RS Vfgh 1990/3/8 V103/89

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2 B-VG Art139 Abs1 / Allg B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab B-VG Art119a Abs6 VfGG §61a Tir GemeindeO 1966 §114 Abs2 Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 5. September 1989 (mit der die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Leutasch vom 30) März 1989 betreffend Lärmschutz vor Modellflugkörpern teilweise aufgehoben wird.

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Aufhebungsverordnung der Gemeindeaufsichtsbehörde mangels gleichzeitiger Begründung derselben

Rechtssatz

Die - durch Verlautbarung im "Boten für Tirol" Stück 37/1989 unter Nr. 837 sowie durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Leutasch vom 18. September bis 5. Oktober 1989 kundgemachte - Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 5. September 1989 (mit der die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Leutasch vom 30. März 1989 betreffend Lärmschutz vor Modellflugkörpern teilweise aufgehoben wird) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Legitimation der Gemeinde zur Anfechtung einer Aufhebungsverordnung der Aufsichtsbehörde.

Art119a Abs6 zweiter Satz B-VG und der damit übereinstimmende §114 Abs2 TGO 1966 verpflichten die Gemeindeaufsichtsbehörde bestimmte, von ihr als gesetzwidrig erachtete Gemeindeverordnungen mittels Verordnung (nach Anhörung der Gemeinde) aufzuheben und "die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen".

Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß Verordnungen nur dann zu begründen sind, wenn dies im Gesetz (ausnahmsweise) angeordnet ist und daß die (ausnahmsweise angeordnete) Begründung nicht Teil der generellen Norm ist, sondern lediglich die Summe aller jener Überlegungen, die darauf abzielen darzulegen, daß die Verordnung dem Gesetz entspricht.

Auch das der Beschlußfassung über eine Verordnung vorangehende Verfahren und die ihr folgende Kundmachung sind nicht Teil des normativen Inhalts der Verordnung. Dennoch führt die Mißachtung gesetzlicher Vorschriften, die das Verfahren und die Kundmachung regeln, zur Aufhebung der Verordnung als gesetzwidrig durch den Verfassungsgerichtshof.

Steckt das Gesetz also nicht bloß den Rahmen für den Inhalt der Verordnung ab, sondern schreibt es auch sonstige (besondere) Bedingungen für deren rechtmäßiges Zustandekommen vor, so ist die Verordnung auch dann gesetzwidrig iS des Art139 B-VG und als solche vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben, wenn eine dieser anderen Bedingungen nicht beachtet wurde.

Die Begründung der Verordnungsaufhebung ist der Gemeinde nicht irgendwann und irgendwie (also nicht etwa im Zuge des nach Art119a Abs6 zweiter Satz B-VG vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens) mitzuteilen, sondern eben "gleichzeitig" mit der Aufhebungsverordnung. Diese Bestimmung kann nur den Zweck haben, der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde (und nicht etwa anhand von unterschiedlichen Bedenken, die im Zuge des Anhörungsverfahrens von der Aufsichtsbehörde geäußert wurden) zur Aufhebung der Gemeinde-Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten. Nur eine solche formelle, unauswechselbare, bindende Verordnungsbegründung ist geeignet, das vom Gesetzgeber offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls eine der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Ersatzregelung zu treffen, oder aber den von der Verfassung (Art139 Abs1 zweiter Satz, dritter Fall B-VG) vorgesehenen Rechtsschutz vor dem Verfassungsgerichtshof zu suchen. Insofern hat die Verordnungsbegründung im gegebenen Zusammenhang eine ähnliche Bedeutung wie die Begründung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides (vgl. Art119a Abs5 und 9 B-VG).

Damit aber ist es unverzichtbar, das Verletzen der Begründungspflicht derart zu sanktionieren, daß das Fehlen einer den formellen Anforderungen genügenden Begründung das Fehlen einer der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsverordnung bedeutet und damit eine mit einem solchen Mangel behaftete Verordnung im Falle der Anfechtung vom Verfassungsgerichtshof aus der Rechtsordnung beseitigt werden kann.

Kein Kostenzuspruch bei Anfechtung einer Aufhebungsverordnung der Aufsichtsbehörde durch die betroffene Gemeinde gemäß Art139 Abs1 zweiter Satz im Gegensatz zum Fall des Individualantrags.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Kosten, Verordnungserlassung, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, Aufhebungsverordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V103.1989

Dokumentnummer

JFR_10099692_89V00103_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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