TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/16 2008/18/0754

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Veröffentlicht am 16.12.2008
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §8;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A B in W, geboren am 23. Dezember 1966, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Oktober 2008, Zl. E1/324.361/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Oktober 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben im September 2003 in Österreich eingereist und habe am 28. April 2004 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, die jedoch am 1. Juli 2004 verstorben sei. Ein von ihm am 1. September 2004 eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei im Instanzenzug mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 9. Juni 2005 rechtskräftig abgewiesen worden. Einer dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei zwar die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, die Beschwerde sei jedoch mit Erkenntnis vom 5. September 2006 als unbegründet abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Er sei nach seiner sichtvermerksfreien Einreise im September 2003 in Österreich geblieben und halte sich seit 6. September 2006 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen im Inland. Er sei jedoch regelmäßig einer Beschäftigung nachgegangen - so vom 19. Juli 2004 bis 13. Oktober 2004, vom 26. April 2005 bis 12. Dezember 2005, vom 8. Februar 2006 bis 10. Februar 2006, vom 1. Juni 2006 bis 31. Dezember 2006 und zuletzt als Angestellter seit 1. Jänner 2007 -, sodass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in sein Privatleben verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sei davon auszugehen, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Vom Beschwerdeführer seien die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG angesichts der Tatsache, dass er sich seit der Abweisung der genannten Beschwerde unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, in gravierender Weise missachtet worden. Dabei könne auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen im Inland bei der "MA 35" (gemeint: beim Landeshauptmann von Wien) gestellten weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG nur vom Ausland aus erwirkt werden könnten.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden können. Seine Ausführungen über die angebliche Verfolgung in seinem Heimatland gingen ins Leere, weil mit der vorliegenden Maßnahme nicht ausgesprochen werde, in welches Land er auszureisen habe bzw. dass er allenfalls (überhaupt) abgeschoben werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Beschwerdegründen beschränken sich zusammengefasst im Wesentlichen darauf, dass es zwar entsprechend der hg. Judikatur für die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausweisungsbescheides ohne Bedeutung sei, ob er im Sinn des § 50 FPG in Algerien bedroht wäre. Allerdings wäre ihm bei Zutreffen der Bedrohung sein langjähriger rechtswidriger Aufenthalt nicht vorzuwerfen und wögen die Auswirkungen der Ausweisung auf seine Lebenssituation jedenfalls schwerer als die Interessen der Öffentlichkeit an der Beendigung seines Aufenthaltes, sodass die Bewertung nach § 66 Abs. 1 FPG iVm Art. 8 EMRK zu seinen Gunsten hätte ausfallen müssen. Sein Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 27. April 2008 sei erkennbar als Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Algerien gemäß § 51 Abs. 1 und 2 FPG zu werten gewesen, und es hätte die Fremdenpolizeibehörde über dieses Vorbringen absprechen müssen, wobei es nicht genüge, im Ausweisungsbescheid wegen des durch ihn erlangten (algerischen) Reisepasses die Verfolgungsgefahr zu verneinen. Daraus folge, dass die belangte Behörde mit der Ausweisung hätte zuwarten müssen, sei doch Algerien das einzige Land, in das er rechtmäßigerweise ausreisen könnte und allenfalls abgeschoben werden würde. Stünde fest, dass er dorthin nicht abgeschoben werden dürfe, wäre die Ausweisung unzulässig, weil sie nicht vollziehbar und im Sinn der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG nicht notwendig wäre. Ferner sei die in § 74 NAG vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wenn humanitäre Gründe vorlägen, woraus das Recht abzuleiten sei, bis zur Entscheidung über diesen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen. Das Verfahren zur Bewilligung des "humanitären Aufenthaltes" des Beschwerdeführers sei noch nicht beendet, weshalb die Behörde mit der Ausweisung bis zur Entscheidung der Niederlassungsbehörde hätte zuwarten müssen. Dem könne auch nicht entgegenhalten werden, dass bereits ein Niederlassungsbegehren abweisend entschieden worden sei, sei er doch damals noch nicht als Schlüsselkraft beschäftigt gewesen.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/18/0261, mwN), führt die Anhängigkeit eines Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen (§§ 72 bis 74 NAG) zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung. Die Frage des Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG ist nicht im Ausweisungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 51 FPG (bzw. in einem allfälligen Verfahren über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Asylgesetz 2005 oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG) zu beurteilen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0118, mwN). Wenn die Beschwerde argumentiert, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 27. April 2008 erkennbar als Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Algerien gemäß § 51 Abs. 1 und 2 FPG zu werten gewesen sei und die Fremdenpolizeibehörde über dieses Vorbringen hätte absprechen müssen, so ist zu bemerken, dass einer allfälligen Säumnis in der Erledigung eines gemäß § 51 FPG gestellten Feststellungsantrages gegebenenfalls durch Stellung eines Devolutionsantrages im diesbezüglichen (gesonderten) Feststellungsverfahren begegnet werden kann.

Der Beschwerdeführer wäre gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn bei einem im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung solche humanitäre Gründe vorlägen, die eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, mwN). Unbestritten verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet.

Die belangte Behörde hat bei der gemäß § 66 Abs. 1 FPG durchzuführenden Interessenabwägung im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem September 2003 und seine regelmäßige Beschäftigung seit 2004 zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Die aus dieser Aufenthaltsdauer resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind allerdings an Gewicht insoweit zu relativieren, als er zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt hat und - nach der im angefochtenen Bescheid getroffenen, nicht bekämpften Annahme der belangten Behörde - (jedenfalls) seit 6. September 2006 sein inländischer Aufenthalt unrechtmäßig war. Der Beschwerdeführer beeinträchtigt durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat, das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Bei Abwägung dieses großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen, wie oben dargestellt, relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, und ergeben sich keine Umstände, die eine Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Dezember 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008180754.X00

Im RIS seit

12.01.2009

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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