TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/12 B616/80

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Veröffentlicht am 12.06.1982
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

StGG Art5
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2

Leitsatz

Grunderwerbsteuergesetz 1955; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung des §4 Abs1 Z2

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom 17. bzw. 20. August 1976 von der Viag Wohnungseigentumsgesellschaft mbH ein in der KG W. gelegenes Grundstück im Ausmaß von rund 300 Quadratmeter mit einem von der Verkäuferin hierauf bereits errichteten Eigenheim. Laut Pkt. II des Kaufvertrages betrug der Kaufpreis für die Liegenschaft einschließlich der Erschließungskosten S 241.000,- und für das darauf errichtete Eigenheim S 809.000,-. Dieser Erwerbsvorgang wurde dem Finanzamt angezeigt, wobei die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß §4 Abs1 Z2 litb GrEStG beantragt wurde.

b) Nachdem im ersten Rechtsgang der vom Finanzamt entgegen dem Befreiungsantrag erlassene Grunderwerbsteuerbescheid von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. gemäß §299 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts behoben wurde, schrieb das Finanzamt neuerlich Grunderwerbsteuer vor, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhob.

Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 10. Oktober 1980 wurde die Berufung abgewiesen und der gegenständliche Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer unterzogen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß infolge der Höhe der Gesamtbaukosten von S 10.446,- pro m2 der Wohnnutzfläche - bei einer Gesamtwohnutzfläche des Eigenheimes im Ausmaß von

77,44 Quadratmeter - eine Arbeiterwohnstätte iS des §4 Abs1 Z2 litb GrEStG nicht vorliege.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

b) Der Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sind nicht vorgebracht worden und unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht entstanden.

c) Unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums ist jedoch zu prüfen, ob die belangte Behörde bei der Anwendung des §4 GrEStG einen so schweren Fehler begangen hat, daß dies einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre.

Gemäß §4 Abs1 Z2 litb GrEStG ist beim Arbeiterwohnstättenbau der erste Erwerb einer Arbeiterwohnstätte durch eine Person, die die Wohnstätte als Eigenheim übernimmt, von der Besteuerung ausgenommen. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß durch die im §4 Abs1 Z2 GrEStG vorgesehenen Grunderwerbsteuerbefreiungen die Errichtung von solchen Wohnstätten, die sich Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen leisten können, gefördert werden sollen. Sie stellte sodann die Wohnnutzfläche des vom Beschwerdeführer erworbenen Eigenheimes im Ausmaß von 77,44 Quadratmeter den Gesamtbaukosten gegenüber und errechnete die auf den Quadratmeter Wohnnutzfläche entfallenden Baukosten in Höhe von S 10.446,- (inkl. Umsatzsteuer). Da diese Baukosten den im Zeitpunkt der Errichtung des Eigenheimes maßgeblichen Kostensatz der Gesamtbaukosten der Wohnbauförderungsrichtlinien für das Bgld. für Eigenheime bei weitem überstiegen, erachtete die belangte Behörde die Voraussetzungen für eine Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß §4 Abs1 Z2 GrEStG, nämlich das Vorliegen einer Arbeiterwohnstätte, als nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde bei der Ermittlung der Wohnnutzfläche und bei der Berechnung der Vergleichswerte unrichtig vorgegangen sei und daß sie eine verbesserte Ausstattung nicht berücksichtigt habe.

Die Auffassung der belangten Behörde ist nicht denkunmöglich (vgl. VfSlg. 8449/1978). Wenn die belangte Behörde auf Grund der Höhe der Baukosten des in Rede stehenden Objekts und deren Relation zu den für die Bauzeit maßgeblichen angemessenen Gesamtbaukosten für Eigenheime nach der Verordnung der Bgld. Landesregierung vom 13. Dezember 1972, LGBl. 44/1972 idF LGBl. 50/1973 (das waren zum damaligen Zeitpunkt S 6.500,- pro Quadratmeter Wohnnutzfläche zuzüglich Erhöhungsbeträge von maximal 4,75 vH), das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach §4 Abs1 Z2 GrEStG verneint hat, hat sie - sollten die Vorwürfe des Beschwerdeführers zutreffen - allenfalls eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu verantworten, die vom VwGH wahrzunehmen wäre, aber jedenfalls keinen so schweren Fehler begangen, daß dies einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre.

d) Der Beschwerdeführer ist sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden.

2. Daß die belangte Behörde Willkür geübt - und dadurch das Gleichheitsrecht verletzt hätte - oder den Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Auch sind Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

Das Verfahren hat somit nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grunderwerbsteuer, Arbeiterwohnstätte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B616.1980

Dokumentnummer

JFT_10179388_80B00616_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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