RS Vfgh 1987/12/2 G161/87, G162/87, G201/87

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Index

43 Wehrrecht
43/01 Wehrrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
RAO §8
HeeresdisziplinarG §29 Abs1 letzter Satz, §42 Z4, §66 Z3

Leitsatz

Zum (umfassenden) Begriff des Soldaten; durch §29 Abs1 letzter Satz HDG 1985 bewirkter Ausschluß von Rechtsanwälten als Verteidiger im Kommandantenverfahren sachlich nicht gerechtfertigt; Aufhebung der Bestimmung als gleichheitswidrig In §42 Z4 vorgesehen freiheitsentziehende Disziplinarsanktionen nur für untergeordnetes Heerespersonal gleichheitswidrig; Hinweis auf VfSlg. 9728/1983

Rechtssatz

Aufhebung des §29 Abs1 letzter Satz HDG 1985, der die Verteidigung durch Rechtsanwalt im 'Kommandantenverfahren' ausschließt, als gleichheitswidrig; §66 Z3 HDG 1985 läßt im 'Kommissionsverfahren' die Verteidigung durch Rechtsanwalt ausdrücklich zu.

Dem Beschuldigten drohen gerade - und nur - im Kommandantenverfahren, in dem ein Rechtsanwalt als Verteidiger nicht einschreiten darf, freiheitsentziehende Disziplinarstrafen, also - wegen der gravierenden Bedeutung des Rechtsgutes der persönlichen Freiheit - besonders schwere und einschneidende Unrechtsfolgen. Die sonst zulässige Beiziehung eines Anwalts für dieses, unter Umständen zur Verhängung von Haftstrafen führende Verfahren zu verbieten, läßt sich sachlich keinesfalls rechtfertigen: Die Aussage, daß der Disziplin im Bundesheer ein wesentlich höherer Stellenwert als in anderen Verwaltungsbereichen zukomme, muß für das Heer allgemein, nicht etwa bloß für bestimmte - nämlich dem Kommandantenverfahren unterworfene - Heeresangehörige gelten. Aus welchen Gründen die Mitwirkung eines bundesheerexternen Verteidigers den internen Charakter zwar des Kommandanten-, aber nicht des Kommissionsverfahrens erheblich stören könne, leuchtet nicht ein. Der Verfassungsgerichtshof kann aber auch der Auffassung nicht beipflichten, daß lediglich Berufssoldaten einer rechtsfreundlichen Vertretung im Disziplinarverfahren bedürfen. Denn die österreichische Rechtsordnung kennt nur einen - einer solchen Aufsplitterung und Differenzierung zuwiderlaufenden - umfassenden Soldatenbegriff.

Die Beurteilung des geltenden §29 Abs1 letzter Satz HDG 1985 als verfassungswidrig enthält nicht die Aussage, das B-VG stehe einem gesetzlichen Verbot der Beiziehung eines Rechtsanwaltes als Verteidiger in Disziplinarfällen unter allen denkbaren Bedingungen und Voraussetzungen entgegen.

Aufhebung des §42 Z4 HDG 1985, der die Strafe der Disziplinarhaft nur für Grundwehrdiener vorsieht, als gleichheitswidrig.

Das Argument, diese Gesetzesstelle sei deshalb gleichheitsrechtlich unbedenklich, weil alle Soldaten zunächst einmal Grundwehrdienst zu absolvieren und darum eine Phase ihrer Militärdienstzeit zu durchlaufen hatten, für die freiheitsentziehende Disziplinarmittel in Betracht kamen, ist verfehlt. Denn es kommt hier nicht darauf an, ob hierarchisch höher stehende Heeresangehörige in der Vergangenheit vorübergehend dem Regime des §42 Z4 HDG 1985 unterstellt waren. Für die Prüfung nach Art7 Abs1 B-VG entscheidend ist einzig und allein der Umstand, daß gleiches Fehlverhalten ungleichen Sanktionen - und zwar nichtfreiheitsentziehender und freiheitsentziehender Art- unterliegt, je nachdem, ob der Verantwortliche bereits Sprossen der militärischen Stufenleiter erklommen hat oder nicht: Denn nur für untergeordnetes Heerespersonal sind drückende freiheitsentziehende Disziplinarsanktionen vorgesehen. Selbst wenn man die Auffassung teilen sollte, daß Freiheitsbeschränkungen im Militärdienst anders als im "Zivilleben" zu beurteilen seien, wäre für diesen Standpunkt nichts gewonnen, weil diese Sondersituation für alle Heeresangehörigen in gleicher Weise vorläge: Offiziere etwa wären durch eine solche spezifisch militärbezogene Haft nicht schwerer betroffen als ihre Untergebenen. Abschließend wird ausdrücklich auf die für das (Vor-)Erk. VfSlg. 9728/1983 maßgebenden Gründe verwiesen, die der Verfassungsgerichtshof nach wie vor für richtig hält und auf den vorliegenden Rechtsfall sinngemäß überträgt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Militärdienst, Berufsrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G161.1987

Dokumentnummer

JFR_10128798_87G00161_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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