TE Vfgh Beschluss 2006/3/16 V52/05 ua

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Veröffentlicht am 16.03.2006
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Allg
TrassenV, BGBl II 71/2005, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A 12 Inntal Autobahn - Anschlussstelle Innsbruck Mitte
UVP-G 2000 §19 Abs2, Abs4, §23a, §24 Abs11

Leitsatz

Zurückweisung der Anträge von Bürgerinitiativen auf Aufhebung einer Trassenverordnung betreffend eine Anschlussstelle an eine Autobahn; keine Antragslegitimation von bloß beteiligten Bürgerinitiativen nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Mit beim Verfassungsgerichtshof am 14. Juni (V52/05) und am 14. Juli 2005 (V68/05) eingelangten Anträgen begehren die antragstellenden Bürgerinitiativen die Aufhebung der (am 16. März 2005 kundgemachten) Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A 12 Inntal Autobahn - Anschlussstelle Innsbruck Mitte im Bereich der Stadt Innsbruck, BGBl. II 71/2005.

1.2. Diese Verordnung wurde - unbestritten - nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem 3. Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000), BGBl. 697/1993, idF vor der mit 1. Jänner 2005 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I 153/2004 erlassen (s. §23a Abs2 Z2 UVP-G 2000; zur angewendeten Fassung vgl. auch die Promulgationsklausel der angefochtenen Verordnung). Die in §9 Abs3 UVP-G 2000 geregelte (und für die Bestimmung der maßgeblichen Rechtslage bedeutsame) Kundmachung des Vorhabens gemäß §44a Abs3 AVG erfolgte - ebenfalls unbestritten - im Jahr 2003 (und damit vor dem im §46 Abs19 Z2 und 3 iVm Abs18 Z5 lita UVP-G 2000 idF BGBl. I 153/2004 genannten Zeitpunkt).

2. Die antragstellenden Bürgerinitiativen stützen ihre Antragslegitimation auf (die Verfassungsbestimmung des) §24 Abs11 UVP-G 2000 idF BGBl. 773/1996 und auf den dort verwiesenen §19 Abs4.

2.1. Die Antragstellerin zu V52/05 beruft sich "als formgerecht gemäß §19 Abs4 UVP-G 2000 gebildete Bürgerinitiative" auf das ihr "aufgrund der Verfassungsbestimmung des §24 Abs11 leg.cit. ausdrücklich [zukommende] Recht zur Antragstellung gemäß Art139 B-VG"; die erforderlichen Unterschriftenlisten befänden sich im Verordnungsakt.

"Darüber hinaus" wird - offenkundig in Anlehnung an die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines (Individual-)Antrages gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG (als solchen bezeichnet die antragstellende Bürgerinitiative ihre Eingabe an zwei Stellen ausdrücklich) - zur Antragslegitimation "vorsorglich weiter ausgeführt":

"Die in Beschwerde gezogene Trassenverordnung ist eine Verordnung im Sinne der Artikel 18 Abs2 und 139 B-VG. Die genannte Rechtsvorschrift wurde mit BGBl II Nr 71/2005, ausgegeben am 16. März 2005, kundgemacht und steht sohin in Geltung.

Die Antragstellerin hat einen Rechtsanspruch auf fehlerfreie Erlassung von Durchführungsverordnungen; dies umso mehr dann, wenn - wie hier - durch diese in ihre verfassungsgesetzlich geschützten Rechtspositionen, namentlich das Recht auf Leben und Gesundheit ihrer Mitglieder, eingegriffen wird.

Der Eingriff durch die Trassenverordnung ist unmittelbar, weil er nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt ist und keiner weiteren Konkretisierung mehr bedarf; insbesondere ist nach der ... zugrunde liegenden Rechtslage keine weitere straßenbaurechtliche Bewilligung mehr erforderlich.

Der Eingriff ist aktuell und nicht bloß potentiell:

VfSlg 11.685; 12.331; 13.168; 13.635; 14.591; 9100 ua.

Der Eingriff ist nachteilig, weil die Antragstellerin bzw die von ihr repräsentierten Personen durch die bezeichneten Verkehrsführungen in ihrer Gesundheit erheblich gefährdet werden.

Ein anderer Verwaltungsweg zur Bekämpfung der vorliegenden Beeinträchtigung ist nicht gegeben."

2.2. Die Antragstellerin zu V68/05 führt unter Hinweis darauf, dass "aufgrund der Übergangsbestimmungen des §46 UVP-G idgF für den gegenständlichen Fall weiterhin das UVP-G idF vor der Novelle 2004 anwendbar bleibt," zur Zulässigkeit ihres Antrages aus:

"Nach §24 Abs11 UVP-G erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen gemäß Abs1 leg cit auf Antrag der in §19 Abs3 und 4 genannten Parteien. §19 regelt das Entstehen einer Bürgerinitiative, räumt dieser Parteistellung und das Recht ein, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen.

Das UVP-G erweitert durch diese Verfassungsbestimmung das durch Art139 B-VG vorgezeichnete Rechtschutzsystem, indem es den in §19 Abs3 und 4 genannten Parteien den Antrag auf Verordnungsprüfung gemäß §24 Abs11 UVP-G schlechthin - ohne Normierung einer Voraussetzung - einräumt. Dementsprechend ist es für Bürgerinitiativen nicht erforderlich, die Verletzung von bestimmten Rechten geltend zu machen, sondern vielmehr gelangen die Regeln über die abstrakte Normenkontrolle zur Anwendung (vgl Raschauer §24 UVP-G Rz 14; Köhler/Schwarzer §24 Rz 13; Weber/Wimmer in Bergthaler/Weber/Wimmer, Die Umweltverträglichkeitsprüfung Kap XII Rz 74)."

§24 Abs11 UVP-G - so die zu V68/05 antragstellende Bürgerinitiative weiter - unterscheide hinsichtlich der Antragslegitimation nicht zwischen dem "normalen" und dem vereinfachten Verfahren. Auch ein Verweis auf §19 Abs2 UVP-G finde sich nicht. Bürgerinitiativen hätten dementsprechend "volle Antragslegitimation" und seien nicht bloß - wie im vereinfachten Verfahren nach dem 2. Abschnitt - auf die Stellung als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht beschränkt.

3. In der Sache selbst tragen beide antragstellenden Bürgerinitiativen verschiedene gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechende Bedenken vor.

4. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat die Verordnungsakten vorgelegt und die Abweisung der Anträge begehrt.

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. Beide antragstellenden Bürgerinitiativen berufen sich zur Begründung ihrer Legitimation zur Anfechtung der - nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren gemäß '24 Abs2 Z2 UVP-G 2000 idF BGBl. I 89/2000 erlassenen, den Straßenverlauf einer zusätzlichen Anschlussstelle an die Inntal Autobahn festlegenden - Trassenverordnung BGBl. II 71/2005 zunächst auf §24 Abs11 UVP-G 2000.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu V68/05 unterscheidet jedoch (auch) §24 Abs11 UVP-G 2000 - wie die sogleich darzustellende Rechtsentwicklung und die daran anknüpfenden Erwägungen zeigen - sehr wohl zwischen Bürgerinitiativen, denen im Rahmen eines "normalen" Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens subjektive Rechte eingeräumt sind, und Bürgerinitiativen, denen (im vereinfachten Verfahren) bloß die Stellung von Beteiligten zukommt.

Die bereits in der Stammfassung des UVP-G 2000 (im §24 Abs5) enthalten gewesene, seit der Novelle zum UVP-G, BGBl. 773/1996, als Abs11 des §24 leg.cit. in Geltung gestandene Verfassungsbestimmung ist gemäß (der Verfassungsbestimmung des) §46 Abs19 Z2 UVP-G 2000 idF BGBl. I 153/2004 zwar mit 1. Jänner 2005 außer Kraft getreten; sie ist aber nach dem dort verwiesenen Abs18 Z5 lita auf Verordnungen, die - wie die angefochtene (vgl. Pkt. oben I.1.2.) - den Straßenverlauf von "Bundesstraßen ..., für die bis zum 31. Dezember 2004 die Kundmachung gemäß §9 Abs3 durchgeführt wird", festlegen, weiter anzuwenden. §24 Abs11 hat(te) folgenden Wortlaut:

"§24. ...

(11) (Verfassungsbestimmung) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen gemäß Abs1 auf Antrag der im §19 Abs3 und 4 genannten Parteien."

Die Bestimmung war Teil des 3. Abschnittes des UVP-G 2000, der für die Umweltverträglichkeitsprüfung von (im Gesetz näher bezeichneten) Bundesstraßen (iwS und Hochleistungsstrecken) ein Sonderregime etablierte, das der Fest- und Umlegung der Trassen im Verordnungsweg Rechnung trug.

1.1. Der verwiesene Abs1 des §24 (später §§23a und b) legt(e) den Anwendungsbereich des 3. Abschnittes und damit auch jene Verordnungen fest, die Gegenstand einer Anfechtung durch Bürgerinitiativen gemäß §24 Abs11 UVP-G 2000 sein konnten. Er lautete - soweit für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden, eine zusätzlich verordnete Anschlussstelle an die A 12 Inntal Autobahn betreffenden Anträge von Bedeutung - in der Stammfassung:

"(1) Vor Erlassung einer Verordnung

1. gemäß §4 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286/1971, ist für

a) die Festlegung und Umlegung der Trassen von Autobahnen und Schnellstraßen, ausgenommen zusätzliche Anschlußstellen,

b) die Festlegung und Umlegung der Trassen von Bundesstraßen B, ausgenommen Umlegungen, bei denen die Verschiebung der Straßenachse weniger als 50 m beträgt,

2. ... [betrifft Hochleistungsstrecken]

eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen."

Daraus folgt, dass Verordnungen, mit denen (bloß) der Straßenverlauf von zusätzlichen Anschlussstellen an Autobahnen (und Schnellstraßen) festgelegt wurde, nicht Gegenstand der Sonderregelungen des 3. Abschnittes des UVP-G 2000 idStF waren.

1.2.1. Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Anträge ist aber vor allem die verwiesene Bestimmung des §19 Abs4 UVP-G 2000 in ihrem rechtlichen Kontext.

In der Stammfassung (BGBl. 697/1993), also zum Zeitpunkt der Erlassung jener Verfassungsbestimmung, mit der die Anfechtungslegitimation und damit die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit von Trassenverordnungen nach dem BStG 1971 über Art139 Abs1 B-VG hinaus festgelegt wurde, regelte §19 Abs4 UVP-G an sich die Parteistellung (und Rechtsmittelbefugnis) bestimmter Bürgerinitiativen in einem als konzentriertes Genehmigungsverfahren bezeichneten und gestalteten Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren nach dem 2. Abschnitt des UVP-G 2000. Er lautete (Hervorhebungen nicht im Original):

"(4) Eine Stellungnahme gemäß §9 Abs4 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach §20 als Partei teil. Sie ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben."

1.2.2. Eine Unterscheidung der Bürgerinitiativen mit Parteivon jenen mit sonstiger Beteiligtenstellung war dem soeben wiedergegebenen §19 in der Stammfassung des Gesetzes noch fremd; allerdings war der 5. Abschnitt des Gesetzes der "Bürgerbeteiligung" gewidmet und bestimmte in Ansehung von Bundesstraßen:

"§30. ...

(2) Ist für die Festlegung oder Umlegung von Bundesstraßen nach dem Bundesstraßengesetz 1971 die Erlassung einer Trassenverordnung, für die keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß §24 Abs1 Z1 durchzuführen ist, vorgesehen, ist im Rahmen der Anhörung gemäß §4 des Bundesstraßengesetzes 1973 [gemeint wohl: 1971] eine Bürgerbeteiligung nach diesem Abschnitt durchzuführen."

§33 UVP-G sah im Rahmen des Bürgerbeteiligungsverfahrens ebenfalls die Bildung von Bürgerinitiativen vor. Diese Bestimmung entsprach weitgehend der Regelung des §19 Abs4 (bis 6). Als wesentlicher Unterschied ist jedoch festzuhalten, dass nach den Regeln des §33 gebildeten Personengruppen - im Gegensatz zu den Bürgerinitiativen iSd §19 Abs4 - weder Parteistellung (im Leitverfahren oder in einem anderen einschlägigen Genehmigungsverfahren) zukam (s. Raschauer, UVP-G, Kommentar, 1995, §33 Rz 2) noch ein Antragsrecht zur Prüfung von Trassenverordnungen (iSd §30 Abs2 UVP-G) eingeräumt war.

§33 Abs1 lautete (Hervorhebungen nicht im Original):

"(1) Eine Stellungnahme gemäß §32 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) an dem im Anhang 2 zum Vorhaben angeführten Leitverfahren als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht (§17 AVG) teil."

Wenn also an einer Autobahn eine zusätzliche Anschlussstelle (§24 Abs1 Z1 lita) errichtet werden sollte, war gemäß §30 Abs2 "im Rahmen" des bundesstraßenrechtlichen Anhörungsverfahrens der Öffentlichkeit (auch in Gestalt von Bürgerinitiativen) Gelegenheit zur schriftlichen und mündlichen Stellungnahme iSd §§31 ff. UVP-G zu geben.

1.3. Die durch die Verfassungsbestimmung des §24 Abs11 geschaffene Verordnungsanfechtungsbefugnis von Bürgerinitiativen bezog sich dem Konzept des Verfassungsgesetzgebers zufolge lediglich auf Trassenverordnungen, denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung voranzugehen hatte (vgl. §24 Abs1 UVP-G). Die Verordnung zusätzlicher Anschlussstellen an Autobahnen und Schnellstraßen konnte, weil sie gemäß §24 Abs1 Z1 lita UVP-G keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte, nicht Gegenstand eines von einer Bürgerinitiative gemäß §24 Abs11 UVP-G 2000 eingeleiteten Verfahrens nach Art139 Abs1 B-VG sein.

2. Während §24 Abs11 UVP-G 2000 von der Novelle BGBl. I 89/2000 in seinem Wortlaut unverändert blieb, wurden die einfachgesetzlichen Bestimmungen des UVP-G weitgehend neu gefasst. Dabei wurden die Vorschriften über das Bürgerbeteiligungsverfahren zur Gänze beseitigt; für Vorhaben mit potentiell geringeren Umweltauswirkungen wurde statt dessen ein "vereinfachtes Verfahren" geschaffen, in dem Bürgerinitiativen bloße Beteiligtenstellung zukam.

2.1. Der - vormals im (durch Abs11 verwiesene) Abs1 des §24 geregelte - Anwendungsbereich des 3. Abschnittes des UVP-G 2000 wurde für Bundesstraßen einer Neuregelung im §23a zugeführt, wobei zwischen Straßenbauvorhaben unterschieden wurde, die jedenfalls einer ("normalen") Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, bevor eine entsprechende Trassenverordnung erlassen wird (Abs1), und Vorhaben, für die eine "Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren" durchzuführen war (Abs2).

Zusätzliche Anschlussstellen an Autobahnen waren weiterhin ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Abs1 ausgenommen (Z1: "Neubau von Autobahnen ... oder ihrer Teilabschnitte, ausgenommen zusätzliche Anschlussstellen"), konnten nunmehr aber auf Grund einer sog. Einzelfallprüfung umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig sein, wenn sie die im Gesetz angegebenen Kriterien erfüllten; in diesem Fall war vor Erlassung der Trassenverordnung ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen.

Für die vorliegenden Anträge genügt es unter diesem Aspekt festzuhalten, dass der Verordnungserlassung - unbestrittenermaßen - eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren vorangegangen ist.

2.2. §19 Abs1, 2 und 4 idF BGBl. I 89/2000 lautete in seinem hier interessierenden Teil wie folgt (Änderungen des Abs4 gegenüber der Stammfassung durch Fettdruck hervorgehoben):

"§19. (1) Parteistellung haben

1. ...

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs2).

(2) Im vereinfachten Verfahren können Bürgerinitiativen gemäß Abs4 als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht am Verfahren teilnehmen.

...

(4) Eine Stellungnahme gemäß §9 Abs4 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach §20 als Partei oder als Beteiligte (Abs2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben."

In den Materialien (IA 168/A 21. GP) heißt es dazu:

"Abs1 Z6, Abs2 sowie die Ergänzung in Abs4 ('oder als Beteiligte') stellen klar, dass Bürgerinitiativen im vereinfachten Verfahren nicht Partei-, sondern Beteiligtenstellung zukommt."

Ferner bestimmte §24 Abs6 idF BGBl. I 89/2000, dass im Falle eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens für Bundesstraßen

"§9 (öffentliche Auflage) ... mit der Maßgabe anzuwenden [ist], dass die öffentliche Auflage und die Auflage gemäß §4 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971 in einem durchzuführen sind. Weiters ist statt dem Hinweis auf die Parteistellung der Bürgerinitiativen auf ihr Antragsrecht nach Abs11 und ihre Parteistellung oder Beteiligtenstellung in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren nach §24h Abs5 hinzuweisen. Für die Entstehung der Bürgerinitiative gilt §19 Abs4".

2.3. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

Wenn anstelle des Hinweises auf die Parteistellung der Bürgerinitiative im Zuge der öffentlichen Auflage des Straßenbauprojektes auf ihr (in §24 Abs11) verfassungsgesetzlich begründetes Antragsrecht hinzuweisen war, so ist dies nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber ausschließlich jene Bürgerinitiativen vor Augen hatte, denen bei Durchführung eines Verwaltungsverfahrens Parteistellung zwecks Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht eingeräumt wäre. Nur jenen Bürgerinitiativen, die mangels Durchführung eines in einen Bescheid mündenden Verfahrens keinen Gebrauch von der ihnen intentional garantierten subjektiven Rechtssphäre samt Parteistellung machen können, wurde statt dessen das Antragsrecht auf Aufhebung der das Verfahren abschließenden Trassenverordnung verliehen.

Diese Auslegung wird von der zweiten Hälfte des in Rede stehenden Satzes bestätigt: Dort wurde vom Gesetzgeber zwischen Parteistellung und Beteiligtenstellung der Bürgerinitiative im nachfolgenden Genehmigungsverfahren unterschieden, der Hinweis auf die Antragsbefugnis nach §24 Abs11 war jedoch jenen Bürgerinitiativen vorbehalten, bei denen ansonsten auf die Parteistellung (im Zuge der öffentlichen Auflage) hinzuweisen gewesen wäre. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber ein Antragsrecht einer Bürgerinitiative auf Überprüfung einer Trassenverordnung durch den Verfassungsgerichtshof nur für den Fall vorgesehen hat, dass die Bürgerinitiative nicht - nur - zu beteiligen war. Lediglich dann, wenn die Bürgerinitiative die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht beanspruchen konnte, wurde vom Gesetzgeber angesichts der die Trassenfestlegung beschließenden Verordnung anstelle einer ansonsten vorzusehenden Parteistellung die Antragsbefugnis zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung vor dem Verfassungsgerichtshof vorgesehen. Bürgerinitiativen, denen im Verwaltungsverfahren bloße Beteiligtenstellung zukam, fehlt es (auch weiterhin) an der Legitimation, Trassenverordnungen vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten.

3.1. Wie die Darstellung der Rechtslage und -entwicklung gezeigt hat, sind Bürgerinitiativen von Verfassungs wegen zur Anfechtung von Trassenverordnungen nur dann befugt, wenn diesen Trassenverordnungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung zugrunde lag, an der teilzunehmen der Bürgerinitiative kraft subjektiver Rechtssphäre als Partei gestattet gewesen wäre, sofern die Umweltverträglichkeitsprüfung durch Bescheid abzuschließen gewesen wäre. §24 Abs11 UVP-G 2000 ermächtigte hingegen den einfachen Gesetzgeber nicht, Bürgerinitiativen die Befugnis zur Anfechtung von Trassenverordnungen zu gewähren, die zwar bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für eine Bundesstraßentrasse in einem vereinfachten Verfahren zu beteiligen waren, ohne dass sie aber Parteienrechte im Sinn des §19 Abs4 UVP-G 2000 idF vor BGBl. I 153/2004 genossen haben.

Die angefochtene Verordnung BGBl. II 71/2005 wurde gemäß §23a Abs2 Z2 UVP-G 2000 nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren erlassen. Wie §24 Abs6 in Verbindung mit §19 Abs2 UVP-G 2000 zu entnehmen ist, sind Umweltverträglichkeitsprüfungen im vereinfachten Verfahren zwar unter Beteiligung von Bürgerinitiativen durchzuführen. Antragslegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der Trassenverordnung wegen Gesetzwidrigkeit besitzen derartige Bürgerinitiativen jedoch, wie dargestellt, nicht. §24 Abs11 UVP-G 2000, der mittlerweile außer Kraft getreten ist, ist sohin dahin auszulegen, dass bei der Erlassung von Trassenverordnungen bloß beteiligten Bürgerinitiativen vor dem Verfassungsgerichtshof eine Legitimation zur Anfechtung der betreffenden Trassenverordnungen nicht zukommt.

Aus dem Umstand, dass das Gemeinschaftsrecht vereinzelt die Beteiligung der Öffentlichkeit (auch in Gestalt von Bürgerinitiativen) vorsieht, kann für die allein vom nationalen (Verfassungs-)Gesetzgeber zu beantwortende Frage, wer in einem Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof antragslegitimiert ist, nichts gewonnen werden, wie der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 15.226/1998) zur Antragsbefugnis nach §24 Abs11 UVP-G (idF BGBl. 773/1996) bereits ausgesprochen hat.

3.2. Eine auf §24 Abs11 UVP-G 2000 gestützte Antragslegitimation kommt den einschreitenden Bürgerinitiativen sohin nicht zu.

4. Anders als die Antragstellerin zu V52/05 meint und zu begründen versucht, können Bürgerinitiativen, die an der Umweltverträglichkeitsprüfung bloß zu beteiligen sind, mangels einer subjektiven Rechtssphäre auch kein Antragsrecht nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG in Anspruch nehmen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes (VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002) setzt diese Indiviualantragsbefugnis zwingend voraus, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

5. Die Anträge der beiden Bürgerinitiativen waren sohin mangels Legitimation zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Parteistellung Umweltschutz, VfGH / Legitimation, Trassierungsverordnung, Auslegung Verfassung-, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V52.2005

Dokumentnummer

JFT_09939684_05V00052_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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