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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung der Bestimmung über die Beschränkung der Öffentlichkeit von Untersuchungsausschüssen auf Medienvertreter; Verstoß dieser Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Informationsfreiheit; keine sachliche Rechtfertigung einer generell unterschiedlichen Behandlung von Medienvertretern einerseits und der übrigen Normunterworfenen andererseits; Verstoß gegen die grundsätzliche Öffentlichkeit von Sitzungen der Gesetzgebungsorgane; keine Rechtfertigung der Besserstellung von Medien aufgrund der InformationsfreiheitRechtssatz
Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung des §5 Abs1 Tir LandesverfassungsG über Untersuchungsausschüsse, LGBl. 15/1992, hinsichtlich des Wortes "Medienvertretern".
Die Antragsteller legten zureichend deutlich dar, daß sie vom angefochtenen (Landesverfassungs-)Gesetz - das ihnen den Zutritt zu Beweiserhebungen vor Untersuchungsausschüssen des Tiroler Landtages verwehrt - (in ihrer aus Art32 und Art33, Art96 Abs2 sowie Art117 Abs4 B-VG über die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen des Nationalrates, der Landtage und der Gemeinderäte iVm dem demokratischen Prinzip des B-VG (Art1) ableitbaren Rechtssphäre) unmittelbar betroffen waren und weiterhin betroffen sind. Denn nach ihrem Vorbringen wollten sie nicht ausschließlich an Sitzungen des "Royal"-Untersuchungsausschusses teilnehmen, der derzeit bereits aufgelöst ist; ihr Teilnahmeinteresse erstreckt sich vielmehr auf Untersuchungsausschüsse des Tiroler Landtages überhaupt.
Das Wort "Medienvertretern" in §5 Abs1 des Tir LandesverfassungsG vom 21.01.92 über Untersuchungsausschüsse, LGBl. für Tirol Nr. 15/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Das Ziel der bekämpften Bestimmung, mit welcher Medienvertreter zu manchen Sitzungen von Untersuchungsausschüssen (betreffend Beweiserhebungen) zugelassen werden, liegt unbestrittenermaßen darin, die Allgemeinheit über das Geschehen im Ausschuß zu informieren. Diese Regelung behandelt Medienvertreter einerseits sowie die übrigen Normunterworfenen andererseits unterschiedlich und läßt hiebei räumliche Gegebenheiten von vorneherein außer Betracht. Für diese Art von Differenzierung läßt sich keine sachliche Rechtfertigung im Sinn des Gleichheitssatzes finden.
Die Besserstellung von Medien im Hinblick auf deren besondere Aufgaben läßt sich auch nicht aus Art10 EMRK ableiten.
Die aus Art10 EMRK erfließenden Rechte stehen grundsätzlich jedermann zu, sie wirken sich allerdings im Hinblick auf den höheren Informationsbedarf der Presse im besonderen im Medienbereich aus. Daraus folgt, daß eine die Medien besonders schützende bzw. begünstigende Regelung zwar nicht von vorneherein unzulässig ist, aber nicht so gestaltet sein darf, daß sie den anderen Normunterworfenen die durch Art10 EMRK garantierten Rechte schlechterdings vorenthält.
Die im vorliegenden Fall bekämpfte Regelung bewirkt, daß - völlig unabhängig von den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere der Größe und Aufnahmekapazität parlamentarischer Räumlichkeiten - lediglich Medienvertreter Zutritt zu Ausschußsitzungen haben, die "Öffentlichkeit" im Sinne der Art32, Art33 und Art96 B-VG hingegen nicht.
Eine solche Regelung steht mit Art10 EMRK nicht im Einklang. Wenn der Landesverfassungsgesetzgeber einen parlamentarischen Vorgang wie hier grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich macht, könnte er nach dem oben dargelegten Verständnis der bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung des Art10 EMRK Medienvertretern bei Beschränktheit der räumlichen Möglichkeiten zwar einen Vorrang beim Zutritt zu den Sitzungen einräumen, er ist aber nicht berechtigt, andere Personen hievon völlig auszuschließen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Landtag, Untersuchungsausschuß, Öffentlichkeitsprinzip, InformationsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G109.1992Dokumentnummer
JFR_10068988_92G00109_01