TE Vfgh Beschluss 2004/11/29 G84/04 ua

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Veröffentlicht am 29.11.2004
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
AsylG 1997 §8 Abs2
AsylG 1997 §32 Abs2, Abs3, Abs4, Abs4a
AsylG 1997 §5a Abs1, Abs4

Leitsatz

Zurückweisung von Anträgen des unabhängigen Bundesasylsenates auf Aufhebung von Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Asylgesetznovelle 2003 wegen entschiedener Sache

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Beim unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) sind Verfahren über Berufungen von Asylwerbern gegen Bescheide des Bundesasylamtes anhängig, mit denen die Asylanträge gemäß §5 Abs1 des Asylgesetzes 1997 idF der Asylgesetznovelle 2003 als unzulässig zurückgewiesen wurden. Ferner wurde jeweils festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art16 Abs1 litc der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein anderer Staat zuständig sei, in den der Asylwerber gemäß §5a Abs1 iVm §5a Abs4 Asylgesetz 1997 ausgewiesen werde. Die Berufungswerber beantragten auch, ihren Berufungen aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

2. Aus Anlass dieser Verfahren stellte der UBAS die folgenden jeweils gleichlautenden Anträge, der Verfassungsgerichtshof "wolle die folgenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997) BGBl. I Nr. 76/1997 jeweils idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I Nr. 101/2003, als verfassungswidrig" aufheben:

"1. §5a Abs1 zweiter Satz, in eventu die Wortfolge 'oder 5' in §5a Abs1, in eventu die Wortfolge 'oder 5' in §5a Abs1 sowie §5a Abs4;

2. weiters §32 Abs2 sowie die Wortfolge 'gemäß der §§4, 4a und 6' jeweils in §32 Abs3, 4 und 4a, in eventu §32 Abs2."

3. In den nahezu identisch begründeten Anträgen wird ausgeführt, dass in sämtlichen beim UBAS anhängigen Anlassverfahren die Asylwerber ihren Asylantrag nach dem 30. April 2004 eingebracht haben, so dass gemäß §44 Abs2 Asylgesetz die Asylanträge nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der jeweiligen Fassung, demnach idF der Asylgesetznovelle 2003, BGBl. I 101/2003 (im Folgenden wird diese Fassung als "AsylG" bezeichnet), zu beurteilen seien.

4. §5a Abs1 und Abs4 AsylG lauten:

"Gemeinsame Bestimmungen für unzulässige Asylanträge

§5a. (1) Die Zurückweisung des Antrages gemäß der §§4, 4a oder 5 ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese Ausweisung wird mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar.

...

(4) Eine Ausweisung gemäß Abs1 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."

§32 Abs2 bis 4a AsylG lauten:

"§32.

...

(2) Berufungen gegen Entscheidungen gemäß §5 im Zulassungsverfahren kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Diese Entscheidungen sind mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.

(3) Berufungen gegen Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Diese Entscheidungen sind nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nach Maßgabe des Abs4 durchsetzbar. Der unabhängige Bundesasylsenat kann der Berufung binnen sieben Tagen ab Einlangen der Berufungsvorlage aufschiebende Wirkung zuerkennen; Abs7 gilt sinngemäß.

(4) Wird gegen Entscheidungen gemäß §§4, 4a und 6 Berufung erhoben, ist die Entscheidung sieben Tage nach Berufungsvorlage an den unabhängigen Bundesasylsenat durchsetzbar. Der unabhängige Bundesasylsenat hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Berufungsvorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(4a) Der unabhängige Bundesasylsenat kann der Berufung gegen Entscheidungen gemäß der §§4, 4a und 6 mit Bescheid aufschiebende Wirkung zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und die Berufung nicht aussichtslos erscheint."

5. Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, kundgemacht mit BGBl. I Nr. 129/2004 am 23. November 2004, hat der Verfassungsgerichtshof nach Anträgen der Wiener und der oberösterreichischen Landesregierung u.a. den zweiten Satz des §32 Abs2 AsylG sowie den zweiten Satz des §5a Abs1 leg. cit. als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Der erste Satz des §5a Abs1 sowie Abs4 AsylG waren nicht angefochten worden und somit auch nicht Gegenstand des Verfahrens zu G237/03 ua. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des §32 Abs2 zur Gänze und §32 Abs3, 4 und 4a wurde, soweit die letzteren Bestimmungen jeweils über die Wortfolge "und 6" hinausgehen, zurückgewiesen, weil die oberösterreichische Landesregierung nicht auch §5a Abs1 zweiter Satz AsylG angefochten hatte, so dass im Falle der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen die von der oberösterreichischen Landesregierung behauptete Verfassungswidrigkeit nicht weggefallen wäre. Die Wiener Landesregierung hatte §5a Abs1 zweiter Satz sowie den ganzen §32 Abs2, nicht jedoch die Absätze 3 bis 4a des §32 AsylG angefochten.

6. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Anträge begründet der UBAS die Präjudizialität der von ihm angefochtenen Vorschriften im Wesentlichen damit, dass Berufungen gegen Entscheidungen gemäß §5 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukomme (§32 Abs2 AsylG). Diese Entscheidungen seien mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde habe unverzüglich auszureisen. Eine gleichartige Bestimmung enthalte hinsichtlich der Durchsetzbarkeit §5a Abs1 zweiter Satz AsylG. Diese Vorschriften stünden einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen und seien bei der Entscheidung über diesen Antrag jedenfalls anzuwenden. Die übrigen angefochtenen Vorschriften stünden mit ihnen in untrennbarem Zusammenhang. §32 Abs2 AsylG spreche zwar nur von "Entscheidungen gemäß §5 im Zulassungsverfahren", wogegen die Ausweisung, um deren Durchsetzbarkeit es im vorliegenden Zusammenhang gehe, auf §5a (Abs1) AsylG gestützt sei.

Zum Anfechtungsumfang führt der UBAS aus, dass der Entscheidung über den Antrag, der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, §5a Abs1 zweiter Satz AsylG entgegenstehe. Ferner heißt es:

"Er bezieht sich jedoch nicht nur auf Verfahren nach §5 AsylG, sondern auch auf solche nach den §§4 und 4a AsylG; würde dieser Satz aufgehoben, so würde sich auch für den Bereich jener Verfahren die Rechtslage ändern, obwohl dies zur Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtslage im Anlassverfahren nicht erforderlich wäre. Der unabhängige Bundesasylsenat sieht sich somit vor die Frage gestellt, ob er §5a Abs1 zweiter Satz AsylG anfechten solle oder aber die Wortfolge 'oder 5' im ersten Satz dieses Absatzes. Würde diese Wortfolge aufgehoben, so hätte dies wiederum die Folge, dass in Verfahren nach §5 AsylG - anders als in solchen nach den §§4 und 4a AsylG - keine Ausweisung (mehr) zu verfügen wäre; dagegen werden jedoch im vorliegenden Verfahren keine Bedenken geltend gemacht".

Weiters führt der UBAS aus, dass die allfällige Aufhebung der Wortfolge "oder 5" in §5a Abs1 AsylG zur Folge hätte, dass sich §5a Abs4 AsylG (der an den ersten Absatz anknüpft) nur noch auf Verfahren gemäß den §§4 und 4a AsylG bezöge. Da sich die Meinung vertreten lasse, dadurch würde der Inhalt des §5a Abs4 AsylG völlig verändert und dieser bilde daher mit der angefochtenen Wortfolge im ersten Absatz eine untrennbare Einheit, werde mit dem (zweiten) Eventualantrag auch noch der vierte Absatz des §5a AsylG angefochten.

II. 1. Der Hauptantrag, §5a Abs1 zweiter Satz AsylG aufzuheben, ist im Hinblick auf die bereits erfolgte Aufhebung dieser Bestimmung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004, G237/03 ua., wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§5a Abs1 erster Satz und Abs4 AsylG waren nicht Gegenstand des genannten Verfahrens. Der UBAS stellte die auf die Aufhebung von Wortfolgen dieser Bestimmungen gerichteten Eventualanträge, ohne dafür gesonderte Bedenken vorzubringen. Daher sind auch die Eventualanträge zurückzuweisen.

Der UBAS beantragte ferner die Aufhebung des §32 Abs2 AsylG. Mit dem genannten Erkenntnis vom 15. Oktober 2004 wurde §32 Abs2 zweiter Satz AsylG aufgehoben, hingegen der Antrag auf Aufhebung des §32 Abs2 erster Satz AsylG abgewiesen. Da somit der ganze §32 Abs2 AsylG Gegenstand des Erkenntnisses vom 15. Oktober 2004 war, ist der Antrag auf Aufhebung des §32 Abs2 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Gesonderte Bedenken wurden gegen den ersten Satz des §32 Abs2 AsylG nicht vorgebracht.

2. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "gemäß der §§4, 4a und 6" jeweils in §32 Abs3, 4 und 4a AsylG ist ebenfalls zurückzuweisen, weil gegen diese Bestimmungen keine zusätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht wurden.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litd VfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Asylrecht, res iudicata, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, VfGH / Bedenken, Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G84.2004

Dokumentnummer

JFT_09958871_04G00084_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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