RS Vfgh 1992/6/25 B1395/90, B1396/90, B92/91, B212/91, B308/91, B557/91, B560/91, B561/91, B1023/91

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Veröffentlicht am 25.06.1992
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Index

13 Staatsvertragsdurchführung, Kriegsfolgen
13/02 Vermögensrechtliche Kriegsfolgen

Norm

AVG §13a
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art86 Abs1
B-VG Art133 Z4
B-VG Art145
StGG Art5
Geschäftsordnung der Bundesverteilungskommission, BGBl 233/1964 §9 Abs2
Vermögensvertrag DDR, BGBl 188/1988 Art7
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
VerteilungsG DDR §2 Z1
VerteilungsG DDR §4
VerteilungsG DDR §9 Z4
VerteilungsG DDR §19
VerteilungsG DDR §23
VerteilungsG DDR §24

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Entscheidungen des Feststellungssenates der Bundesverteilungskommission beim BMF über das Bestehen angemeldeter Entschädigungsansprüche bzw die Höhe der diese Ansprüche begründenden Verluste aufgrund des VerteilungsG DDR; keine Präjudizialität des Vermögensvertrages DDR mangels Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer; Anspruch des Staates auf Bezahlung eines Globalbetrages für abgegebenen Interventionsverzicht; kein Entschädigungsanspruch des einzelnen für konkrete Vermögensverluste aufgrund des Vermögensvertrags; Ansprüche nach dem VerteilungsG DDR öffentlich-rechtlicher Natur (keine civil rights); verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit von Stichtagsregelungen in Verteilungs(Entschädigungs-)gesetzen; kein Verzicht auf - nach deutschem Recht zu beurteilende - Entschädigungsansprüche durch Annahme von Zahlungen nach dem VerteilungsG

Rechtssatz

Sofern das gegen die Verfassungsmäßigkeit des Vermögensvertrages DDR gerichtete Vorbringen (auch) als Begehren nach Art145 B-VG, über Verletzungen des Völkerrechtes zu erkennen, gedeutet werden könnte, wäre ein solcher Antrag unzulässig, weil das in dieser Verfassungsnorm vorgesehene Bundesgesetz bisher nicht erlassen wurde.

Der Vermögensvertrag DDR ist nicht präjudiziell. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist das VerteilungsG DDR und das darin verwiesene VerteilungsG Bulgarien.

Mit dem in Art7 des Vermögensvertrages DDR enthaltenen Interventionsverzicht verpflichtete sich lediglich die Republik Österreich gegenüber der seinerzeitigen DDR, keine Ansprüche, die durch den Vermögensvertrag geregelt sind, mehr zu erheben.

Durch Abschluß des völkerrechtlichen Vertrages entsteht ein auf Völkerrecht beruhender Anspruch des Staates auf Bezahlung eines globalen Entschädigungsbetrages, aber noch kein Anspruch des einzelnen auf einen Anteil an diesem Betrag.

Für den einzelnen bedeutet die sogenannte "Entschädigung" keine (eigentliche) Entschädigung für die erfolgte Enteignung oder den sonstigen Verlust einer Rechtsposition, sondern einen Ausgleich für die Schwierigkeit, seinen Anspruch geltend zu machen und durchzusetzen; mit der Annahme der sogenannten "Entschädigung" tritt nicht der Verlust des Rechtsanspruches ein; ob ein solcher besteht und (nunmehr) durchsetzbar ist, richtet sich nach deutschem Recht.

Die Sachgerechtigkeit des VerteilungsG DDR ist aus sich heraus zu prüfen. Der Vermögensvertrag kann lediglich in bestimmter Hinsicht einer der Maßstäbe bei Beurteilung der Sachgerechtigkeit sein.

Bei den von der Bundesverteilungskommission nach dem VerteilungsG DDR zu behandelnden Ansprüchen handelt es sich nicht um "civil rights" iS des Art6 EMRK, sondern um Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur. Eine Konstituierung der Bundesverteilungskommission als Tribunal ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten.

Die Vorschrift des Art86 Abs1 B-VG bezieht sich ausschließlich auf die Ernennung von Richtern in diese Funktion, nicht aber auf die Kreation sogenannter kollegialer Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag iS der Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG.

§9 Abs2 der Geschäftsordnung der Bundesverteilungskommission (betreffend die Bindung des Verteilungssenates an die Entscheidung des Feststellungssenates) ist nicht präjudiziell.

Angefochten sind in den Beschwerdeverfahren die - im ersten Schritt zu erlassenden - Feststellungsbescheide nach §24 Abs1 VerteilungsG DDR. Normen, die sich mit den erst folgenden Schritten befassen (wie hier das Vorgehen des Verteilungssenates im zweiten Schritt), sind daher in diesen Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung.

Auch §24 Abs2 VerteilungsG DDR (wonach die einem Anmelder zugestellte Entscheidung der Bundesverteilungskommission (nämlich des Feststellungssenates) über seinen Entschädigungsanspruch gegenüber jedem Anmelder wirksam ist) ist nicht präjudiziell. Der entsprechende Hinweis in den angefochtenen Bescheiden ist als bloße Rechtsbelehrung ohne jede normative Wirkung zu verstehen.

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn ein Verteilungsgesetz (Entschädigungsgesetz) Stichtagsregelungen enthält; das Gesetz darf nur den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen als der entsprechende Vermögensvertrag (vgl. zB VfSlg. 8786/1980). Hier entsprechen §4 Abs1 und §4 Abs2 VerteilungsG DDR inhaltlich dem Art4 Abs1 und dem Art5 (1. Halbsatz) des Vermögensvertrages DDR.

Wenn es der Feststellungssenat der Bundesverteilungskommission unterlassen hat, auf den Vorbehalt der Beschwerdeführerinnen einzugehen, wonach sie ihre Ansprüche auf Naturalrestitution aufrechterhalten, so mag dies einen Verfahrensmangel darstellen. Ein willkürliches Vorgehen der Behörde ist darin jedoch nicht zu erblicken, zumal durch die Annahme von Zahlungen nach dem VerteilungsG DDR ohnehin auf eine (eigentliche) Entschädigung für die erlittenen Vermögensverluste nicht verzichtet wird.

Da die Ansprüche nach dem VerteilungsG DDR öffentlich-rechtlicher Natur sind, ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurden.

Der Feststellungssenat ist erkennbar davon ausgegangen, daß die in Rede stehenden Kuxe (der "Gewerkschaft Deutschland" und der "Gewerkschaft Burbach") bei den Verhandlungen zwischen der DDR und Österreich über die Höhe der zu zahlenden Globalsumme nicht in Anschlag gebracht wurden (siehe Pkt. 5 des - einen integrierenden Bestandteil des Vermögensvertrages DDR darstellenden - Briefwechsels vom 21.08.87). Er hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Seine Beweiswürdigung und die Schlußfolgerung, daß die beiden Betriebe "kriegswirtschaftlichen Interessen" dienten (vgl. §9 Z4 VerteilungsG DDR), sind zumindest nicht derart verfehlt, daß dies Willkür indizieren würde.

Zwar ist in §2 Z1 VerteilungsG DDR davon die Rede, daß Entschädigung für Vermögensverluste zu leisten ist, die dadurch erwachsen sind, daß das Vermögen in die ausschließliche Verfügungsgewalt der DDR gelangt ist. Diese Gesetzesstelle kann aber - ohne daß eine solche Auslegung willkürlich wäre - dahin verstanden werden, es komme nur darauf an, daß das Vermögen seinerzeit der DDR zugekommen ist.

Die Erörterung der von den beschwerdeführenden Parteien relevierten Fragen über künftige mögliche Rechtsfolgen (Fragen, die nach deutschem Recht zu beantworten sind) ginge weit über die gemäß §13a AVG gebotene Manuduktion hinaus.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Staatsverträge, Entschädigung DDR, VfGH / Präjudizialität, Kollegialbehörde, Manuduktion, civil rights, Stichtag (VerteilungsG DDR)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1395.1990

Dokumentnummer

JFR_10079375_90B01395_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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