TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/6 V10/06

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Veröffentlicht am 06.06.2006
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
KurzparkzonenV Mistelbach vom 07.02.05
StVO 1960 §25, §43 Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Kurzparkzonenverordnung für Siedlungsgebiete rund um ein Krankenhaus zur Vermeidung der Belastung der Wohnbevölkerung; Ermittlungsverfahren und Interessenabwägung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mistelbach hat am 7. Februar 2005 die Verordnung, Zl. Ko-1185/2005, mit folgendem Inhalt erlassen:

"V e r o r d n u n g

Die Stadtgemeinde Mistelbach ordnet gemäß §43 Abs1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der derzeit geltenden Fassung, in der KG Mistelbach, nachfolgende Verkehrsbeschränkungen auf Gemeindestraßen an:

Kurzparkzone 'Mistelbach Ost, Südtirolersiedlung'

'Kurzparkzone' gemäß §52 Z. 13d StVO 1960 und 'Ende der Kurzparkzone' gemäß §52 Z. 13e StVO 1960 mit den Zusätzen 'Parkdauer 1,5 Stunden' und 'Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr' im Zuge der Gemeindestrassen Zayagasse, Weimarergasse, Goethegasse, Schillergasse, Südtirolerplatz, Roseggerstrasse und Michael-Hofer-Zeile im Bereich der als 'Zone 2' im beiliegenden Lageplan Nr. 'MBVZ 002' der Stadtgemeinde Mistelbach 'Kurzparkzonen Mistelbach Ost', Maßstab 1:1000 vom 24. September 2004, mit gelber Farbe ausgewiesenen Straßenzüge.

Dieser Plan ist Bestandteil dieser Verordnung und mit einer Bezugsklausel versehen.

Gemäß §44a Abs3 StVO 1960, tritt diese Verordnung mit der Aufstellung der erforderlichen Straßenverkehrszeichen in Kraft.

Gleichzeitig treten alle bisherigen Regelungen betreffend den ruhenden Verkehr in den von dieser Verordnung betroffenen Straßenbereichen in der KG Mistelbach außer Kraft."

2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, (im Folgenden: UVS) ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 25. August 2005 anhängig. Die Berufungswerberin wurde schuldig erkannt, am 9. Mai 2005 um 9.59 Uhr ihr Fahrzeug in der Kurzparkzone am Südtirolerplatz abgestellt und nach Ablauf der höchstzulässigen Parkzeit nicht entfernt zu haben. Dadurch habe sie gegen §2 Abs1 Z2 Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung iVm. §99 Abs3 lita StVO 1960 verstoßen, über sie wurde eine Geldstrafe von € 36,-

verhängt.

3. Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens entstanden beim UVS Zweifel ob der Gesetzmäßigkeit der vorliegenden Verordnung, weshalb er gemäß Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 B-VG den Antrag auf deren Aufhebung stellte. Begründend wird ausgeführt, dass zur Erreichung des verfolgten öffentlichen Interesses mit einer geringeren Gültigkeitsdauer der Kurzparkzone das Auslangen gefunden hätte werden können. Die Verordnung fände in den von der Stadtgemeinde Mistelbach eingeholten Gutachten keine Deckung. Darüber hinaus sei der Befund, der einem der verkehrstechnischen Gutachten zugrunde liegt, mangelhaft. Am 10. Oktober 2003 habe die Stadtgemeinde Mistelbach einen Entwurf vorgelegt, demzufolge die Kurzparkzone zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr bestehen hätte sollen. In weiterer Folge habe sie das Projekt jedoch dahingehend abgeändert, dass die Gültigkeit der Kurzparkzone von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr festgesetzt wurde. Diese "Ausweitung des Gültigkeitszeitraum[s]" stelle eine "verkehrspolitische Festlegung" dar.

4. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mistelbach legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er den Ausführungen des UVS entgegentritt.

5. Die Niederösterreichische Landesregierung legte den auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akt vor, erstattete jedoch keine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

Es ist offenkundig, dass der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mistelbach vom 7. Februar 2005, Zl. Ko-1185/2005, deren Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung der Berufungswerberin ist, anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 und Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und 3 B-VG zulässig.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Normprüfungsverfahren an die im Antrag aufgeworfenen Bedenken gebunden, sodass er ausschließlich beurteilt, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen gesetz- bzw. verfassungswidrig sind (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 12.947/1991, 13.471/1993, 13.704/1994, 14.050/1995, 14.466/1996).

2. Zum Vorbringen des UVS, dass zur Erreichung des verfolgten öffentlichen Interesses auch mit einer geringeren Beschränkung (Parkdauer von 8.00 Uhr bis 11.00 Uhr) das Auslangen gefunden hätte werden können, ist auszuführen, dass die belangte Behörde gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen erlassen kann.

Gemäß §25 Abs1 StVO 1960 kann die Behörde durch Verordnung für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmtes Gebietes - wenn und insoweit es zu bestimmten Zeiten aus ortsbedingten Gründen (auch im Interesse der Wohnbevölkerung) oder zur Erleichterung der Verkehrslage erforderlich ist - das Parken zeitlich beschränken (Kurzparkzone). Die Kurzparkdauer darf nicht weniger als 30 Minuten und nicht mehr als 3 Stunden betragen.

Wie in der Gegenschrift des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mistelbach ausgeführt wird, wurde die angefochtene Verordnung - nach Durchführung von zwei Verhandlungen am 19. April 2001 und am 5. Mai 2004, in denen je ein verkehrstechnisches Gutachten erstellt wurde - aufgrund von Beschwerden der in den betroffenen Straßenzügen wohnenden Bevölkerung erlassen. Im Zuge eines Lokalaugenscheins in den Siedlungsgebieten rund um das Krankenhaus Mistelbach wurde festgestellt, dass in der näheren Umgebung bereits eine Kurzparkzone mit einer Parkdauer von 3 Stunden und durchgehender Gültigkeit bestehe. Das in der Verhandlung vom 19. April 2001 eingeholte Gutachten kommt zu dem Schluss, dass aufgrund der Bewirtschaftung der Stellplätze davon auszugehen sei, dass sich der "Parkdruck" in den umliegenden Wohngebieten bedeutend erhöhen werde. In den Jahren 2003 und 2004 fanden darüber hinaus Informations- und Diskussionsveranstaltungen statt.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und Abwägung der Interessen wurde zur Vermeidung der Belastung der Wohnbevölkerung eine Kurzparkzone mit einer Parkdauer von 1,5 Stunden und einer Gültigkeit von Montag bis Freitag, von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr erlassen. Diese Vorgehensweise entspricht sowohl den Anforderungen des §43 Abs1 StVO 1960, als auch des §25 Abs1 leg.cit. und ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

3. Soweit der UVS unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Mai 2004 vorbringt, dass aus verkehrstechnischer Sicht die Kurzparkzone den Schutzzweck (Vermeidung des Verparkens mit Fahrzeugen der Krankenhausbediensteten) bei entsprechender Überwachung auch bei einer Gültigkeitsdauer von lediglich 3 Stunden erfülle, ist ihm entgegenzuhalten, dass der verkehrstechnische Sachverständige in seinem Gutachten vom 5. Mai 2004 schlüssig ausführt, dass die Festlegung der Parkdauer von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr "de[m] Schutzzweck gerecht wird" (vgl. das Verhandlungsprotokoll der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 5. Mai 2004).

Der Verordnungsgeber hat daher die ihm gesetzten Schranken, nur sachlich begründbare Regelungen zu treffen, nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht überschritten.

4. Der verordnungserlassenden Behörde kann daher insgesamt nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der für die Anrainer der betroffenen Straßenzüge nicht zufrieden stellenden Verkehrssituation eine Kurzparkzone mit einer Parkdauer von 1,5 Stunden und einer Gültigkeit von Montag bis Freitag, von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr verordnet hat.

Der Antrag war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Kurzparkzone

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V10.2006

Dokumentnummer

JFT_09939394_06V00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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