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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung des Sachlichkeitsgebotes durch Anknüpfung an einenuntauglichen Zeitpunkt, nämlich der Anzeige des Baubeginns, in derWiener Bauordnung bei der Regelung der Erlangung der Parteistellungübergangener Nachbarn durch Geltendmachung von Einwendungen bislängstens drei Monate nach dem angezeigten Baubeginn auch nach demAbschluss der mündlichen Bauverhandlung; keine Entkräftung derBedenken durch Hinweis auf strengere Regelungen im AVGRechtssatz
Aufhebung des §134 Abs4 Wr BauO 1930 idF LGBl 61/1998.
Die geprüfte Bestimmung führt nicht zu einem sachlichen Ausgleich der von der Wiener Landesregierung ins Treffen geführten Interessen (Rechtsschutzbedürfnis potenziell Beteiligter am Baubewilligungsverfahren einerseits, Interessen der Bauherren andererseits an der Vermeidung großer Vermögensverluste sowie volkswirtschaftliches Interesse an deren Investitionen). Der Grund für das "Übergehen" von Nachbarn bei der Ladung zur Bauverhandlung kann typischer Weise gerade darin liegen, dass der Bauwerber - wie eben auch im vorliegenden Fall - entgegen der Verpflichtung gemäß §64 Abs1 lita Wr BauO im Lageplan nicht die Namen aller Eigentümer der benachbarten Liegenschaften einträgt. Der Gesetzgeber gibt mit der erwähnten Verpflichtung gemäß §64 Abs1 lita Wr BauO also dem Bauwerber eine gewisse Mitverantwortung für die lückenlose Ladung aller Nachbarn. Entsteht in einem Fall wie dem vorliegenden das Risiko eines Wegfalls der Baubewilligung aufgrund eines erst nachträglichen Tätigwerdens übergangener Nachbarn, erscheint es nicht sachgerecht, die Interessen des Bauwerbers derart überzubewerten, nämlich auch und gerade für diesen Fall eine kurze absolute Frist für nachträgliche Nachbareinwendungen vorzusehen, deren Beginn für den Nachbarn nicht in jedem Fall erkennbar sein muss (vgl zur möglicherweise mangelnden Erkennbarkeit die Beispiele aus dem Erkenntnis VfSlg 16049/2000).
Keine Entkräftung der Bedenken durch den Hinweis darauf, dass die Bestimmung des §42 Abs3 AVG, die ebenso das vorliegende Problem der |bergangenen Partei behandle, im Vergleich zu §134 Abs4 Wr BauO eine strengere Regelung enthalte.
Die von der Wiener Landesregierung allein betrachtete Bestimmung des §42 Abs3 AVG ("Quasi-Wiedereinsetzung") kommt bei Unterlassung der Erhebung von Einwendungen durch eine Nebenpartei, die nicht "rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten" hat, nur zum Tragen, wenn die mündliche Verhandlung gewissermaßen doppelt kundgemacht wurde, wobei es dem Gesetzgeber ein Anliegen war, dass durch die gewählte Kundmachungsform "ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt" (vgl §42 Abs1 letzter Satz AVG). Dem Argument, dass diese Regelung strenger sei als die in Prüfung gezogene Regelung, ist also nicht zu folgen. Denn die Wr BauO enthält keine Bestimmungen über die Kundmachung der Durchführung von Bauverhandlungen, die den entsprechenden Regelungen des AVG gleichkommen würden, was die Eignung betrifft, dass "ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt". Auch die in §127 Abs8 Wr BauO vorgesehene Verpflichtung, auf der Baustelle bis zur Vollendung des Baues eine baubehördliche Bestätigung darüber, dass es sich um eine befugte Bauführung handelt, so auszuhängen, dass sie von der Verkehrsfläche aus deutlich sichtbar und lesbar ist, wurde durch die Novelle LGBl 42/1996 beseitigt.
(Anlassfall: E v 02.10.07, B1152/04 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.)
Schlagworte
Baurecht, Nachbarrechte, Parteistellung, Rechte subjektiveöffentliche, Verhandlung mündlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G4.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009