TE Vfgh Erkenntnis 1981/11/26 B631/78

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Veröffentlicht am 26.11.1981
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

StGG Art5
StGG Art6 / Erwerbsausübung
GewO 1973 §39 Abs5
GewO 1973 §173 Z2
GewO 1973 §174
GewO 1973 §176 Abs1
VfGG §15 Abs2
VfGG §82 Abs3
ZPO §506 Abs1 Z2

Leitsatz

GewO 1973; keine denkunmögliche Anwendung der §§39 Abs5 und 174; keine Verletzung des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums und Freiheit der Erwerbsausübung; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 6. Dezember 1977, Z XII-F-45-1977, wurde das Ansuchen der "Rauchfangkehrermeister Ing. J. F. Gesellschaft mbH" auf Bestellung des Ing. J. F. zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes der ansuchenden Gesellschaft im Standort H., M-straße 10, gemäß §§39 Abs5 und 174 GewO 1973 nicht genehmigt.

Begründend wurde ua. ausgeführt:

"Nach der Bestimmung des §174 (GewO 1973) darf die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes durch einen Geschäftsführer ua. nur genehmigt werden, wenn der Geschäftsführer nicht schon in zwei Rauchfangkehrerbetrieben tätig ist. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren ergab, daß ... Ing. J. F. bereits in zwei entsprechenden Betrieben eine Geschäftsführerfunktion ausübt, und zwar in den Standorten Bruck a. d. L., H-gasse 3, und in Wien XXI., B-straße 130. Der Genehmigung für die Ausübung des betreffenden Gewerbes als gewerberechtlicher Geschäftsführer in einem dritten Betrieb (gemeint offenbar: desselben Rechtsträgers) steht somit ein gesetzliches Hindernis entgegen.

Den eingebrachten Gegenäußerungen zur Stellungnahme der N.Ö. Handelskammer kann nicht beigetreten werden, da die gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit in Betrieben abgestellt sind und es irrelevant erscheint, unter welchen Firmenwortlauten dies geschieht. Tatsächlich ausgeübt wird jedoch die Geschäftsführertätigkeit bereits in zwei verschiedenen Betriebsstandorten. ..."

1.2. Der dagegen von der antragstellenden Gesellschaft eingebrachten Berufung gab der Landeshauptmann von NÖ mit Bescheid vom 23. Oktober 1978, Z 1-B-347/3-1978, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es ua. wörtlich:

"In der ... Berufung wurde ... behauptet, daß der namhaft gemachte Geschäftsführer seine Funktion nur in einem Betrieb ausübe. Die Erhebungen der Berufungsbehörde ergaben, daß die Berufungsausführungen nicht den Tatsachen entsprechen. Gemäß §178 Abs1 GewO 1973 hat der Landeshauptmann, wenn es aus Gründen der Feuerpolizei zweckmäßig ist, durch Verordnung eine gebietsweise Abgrenzung für die Ausführung des Rauchfangkehrergewerbes zu verfügen. Der Landeshauptmann von NÖ hat durch die Verordnung LGBl. 7000/51-1 die gebietsweise Abgrenzung auch verfügt.

Gemäß §9 Abs1 GewO 1973 müssen juristische Personen im Rahmen ihres Wirkungsbereiches und Personengesellschaften des Handelsrechtes einen Geschäftsführer bestellen, um ein Gewerbe ausüben zu können. Gemäß §39 Abs2 GewO 1973 muß der Geschäftsführer u. a. in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes durch einen Geschäftsführer wird im §174 leg. cit. unter Hinweis auf §39 GewO 1973 insofern eingeschränkt, daß sie nur dann genehmigt werden darf, wenn der Geschäftsführer nicht schon in zwei Rauchfangkehrerbetrieben tätig ist. Nach Ansicht der Berufungsbehörde kann sich der Begriff 'Rauchfangkehrerbetrieb' nur auf Kehrbezirke beziehen. Der namhaft gemachte Geschäftsführer Ing. J. F. ist bereits in den Kehrbezirken Bruck an der Leitha und Wien, B-straße tätig. Eine Bestellung für die Konzession im Standort H. ist daher unter Hinweis auf die besondere Einschränkung der Geschäftsführerbestellung gemäß §174 GewO 1973 nicht möglich ..."

1.3.1. Gegen den Bescheid der Berufungsbehörde richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Rauchfangkehrermeister Ing. J. F. Gesellschaft mbH an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

1.3.2. Der Landeshauptmann von NÖ als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, in ihrem durch Art5 StGG gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.

2.1.2.1. Unter Eigentum iS des Art5 StGG können jedoch nur private Vermögensrechte verstanden werden. Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur fallen nicht darunter. Verfügungen der Gewerbebehörde im Zusammenhang mit der Bestellung eines Geschäftsführers gehören aber dem Bereich des öffentlichen Rechtes an. Durch einen eine solche Angelegenheit betreffenden gewerbebehördlichen Bescheid kann daher das durch Art5 StGG geschützte Eigentumsrecht nicht verletzt werden.

2.1.2.2. Aus diesen Gründen wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt.

2.2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) kann nur verletzt werden, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt (zB VfSlg. 8573/1979).

2.2.2.1. Der angefochtene Bescheid gründet sich auf einschlägige Vorschriften der Gewerbeordnung. Er wurde daher nicht ohne gesetzliche Grundlage erlassen.

2.2.2.2. Die Beschwerdeführerin behauptet auch nicht, daß diese dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien. Auch der VfGH hegt - unter dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls - keine derartigen Bedenken.

2.2.2.3. Im übrigen darf nach §174 GewO 1973 die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes durch einen Geschäftsführer (§39 GewO 1973) ua. dann genehmigt werden, wenn der Geschäftsführer nicht schon in zwei "Rauchfangkehrerbetrieben" als Geschäftsinhaber, Geschäftsführer, Pächter oder Filialgeschäftsführer tätig ist. Gemäß §176 Abs2 GewO 1973 dürfen für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes in Gebieten, für die eine gebietsweise Abgrenzung - iSd §176 Abs1 GewO 1973 - verfügt wurde, nur Konzessionen erteilt werden, welche die Ausführung von Kehrarbeiten auf das betreffende Kehrgebiet einschränken. Wenn nun die belangte Behörde angesichts dieser Rechtslage der von der Beschwerdeführerin in breiten Ausführungen bekämpften Rechtsauffassung anhängt, (auch) die Gewerbeausübung kraft einer auf ein bestimmtes (Kehr-)gebiet beschränkten Konzession sei als "Rauchfangkehrerbetrieb" in der Bedeutung des §174 GewO 1973 zu beurteilen, so überschritt sie damit keineswegs die Grenzen denkmöglicher Gesetzeshandhabung.

Der VfGH hat hier zudem nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist:

In Wahrheit suchen die Art6 StGG zugeordneten Beschwerdepartien nach Inhalt und Zielsetzung insgesamt lediglich nachzuweisen, daß die Berufungsbehörde auf Grund eines unzulänglichen Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung verfehlter Überlegungen rechtsirrig entschieden habe. Damit wird jedoch nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde dargetan, vielmehr einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.

Die in Rede stehenden Beschwerdeausführungen entziehen sich damit im Verfahren vor dem VfGH jeder weiteren Erörterung.

2.2.2.4. Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt wurde.

2.3.1. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.3.2.1. Sinngemäß behauptend, es sei der Bestimmung des §174 GewO 1973 ein gleichheitswidriger Inhalt beigemessen worden, bringt die beschwerdeführende Gesellschaft dazu zusammenfassend vor, die belangte Behörde vertrete die Auffassung, daß ein Geschäftsführer in dieser Eigenschaft in nicht mehr als zwei Kehrbezirken (= Rauchfangkehrerbetrieben) tätig sein dürfe, und benachteilige damit das Rauchfangkehrergewerbe betreibende juristische Personen, wofür keine sachliche Rechtfertigung bestehe.

2.3.2.2. Nach Auffassung des VfGH wäre es jedoch keineswegs sachfremd und damit gleichheitswidrig, wenn der Gewerbeordnung tatsächlich dieser ihr - nach Meinung der Beschwerdeführerin - von der belangten Behörde unterstellte Inhalt zukäme, weil gemäß §173 Z2 GewO 1973 die Erteilung der Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe jedenfalls erfordert, daß der Konzessionswerber nicht schon in zwei Rauchfangkehrerbetrieben als Gewerbeinhaber, Pächter, Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer in der gedachten Bedeutung - tätig ist, demnach der behauptete Unterschied in der Behandlung natürlicher und juristischer Personen, die das in Rede stehende Gewerbe betreiben, gar nicht besteht.

2.3.2.3. Aber auch von behördlicher Willkür kann hier keine Rede sein.

Daß das von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.2.2.3. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.).

Es finden sich aber auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Das gesamte Verwaltungsgeschehen, insbesondere jedoch die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt, daß die Behörde vielmehr bemüht war, dem Gesetz die von ihr als richtig erkannte Geltung zu verschaffen; ein solches Bemühen schließt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Willkür aus, und zwar auch dann, wenn es nicht von Erfolg begleitet gewesen sein sollte (vgl. VfSlg. 7860/1976 ua.).

2.3.2.4. Demgemäß wurde die Beschwerdeführerin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

2.5. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften (s. 2.2.2.2.) wurde die Beschwerdeführerin aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.6. Beigefügt sei, daß Verweisungen in der Beschwerdeschrift auf Eingaben der Beschwerdeführerin im Administrativverfahren zur Ergänzung des Beschwerdevorbringens - als unstatthaft - unbeachtet bleiben mußten (vgl. §506 Abs1 Z2 ZPO - in Verbindung mit §35 Abs1 VerfGG 1953 - und die ständige Rechtsprechung des OGH hiezu: EvBl. 1951 Nr. 474; SZ 23/89, 35/66, 45/4; ferner VfSlg. 8241/1978, 9021/1981).

2.7. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, VfGH / Formerfordernisse, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B631.1978

Dokumentnummer

JFT_10188874_78B00631_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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