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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz - Verw.aktLeitsatz
Keine Geltung des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung für die OBDK; Verfahrensgarantien vor der OBDK entsprechen Art6 MRK; keine Gleichheitswidrigkeit der Regelung über die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte als Sanktion für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft während der Dauer einer Einstellung; keine WillkürRechtssatz
Art87 Abs3 B-VG legt das Gebot der festen Geschäftsverteilung nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit fest und es sind keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte gegeben, die für eine sinngemäße Übertragung dieses Grundsatzes auch für den Bereich der sogenannten Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag sprechen. Es gibt auch keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte, die eine feste Geschäftsverteilung für die nach dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte zu bildenden einzelnen Senate des Disziplinarrates oder die OBDK gebieten würden.
Wie sich aus §§55a bis 55d DSt ergibt, beruht die Zusammensetzung der Mitglieder der OBDK und der entscheidenden Senate auf dem Gesetz. Angesichts der gerichtsähnlichen Stellung unterliegen die Senate der OBDK in der Frage der Zusammensetzung bei der Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte: Ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls nicht bei fortgesetzten Verhandlungen ausgewechselt werden. Die Zusammensetzung der Senate steht nicht im Belieben des Präsidenten der OBDK, sondern er hat - wie das Gesetz, nämlich §55 Abs2 DSt, ausdrücklich festlegt - auf eine möglichst gleichmäßige Belastung der einzelnen Mitglieder sowie auf mögliche Ausschließungs- und Befangenheitsgründe Bedacht zu nehmen. Den Mitgliedern der so dem Gesetz entsprechend zusammengesetzten Senate ist Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aufgrund der Bestimmungen über die Ernennungsdauer (§55c DSt) und die ausdrücklich festgelegte Weisungsungebundenheit der Mitglieder der OBDK (§55 Abs1 DSt) gewährleistet; dazu kommt, daß §55e Abs2 DSt Regelungen darüber enthält, welche Personen von einer Mitwirkung als Mitglied in einem Senat ausgeschlossen sind (mit Hinweis auf die Vorjudikatur).
Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer vor der Verhandlung von der OBDK die Mitglieder der Kommission namentlich bekanntgegeben wurden, um einen allfälligen Ablehnungsantrag binnen drei Tagen einbringen zu können.
Keine willkürliche Verhängung der Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte als Sanktion für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft während einer zeitweiligen Suspendierung von der Berufsausübung.
§13 litb DSt sieht die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste für den Fall vor, daß von einem Anwalt die Rechtsanwaltschaft "während der Dauer" einer Einstellung ausgeübt wird. Nach Wortlaut und Sinn dieser Regelung trifft dies nach §13 litb DSt jedoch nur dann zu, wenn die verbotene Berufsausübung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe vorliegen. Da ein zeitweiliges Berufsverbot auch erst dann wirksam wird, wenn der Einstellungsbescheid durch Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters im Sinne des §56 DSt in Vollzug gesetzt ist, hat ein Rechtsanwalt, gegen den die Sanktion ausgesprochen wurde, im Regelfall hinreichend Zeit, sich darauf einzustellen und die nötigen Vorkehrungen zur Wahrung der Rechte der Klienten zu treffen. Unter diesen Umständen und bei der Bedeutung, die dem Anwaltsberuf für die Rechtsprechung zukommt, kann dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf des Exzesses gemacht werden, wenn er für den Fall einer Berufsausübung, die durch den Bescheid einer Disziplinarbehörde untersagt wurde, ausschließlich die Streichung von der Liste vorgesehen hat.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, fair trial, Behördenzusammensetzung, Kollegialbehörde, Geschäftsverteilung, RechtspolitikEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B545.1989Dokumentnummer
JFR_10099372_89B00545_01