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10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art8Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die von Sicherheitsorganen zwecks Auflösung einer Demonstration erzwungene Rückkehr von der Staatsgrenze und die anschließende Fahrt in einem Autobus; Verletzung des Freiheitsrechts durch die über das von einer gemäß ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 erlassenen Verordnung über das Verlassen eines Gebietes hinausgehende "Abschiebung" der Beschwerdeführer von der burgenländischen Grenze nach WienRechtssatz
Wenn der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft bei der damals gegebenen Situation eine Gefahr für die Hubschrauber, zumindest durch Sichtbehinderung oder sonstige Irritation der Piloten mit sich daraus allenfalls ergebenden Konsequenzen befürchtet hat, kann der Verfassungsgerichtshof dieser - durchaus vertretbaren - Annahme jedenfalls nicht entgegentreten. Die Verordnung über das Verlassen eines bestimmten Gebietes konnte daher schon aus diesen Gründen mit Recht auf ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 gestützt werden.
Die von der belangten Bezirkshauptmannschaft gesetzten, in Beschwerde gezogenen Zwangsmaßnahmen (Die Beschwerdeführer wurden in Anwesenheit einer größeren Anzahl von Gendarmeriebeamten aufgefordert, einen Autobus zu besteigen und das Gebiet zu verlassen.) waren daher bis einschließlich der Anordnung an den Fahrer des Autobusses, das Gebiet zu verlassen, rechtmäßig.
Nach Verlassen des von der zitierten Verordnung umfaßten Gebietes ist jedoch die aufgrund einer Anordnung des Vertreters der Bezirkshauptmannschaft erfolgte zwangsweise Eskortierung des Autobusses mit den Beschwerdeführern durch Gendarmeriebeamte bis zur Wiener Stadtgrenze weder durch diese Verordnung noch als individuelle Maßnahme durch ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 oder durch eine andere Rechtsvorschrift gedeckt.
Die "Abschiebung" der Beschwerdeführer aus dem Burgenland bis Wien war daher - ganz abgesehen davon, daß diese Maßnahme auch mit Wirkung für ein Gebiet außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der Bezirkshauptmannschaft getroffen wurde - rechtswidrig und verletzte die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit.
Ein behördliches Vorgehen ist dann als "Verhaftung" zu werten, wenn der Betroffene aus dem Handeln der einschreitenden Organe vernünftigerweise nur folgern kann, daß er nicht in der Lage ist, beliebige Ortsveränderungen durchzuführen; es muß sich aus dem Verhalten des Organes schlüssig ergeben, daß der hievon Betroffene nicht persönlich frei ist. Diese Erwägungen treffen auf den hier gegebenen Sachverhalt bis zu dem Zeitpunkt voll zu, als eine Anzahl der Insassen des Autobusses auf der Simmeringer Hauptstraße (rasch) ausstieg und zu einer Straßenbahnhaltestelle ging. Nachdem die begleitenden Polizeibeamten auf diesen Vorfall nicht reagierten, mußte den übrigen Autobusinsassen (darunter den vier Beschwerdeführern) klar geworden sein, daß ein Verlassen des Autobusses nunmehr ohne weitere Konsequenzen möglich war.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Polizei, Sicherheitspolizei, FestnehmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B1199.1990Dokumentnummer
JFR_10079390_90B01199_01