RS Vfgh 1995/12/2 V146/94

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Veröffentlicht am 02.12.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Bebauungsplan Nr 1.1 "Aigen-Aschet" Änderung Nr 3 des Gemeinderates der Gemeinde Thalheim bei Wels vom 22.09.88
Oö RaumOG §23
Oö BauO §32

Leitsatz

Aufhebung der eine bessere Grundstücksausnutzung ermöglichenden, teilweisen Änderung eines Bebauungsplanes wegen Widerspruchs zum Oö RaumOG und wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz; kein Erfordernis der auf die Errichtung eines Seniorenwohnheimes abzielenden Bebauungsplanänderung durch das Gemeinwohl; keine Berücksichtigung nachbarschaftlicher Interessen; keine sachliche Rechtfertigung der Zulassung einer vom sonstigen Bebauungsplan abweichenden intensiveren baulichen Nutzung im Interesse des Bauwerbers

Rechtssatz

Der Bebauungsplan Nr 1.1 "Aigen-Aschet" Änderung Nr 3 des Gemeinderates der Gemeinde Thalheim bei Wels vom 22.09.88 wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit er das Grundstück Nr 3/15 und die Baufläche .98, EZ 496, KG Aschet, betrifft.

Die Bebauungsplanänderung ist schon mangels der gesetzlichen Voraussetzungen nach §23 Abs1 oder Abs2 Oö RaumOG gesetzwidrig.

Die Bebauungsplanänderung zielt auf eine "bessere Grundstücksnutzung", also eine intensivere bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks durch dessen Eigentümer. Es wird in keiner Weise dargetan, daß in der Gemeinde Thalheim bei Wels ein besonderes, im öffentlichen Interesse gelegenes Bedürfnis nach kommerziell betriebenen Seniorenwohnungen besteht, deren Errichtung das konkrete Bauprojekt, auf das die Bebauungsplanänderung zugeschnitten ist, zu dienen bestimmt ist.

Darüber hinaus muß §23 Abs1 Oö RaumOG so verstanden werden, daß das Gemeinwohl die Planänderung nur "erfordert", wenn auf Grund einer Interessenabwägung die für die Änderung des Bebauungsplanes sprechenden, im öffentlichen Interesse gelegenen Gründe das Interesse am Bestand des früheren Bebauungsplanes, aus dem nicht nur der Grundeigentümer, sondern auch dessen Nachbarn für sich Rechte ableiten können, überwiegt. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Daß die gesetzliche Voraussetzung des §23 Abs2 Oö RaumOG, wonach durch die Bebauungsplanänderung "Interessen Dritter nicht verletzt werden" dürfen, hier aber ebenfalls nicht vorliegt, wird schon aus den Einwendungen der Nachbarn, deren Interessen gerade durch §23 Abs2 Oö RaumOG als berücksichtigungswürdig anerkannt werden, im Verfahren zur Bebauungsplanänderung deutlich. Die von der Gemeinde Thalheim vertretene Auffassung, daß nach den - eher als geringfügig zu bezeichnenden - optischen Änderungen am Bebauungsplanänderungsentwurf die "Einwendungen (der Nachbarn) weitgehend berücksichtigt wurden und sie von den vorgenommenen Änderungen nicht nachteilig betroffen sind", ist falsch.

Der Hinweis der Oberösterreichischen Landesregierung auf §32 Oö BauO vermag schon deshalb die Bebauungsplanänderung nicht zu rechtfertigen, weil die dort gesetzlich geregelten Bestimmungen über "Lage und Höhe der Gebäude" gemäß dem Abs1 dieser Gesetzesvorschrift nur unter der Voraussetzung gelten, daß sich "aus ... dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt". Wenn ein Bebauungsplan zum Nachteil nachbarschaftlicher Interessen geändert wird, läßt sich diese Änderung nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, daß die Nachbarn ohne Bebauungsplan auch mit der beabsichtigten Verbauung rechnen müßten.

Die Bebauungsplanänderung verstößt auch gegen den Gleichheitssatz.

Wenn ein Bebauungsplan die Bebauung in die durch die öffentlichen Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken hat, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, auf einem der vom Bebauungsplan erfaßten Grundstücke lediglich im Interesse des Bauwerbers eine vom sonstigen Bebauungsplan abweichende bauliche Nutzung zuzulassen.

Im Gegensatz zu den Nachbargrundstücken, für die durch den Bebauungsplan lediglich eine zweigeschossige Bebauung vorgesehen ist, wurde auf dem Grundstück 3/15 und .98, KG Aschet, eine den individuellen Bauinteressen des Bauwerbers dienende, erheblich massivere Bebauung hinsichtlich der Höhe und räumlichen Gestaltung des Bauwerks gestattet.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Abänderung (Bebauungsplan)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V146.1994

Dokumentnummer

JFR_10048798_94V00146_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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