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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch das Verbot der sogenannten "Sternsozietät" in der Rechtsanwaltsordnung; öffentliches Interesse an der vorbeugenden Hintanhaltung von Interessenkonflikten sowie der Absicherung des Verbots der Doppelvertretung durch dieses für Anwälte geltende Verbot der Zugehörigkeit zu mehreren beruflichen Zusammenschlüssen; keine Inländerdiskriminierung; gleichheitskonforme Auslegung der Geltung der geprüften Bestimmung auch für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse gebotenSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die Beschwerdeführer sind Rechtsanwälte in Wien. Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 17. November 2000 wurden sie bestraft, weil sie entgegen der Vorschrift des §21c Z8 RAO in einem Gesellschaftsverhältnis zueinander gestanden sind, obwohl der Erstbeschwerdeführer gleichzeitig einer anderen Rechtsanwaltsgesellschaft angehört hat. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 25. November 2002, 3 Bkd 4/01-11, wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen das Disziplinarerkenntnis keine Folge gegeben.
Das Berufungserkenntnis stützt sich auf folgende - im Wesentlichen vom Disziplinarerkenntnis erster Instanz übernommene - Feststellungen:
"Am 3. September 1996 nahm die Salzburger Rechtsanwaltskammer den Zusammenschluss der Rechtsanwälte Dr. H. L., Dr. K. H., Dr. C.H. L. und Mag. A. H. zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Kenntnis. Jeder der Genannten war zur Vertretung und Geschäftsführung der GesbR befugt. Dr. C.H. L. (...) teilte der Rechtsanwaltskammer Wien über deren Auftrag vom 19. September 1996 mit, dass ihm im Gesellschaftsvertrag das Recht eingeräumt wurde, die Rechtsanwaltschaft außerhalb der Gesellschaft auszuüben. Später gab er der Rechtsanwaltskammer Wien bekannt, dass er mit Wirkung vom 2. Mai 1997 seinen Kanzleisitz von 1010 Wien, Rotenturmstraße ..., nach 1010 Wien, Schubertring ..., verlegen werde. Hinsichtlich dieser Übersiedlung gab es keine schriftliche Vereinbarung zwischen ihm und der Rechtsanwaltsgesellschaft W, T & Partner OEG (im folgenden kurz: OEG). Die Gespräche wurden mit dem Drittbeschuldigten Dr. A. S., mit dem Dr. C.H. L. bekannt war, und auch mit Dr. A. T. sowie Dr. R. W. geführt. Die mündliche Vereinbarung lautete im Ergebnis dahin, dass Dr. C.H. L. seine Kanzlei von der Rotenturmstraße in den Schubertring samt allen Unterlagen, technischen Einrichtungen und Personal verlegt; mitgenommen wurden auch Möbel, Fax, Kopiergerät, EDV-Anlage (bestehend aus drei Arbeitsplätzen) und die Postalia-Maschine. Von der OEG werden Räumlichkeiten, Telefonanlage, Bibliothek und Konferenzräumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung für diese Zurverfügungstellung wurde vereinbart, dass Dr. C.H. L. aus den Eingängen seiner eigenen Causen 39 % seines Umsatzes an die OEG zu zahlen hat. Pro futuro war vorgesehen, dass Dr. C.H. L. als Partner eintreten würde. Sämtliche Gehaltskosten der von Dr. C.H. L. mitgebrachten Mitarbeiter wurden von der OEG übernommen. In Einzelfällen wurde Dr. C.H. L. auch zu Fällen der OEG herangezogen und separat honoriert.
Ab Mai 1997 schien Dr. C.H. L. an dritter Stelle auf dem Briefpapier der OEG auf. In einigen Fällen hat Dr. C.H. L. noch sein altes, eigenes Briefpapier verwendet, insbesondere bei seiner Kurentien-Klientel. Er führte auch sein eigenes Kanzleikonto bis zum Zusammenschluss mit der OEG weiter. Im Februar 1998 erfolgte die Schaltung eines Inserates, in dem der Eintritt der Rechtsanwälte Mag. E. Sp. und Dr. E. St. in die OEG bekanntgegeben wurde. In diesem Inserat scheint Dr. C.H. L. gleichfalls an dritter Stelle nach Dr. R. W. und Dr. A. T. auf. Dr. C.H. L. hat mit der OEG besprochen, dass er sich alleine um die Regelung seiner Beziehungen zur Salzburger Rechtsanwaltsgesellschaft L., H. & H. kümmern werde. Seit der Übersiedlung in die Räumlichkeiten der OEG hat Dr. C.H. L. Briefpapier der Salzburger Gesellschaft nicht mehr verwendet. Tatsächlich hat er aber noch für diese Gesellschaft gearbeitet, jedoch weder im eigenen Namen noch namens der Salzburger Gesellschaft, sondern waren dies Vorarbeiten, die sein Vater Dr. H. L. in Salzburg finalisiert hat.
Aus Gründen der haftungsmäßigen Vorsicht wurde Dr. C.H. L. von der OEG in deren Gesamtversicherung hineingenommen; die Aufnahme Dris. C.H. L. im Briefpapier der OEG erfolgte über seinen Wunsch durch Gesellschafterbeschluss der OEG, auch andere Personen, die auf dem Briefpapier stehen, sind nicht Gesellschafter der OEG.
Zwischen dem 2. Mai 1997 und dem 7. Juli 1998 gab es zwischen Dr. C.H. L. und der OEG kein gemeinsames Vermögen und kein Mitspracherecht Dris. C.H. L. an Agenden der Gesellschaft. Er hatte auch kein Vertretungsrecht für die OEG. Gleichfalls gab es keine Klientenzuweisungen durch die OEG an ihn, er hat ausschließlich seine eigenen Klienten betreut, ausgenommen Su[b]stitutionen, bei denen der Su[b]stituent Herr des Verfahrens blieb und Dr. C.H. L. fallweise honoriert wurde.
Während seiner Tätigkeit in Wien erhielt Dr. C.H. L. keine Klientenbeteiligung aus seiner Gesellschaftereigenschaft in Salzburg, ebensowenig umgekehrt die Salzburger Rechtsanwaltschaftsgesellschaft L., H. & H. aus der Tätigkeit Dris. C.H. L. Mit Eintritt als Gesellschafter in die OEG gemäß Firmenbuchauszug mit 1. Jänner 1999 wurden auch die von Dr. C.H. L. mitgebrachten Fahrnisse in das Eigentum der OEG übertragen. Die Salzburger Rechtsanwaltsgesellschaft L., H. & H. hat der Salzburger Rechtsanwaltskammer mit Schreiben vom 7. Juli 1998 bekanntgegeben, dass Dr. C.H. L. mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 1998 aus ihrer Sozietät ausgeschieden ist."
1.2. Gegen das als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behaupten und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragen.
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Bedenken der Beschwerdeführer entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2003 leitete der Verfassungsgerichtshof aus Anlass dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ersten und des zweiten Satzes des §21c Z8 Rechtsanwaltsordnung RGBl. Nr. 96/1868, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2000, ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof (zu G1/04) zu Recht erkannt, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
III. Über die - zulässige - Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. §21c Z8 RAO lautet:
"8. Rechtsanwälte dürfen keinem weiteren beruflichen Zusammenschluss in Österreich angehören. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, dass ein Rechtsanwalt die Rechtsanwaltschaft auch außerhalb der Gesellschaft ausüben darf. Die Beteiligung von Rechtsanwalts-Gesellschaften an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in Österreich ist unzulässig."
2. Die Beschwerdeführer behaupten, der angefochtene Bescheid verletze sie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil die belangte Behörde durch gehäufte Verkennung der Rechtslage Willkür geübt habe. In dem im Disziplinarverfahren gefassten Einleitungsbeschluss sei den Beschwerdeführern vorgeworfen worden, dass sie - trotz der Zugehörigkeit des Erstbeschwerdeführers zu einer Rechtsanwaltsgesellschaft in Salzburg - einer gemeinsamen Rechtsanwaltsgesellschaft angehört haben. Im Verfahren sei jedoch als erwiesen angenommen worden, dass die Beschwerdeführer keinen notariell beglaubigten und im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Die Verurteilung beruhe vielmehr auf der Annahme, dass die Beschwerdeführer ein konkludentes Gesellschaftsverhältnis begründet hätten. Sie hätten sich angesichts der Formulierung des Einleitungsbeschlusses daher nicht hinreichend verteidigen können. Im Übrigen sei nicht berücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführer - schuldbefreiend - auf ein Rechtsgutachten des Univ. Prof. Dr. F. H. vertrauen durften, in dem die Auffassung vertreten wurde, dass der Sachverhalt nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Beschwerdeführern anzusehen sei. Die belangte Behörde habe außerdem dadurch Willkür geübt, dass sie in einem entscheidenden Punkt, nämlich der Frage, inwiefern die übrigen Beschwerdeführer von den näheren Umständen des Tätigwerdens des Erstbeschwerdeführers informiert waren, jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen habe.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde der den Beschwerdeführern vorgeworfene Sachverhalt im Einleitungsbeschluss vom 20. Dezember 1999 hinreichend konkret umschrieben (wobei auch auf §21c RAO Bezug genommen wurde). Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der wesentliche Sachverhalt in einem aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Verfahren ermittelt wurde; der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der Unterlassung jeglicher Ermittlungen in entscheidungswesentlichen Punkten ist nicht berechtigt. Die Subsumtion dieses Sachverhalts unter den Begriff des "Zusammenschlusses" iSd. §21c Z8 RAO ist keineswegs unvertretbar. Die Frage, wie das Verhältnis der Beschwerdeführer gesellschaftsrechtlich zu beurteilen war (insbesondere, ob eine GesbR bzw. eine OEG existierte) ist für seine Qualifikation als "weiterer Zusammenschluss" nach §21c Z8 RAO nicht ausschlaggebend. Insofern ist auch das von den Beschwerdeführern genannte Rechtsgutachten unerheblich. Auch ein Verstoß gegen das Klarheitsgebot nach Art7 EMRK (vgl. VfSlg. 11776/1988, 16353/2001, 16610/2002) hat nicht stattgefunden. Die Disziplinarbehörden haben sich auf hinreichend bestimmte und vorhersehbare gesetzliche Vorschriften gestützt.
Ob die belangte Behörde das Gesetz im Lichte der bestehenden Standesauffassung in jeder Hinsicht richtig ausgelegt hat, hat der Verfassungsgerichtshof - und zwar auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art133 Z4 B-VG nicht in Betracht kommt - nicht zu prüfen (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996).
3. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Bescheid daher in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt. Sie wurden auch nicht in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Rechtsanwälte, BerufsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B417.2003Dokumentnummer
JFT_09958999_03B00417_00