Bescheide darauf, dass für die Prüfung des jeweiligen Antrages gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin-Verordnung die Bundesrepublik Deutschland zuständig sei; in den Bescheidbegründungen wird demgegenüber darauf verwiesen, dass eine Zuständigkeit nach Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin-Verordnung vorliege.

Die belangte Behörde wies dagegen erhobene Berufungen mit Bescheiden vom 13. April 2005 gemäß §§ 5 Abs. 1 und 5a Abs. 1 AsylG ab.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der im vorliegenden Fall anzuwendende § 24a Abs. 8 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 lautet:

"Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

Diese Bestimmung ordnet in ihrem ersten Satz für die Dauer von Konsultationen nach der Dublin-Verordnung eine Fortlaufshemmung der genannten zwanzigtägigen Entscheidungsfrist an. Demnach läuft die begonnene Frist nach dem Abschluss solcher Konsultationen weiter. Ist die Frist vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides abgelaufen, so ist der Asylantrag kraft Gesetzes "zugelassen" und eine Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG kommt nicht mehr in Betracht (vgl. dazu im Einzelnen die hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0038 und Zl. 2005/20/0095, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; siehe zuletzt etwa die Erkenntnisse vom 23. November 2006, Zl. 2005/20/0427, und vom 31. Mai 2007, Zl. 2005/20/0617). Der Zeitpunkt des Beginns der Konsultationen nach der Dublin-Verordnung ist im Bescheid offenzulegen, um den Asylwerber in die Lage zu versetzen, die Einhaltung der gesetzlichen Frist des § 24a Abs. 8 AsylG zu überprüfen (vgl. das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0313). Konsultationen werden im Sinne des § 24a Abs. 8 AsylG erst geführt, wenn die Einleitung des Konsultationsverfahrens nach außen in Erscheinung tritt. Dies ist nicht etwa schon dann der Fall wenn eine Abteilung des Bundesasylamtes das Dublin Büro derselben Behörde um Einleitung eines Konsultationsverfahrens ersucht, sondern erst dann, wenn das Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin-Verordnung an den in Betracht kommenden Mitgliedstaat gestellt worden ist. Grundsätzlich beginnt das Führen des Konsultationsverfahrens - und damit die Fortlaufshemmung der 20-Tage-Frist gemäß § 24a Abs. 8 AsylG - daher erst mit der Zustellung des Wiederaufnahmegesuches an den betreffenden Mitgliedstaat (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 31. Mai 2007).

Im vorliegenden Fall wurden die Asylanträge am 14. Februar 2005 bei der Erstaufnahmestelle West des Bundesasylamtes (iSd § 3 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003) eingebracht. Weder den angefochtenen Bescheiden noch den vorgelegten Verwaltungsakten lässt sich in eindeutiger Weise entnehmen, wann das Bundesasylamt die Wiederaufnahmegesuche an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet hat; die positiven Antworten des deutschen Bundesamtes vom 25. Februar 2005, die am selben Tag beim Bundesasylamt einlangten, nehmen diesbezüglich auf Ersuchen vom 23. Februar 2005 Bezug. Die erstinstanzlichen Bescheide datieren vom 5. März 2005, wurden durch Zustellung an die Beschwerdeführer allerdings erst am 18. März 2005 erlassen.

Im Hinblick auf diese Aktenlage ist evident, dass das Bundesasylamt in den gegenständlichen Fällen - auch unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Fortlaufshemmung - nicht binnen zwanzig Tagen ab Einbringung der Asylanträge über deren Zulässigkeit nach § 5 AsylG entschieden, das heißt die Zurückweisungsbescheide erlassen hat. Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG und die Ausweisung der Beschwerdeführer nach § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG war somit nicht mehr rechtmäßig. Dem hätte die belangte Behörde von Amts wegen - durch ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Bescheide - Rechnung tragen müssen (vgl. Punkt 4. der Entscheidungsgründe des erwähnten Erkenntnisses Zl. 2005/20/0038 sowie Punkt 5. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom selben Tag, Zl. 2005/20/0095).

Da sie dies unterlassen hat, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2008

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008231033.X00

Im RIS seit

24.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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