RS Vfgh 1995/10/4 G246/94

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Veröffentlicht am 04.10.1995
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Index

98 Wohnbau
98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
WohnungsgemeinnützigkeitsG §22 Abs4

Leitsatz

Auseinandersetzung um die Höhe von Betriebskosten zwischen Vermieter und Mieter als "civil rights"; direkte Auswirkung derartiger Entscheidungen auch auf andere Mieter; daher Einhaltung der Verfahrensgarantien des Art6 EMRK geboten; kein Widerspruch der Bestimmung des WohnungsgemeinnützigkeitsG über die Form der Zustellung von Verständigungen des Gerichtes in derartigen Verfahren durch Anschlag im Stiegenhaus gegen das Recht auf ein faires Verfahren

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §22 Abs4 Z4 des WohnungsgemeinnützigkeitsG idF BGBl 520/1981.

Daß es denkunmöglich sein soll, daß das anfechtende Gericht die Bestimmungen des §22 Abs4 Z2 und Z4 WohnungsgemeinnützigkeitsG anzuwenden haben würde, ist schon angesichts der von der Bundesregierung selbst herausgestrichenen Judikatur auszuschließen, wonach die Entscheidung in einem Verfahren den Charakter einer Aufwandsposition als Bestandteil der Betriebskosten auch für jene Mieter bindend festlege, die am Verfahren nicht beteiligt waren.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §22 Abs4 Z4 des WohnungsgemeinnützigkeitsG idF BGBl 520/1981.

Daß eine Auseinandersetzung um die Höhe von Betriebskosten zwischen einem Vermieter und einem Mieter zum Zivilrecht zählt, ist nicht zweifelhaft. Sofern sich eine Entscheidung darüber auch auf andere Personen direkt auswirkt (vgl MietSlg 37508/1985) und nicht nur Nebenwirkungen entfaltet, wird auch die Privatrechtssphäre dieser anderen Mieter betroffen, sodaß ein Verfahren, in dem über derartige Fragen abgesprochen wird, den Verfahrensgarantien des Art6 EMRK zu entsprechen hat.

Dementsprechend ist es verfassungsrechtlich geboten, den anderen Mietern Gelegenheit zu bieten, daß sie ihre Sache in einem fairen Verfahren effektiv vertreten können. Der Sicherstellung dieser Anforderung dient §22 Abs4 Z2 WohnungsgemeinnützigkeitsG.

Die Form der Zustellung, wie sie in §22 Abs4 Z4 WohnungsgemeinnützigkeitsG vorgesehen ist (mindestens 30 Tage währender Anschlag im Stiegenhaus), reicht aus, um den Betroffenen eine effektive Möglichkeit zu bieten, vom Verfahren Kenntnis zu erlangen und ihre Rechtsansicht im Verfahren zu vertreten. Selbst für den Fall, daß der Betroffene vom Verfahren, von dem er zu verständigen ist, durch vorzeitige Entfernung oder Beschädigung des Anschlages keine Kenntnis erlangen konnte, bietet die Rechtsordnung durch das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§17 AußStrG iVm §146 ff ZPO) ausreichende Vorsorge für eine effektive Möglichkeit der Betroffenen, an einem Verfahren teilzunehmen, durch die ihre vermögensrechtliche Position betroffen wird.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, VfGH / Präjudizialität, civil rights, fair trial, Betriebskosten, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G246.1994

Dokumentnummer

JFR_10048996_94G00246_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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