RS Vfgh 1998/12/3 G48/98

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Veröffentlicht am 03.12.1998
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Gesetz
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Wr AusländergrunderwerbsG §1

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der die Genehmigungspflicht des Eigentumserwerbs durch Ausländer vorsehenden Bestimmung des Wr AusländergrunderwerbsG; keine Entscheidung über "civil rights" durch ein unabhängiges Tribunal

Rechtssatz

Der Verwaltungsgerichtshof bekämpft die Wortfolge "des Eigentums (Miteigentums)," in §1 Abs1 Wr AusländergrunderwerbsG, nicht nur den Klammerausdruck "(Miteigentums)", obwohl offenkundig nur die Übertragung von Miteigentumsanteilen strittig ist.

Bei der Frage des Umfanges der Präjudizialität ist darauf abzustellen, wie die verbleibende Regelung zu deuten wäre. Würde nur der Klammerausdruck beseitigt, könnte unter dem verbleibenden Begriff "Eigentum" ohne weiteres auch das Miteigentum als erfaßt angesehen werden. Zwar spräche diesfalls ein Vergleich der ursprünglichen mit der dann verbleibenden Textformulierung gegen eine solche Auslegung, der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit wäre dies aber abträglich.

Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich deshalb insgesamt als zulässig.

Die Wortfolge "des Eigentums (Miteigentums)," in §1 Abs1 Wr AusländergrunderwerbsG, LGBl 33/1967, war verfassungswidrig.

Ein Verfahren zur behördlichen Genehmigung des Eigentumserwerbes hat "civil rights" iSd Art6 EMRK zum Gegenstand. Es besteht daher nach Art6 EMRK ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf ein mit bestimmten Garantien ausgestattetes Verfahren vor einem unabhängigen "Tribunal"; die nachprüfende Kontrolle von Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof hinsichtlich von Entscheidungen eines Organes, das nicht den Anforderungen eines solchen "Tribunals" entspricht, reicht nicht hin.

Daß die Wiener Landesregierung als zuständige Behörde zur Entscheidung über Ausländergrunderwerbe den Garantien des Art6 EMRK entspräche, wird in der Äußerung der Wiener Landesregierung nicht behauptet.

Die den Ausländergrunderwerb betreffende Regelung hat sich daher im Hinblick darauf, daß sie nicht von einem den Garantien des Art6 Abs1 EMRK entsprechenden Staatsorgan, also nicht von einem "Tribunal" zu vollziehen ist, als verfassungswidrig erwiesen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Ausländergrunderwerb, civil rights, Tribunal

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G48.1998

Dokumentnummer

JFR_10018797_98G00048_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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