Index
32 SteuerrechtLeitsatz
Grunderwerbsteuergesetz 1955; die Worte "Friedhöfen und" in §4 Abs1 Z7 lita wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrigSpruch
Die Worte "Friedhöfen und" in §4 Abs1 Z7 lita des Grunderwerbsteuergesetzes, BGBl. 140/1955 idF BGBl. 277/1969, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit 15. April 1983 in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist zur Zahl B485/79 ein Verfahren über die Beschwerde der "St. Barbara-Gottesacker-Stiftung" anhängig. Die Beschwerdeführerin ist eine Einrichtung der römisch-katholischen Kirche mit eigener Rechtspersönlichkeit, die den zu ihrem Vermögen zählenden St. Barbara-Friedhof in Linz betreibt. Sie wendet sich in dem genannten verfassungsgerichtlichen Verfahren gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für OÖ, mit dem ihr die Grunderwerbsteuerbefreiung für einen zum Zweck der Erweiterung des bestehenden Friedhofs getätigten Liegenschaftsankauf unter Hinweis darauf versagt wurde, daß gemäß §4 Abs1 Z7 lita GrEStG eine Grunderwerbsteuerbefreiung beim Ankauf einer Liegenschaft zu Zwecken der Errichtung oder Erweiterung eines Friedhofs nur für Gebietskörperschaften vorgesehen sei, die beschwerdeführende Institution aber keine Gebietskörperschaft sei.
2. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind beim VfGH Bedenken gegen die Worte "Friedhöfen und" in §4 Abs1 Z7 lita des Grunderwerbsteuergesetzes BGBl. 140/1955 in der Fassung BGBl. 277/1969 entstanden. Aus Anlaß dieser Bedenken hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Worte einzuleiten (Beschluß v. 30. 6. 1981, B485/79-11).
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der genannten Worte verteidigt und beantragt, die in Prüfung gezogenen Worte nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu - im Hinblick auf die notwendige Vorbereitung einer diesfalls erforderlichen Neuregelung - für das Außerkrafttreten eine Frist von 6 Monaten zu bestimmen.
Die im Anlaßverfahren beschwerdeführende St. Barbara-Gottesacker-Stiftung hat als Beteiligte des Gesetzesprüfungsverfahrens eine Stellungnahme erstattet, in der sie den von der Bundesregierung vorgetragenen Argumenten entgegentritt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß §4 Abs1 GrEStG sind bestimmte taxativ aufgezählte Erwerbsvorgänge von der Besteuerung nach diesem Gesetz ausgenommen, darunter:
"7. beim Grundstückserwerb durch eine Gebietskörperschaft
a) der Erwerb eines Grundstückes zur Errichtung oder Erweiterung von Amtsgebäuden, öffentlichen Zivilschutzräumen, Anlagen und Einrichtungen des Bundesheeres, soweit diese der Hoheitsverwaltung des Bundes dienen, öffentlichen Kindergärten, öffentlichen Schulen, öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten, öffentlichen Altersheimen sowie von Friedhöfen und Krematorien,
b) der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung oder Erweiterung von öffentlichen Straßen, sonstigen öffentlichen Verkehrsanlagen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Erholungs-, Wald- und sonstigen Grünanlagen,
c) der Erwerb eines Grundstückes, das den in lita und litb bezeichneten Zwecken dient, wenn das Grundstück zu einem dieser Zwecke weiterverwendet wird,"
(Die in Prüfung gezogenen Worte sind fett gedruckt.)
2. a) Der VfGH hat in dem dieses Verfahren einleitenden Beschluß vorläufig angenommen, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei der Prüfung der Beschwerde anzuwenden hat. Diesen Annahmen des Gerichtshofes ist im Verfahren nicht entgegengetreten worden.
b) Der Beschwerdeführerin kommt als einer Einrichtung der römischkatholischen Kirche mit Rechtspersönlichkeit nach kanonischem Recht gemäß ArtII des Konkordats zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Österreich, BGBl. II Nr. 2/1934, Rechtspersönlichkeit auch für den staatlichen Bereich zu. Auf sie bezieht sich der angefochtene Bescheid, mit dem ihr Grunderwerbsteuer vorgeschrieben wird und durch den sie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerdeführerin ist sohin zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Beschwerdeverfahren zulässig.
c) Die im Anlaßverfahren belangte Behörde hat ihre, die Grunderwerbsteuerbefreiung versagende Entscheidung auf §4 Abs1 Z7 lita GrEStG gestützt. Auch der VfGH hat bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des Bescheides diese Bestimmung anzuwenden. Sie ist daher präjudiziell.
d) Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.
3. Nach dem Leichenbestattungsrecht der Bundesländer können neben Gemeinden und Gemeindeverbänden auch bestimmte andere Institutionen, insbesondere Religionsgesellschaften und deren Einrichtungen Rechtsträger von Bestattungsanlagen sein (vgl. dazu Gampl, Österreichisches Staatskirchenrecht, 1971, 201 f.; Walter - Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts, 1981, 669 f.).
Für Grundstückszukäufe zum Zweck der Erweiterung eines Friedhofes sieht nun das Grunderwerbsteuergesetz eine Grunderwerbsteuerpflicht immer dann vor, wenn der Zukauf nicht durch Gebietskörperschaften erfolgt. Denn §4 Abs1 Z7 lita GrEStG befreit den Grundstückserwerb zum Zweck der Errichtung und Erweiterung von Friedhöfen nur dann von der Grunderwerbsteuerpflicht, wenn er durch eine Gebietskörperschaft vorgenommen wird (vgl. VwGH 8. 2. 1960 Z 1961/57; 21. 9. 1964 Z 424/64). Eine andere Grunderwerbsteuerbefreiungsbestimmung für Grundstückskäufe durch Träger nicht-kommunaler, insbesondere konfessioneller Friedhöfe findet sich im Grunderwerbsteuerrecht nicht.
4. Der VfGH hatte in seinem dieses Verfahren einleitenden Beschluß das Bedenken geäußert, daß diese differenzierende Behandlung von Friedhöfen von Gebietskörperschaften gegenüber konfessionellen Friedhöfen im Grunderwerbsteuerrecht der sachlichen Rechtfertigung entbehre und daher mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot der Bundesverfassung in Widerspruch stehe. Es scheine nämlich, daß die Funktionen kommunaler und konfessioneller Friedhöfe einander weitgehend entsprechen. Denn auch konfessionelle Friedhöfe scheinen denselben öffentlichen Zwecken zu dienen wie etwa kommunale Friedhöfe und weitgehend denselben Regelungen wie diese zu unterliegen (Hinweis auf §§30 - 36 Oö. Leichenbestattungsgesetz). Dies gelte im Prinzip auch für die Aufnahmeverpflichtung, die für konfessionelle Friedhöfe durch Art12 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse, RGBl. 49/1868, dem auch die Regelung des §33 Abs2 Oö. Leichenbestattungsgesetz entspreche, begründet werde.
Der genannte Art12 dieses Gesetzes lautet:
"Keine Religionsgemeinde kann der Leiche eines ihr nicht Angehörigen die anständige Beerdigung auf ihrem Friedhofe verweigern:
1. wenn es sich um die Bestattung in einem Familiengrabe handelt, oder wenn
2. da, wo der Todesfall eintrat oder die Leiche gefunden ward, im Umkreis der Ortsgemeinde ein für Genossen der Kirche oder Religionsgenossenschaft des Verstorbenen bestimmter Friedhof sich nicht befindet."
Im einzelnen führte der VfGH aus:
"Der VfGH geht davon aus, daß die Tatsache, daß eine juristische Person Gebietskörperschaft ist, allein noch nicht ausreicht, um ihre steuerliche Begünstigung sachlich zu rechtfertigen. Für eine sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Gebietskörperschaften und anderen Rechtssubjekten scheinen vielmehr noch weitere Gründe hinzutreten zu müssen. So hat der Gerichtshof mehrfach in derartigen Fällen (zuletzt mit Erk. vom 23. 10. 1980 B219/78) im einzelnen untersucht, welche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der öffentlichen Hand gegenüber anderen Rechtssubjekten bestehen und ob diese eine sachliche Rechtfertigung der Regelung zu bieten vermögen. Dementsprechend hat er in VfSlg. 7720/1975 (vgl. dort insbesondere S 453 ff.) jene Bestimmung, die Grundstücke des Bundes als untaugliche Enteignungsgegenstände für die Errichtung und den Ausbau öffentlicher Krankenanstalten qualifiziert, mangels einer besonderen sachlichen Rechtfertigung aufgehoben.
Auch im vorliegenden Fall scheint dem VfGH keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der für Friedhofszwecke erfolgten Grundstücksankäufe je nachdem, ob es sich um die Errichtung und Erweiterung eines Friedhofes einer Gebietskörperschaft oder eines konfessionellen Friedhofes handelt, gegeben zu sein. Der VfGH geht davon aus, daß die öffentliche Aufgabe der Leichenbestattung in Österreich zu einem gewichtigen Teil durch konfessionelle Friedhöfe besorgt wird, was sich im Lande OÖ etwa auch in §30 Abs2 OÖ Leichenbestattungsgesetz widerspiegelt, der den Gemeinden bloß subsidiär die Verpflichtung zur Errichtung von Friedhöfen überträgt. Unter diesen Umständen hegt er gegen die unterschiedliche grunderwerbssteuerrechtliche Behandlung von Friedhöfen von Gebietskörperschaften und konfessionellen Friedhöfen Bedenken. Die Tatsache allein, daß es sich beim Käufer einmal um eine Gebietskörperschaft, im anderen Fall aber um eine religiöse Einrichtung handelt, scheint im Hinblick darauf, daß in beiden Fällen derselbe öffentliche Zweck befriedigt werden soll, eine sachliche Rechtfertigung nicht zu bewirken.
...
Die in Rede stehende Befreiungsbestimmung wurde in das Österreichische Recht erstmals durch das Grunderwerbsteuergesetz 1955 eingeführt. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (556 BlgNR 7. GP) führen dazu aus, daß die Aufnahme der Befreiungsbestimmung für Grundstückserwerbe zu den angeführten öffentlichen Zwecken über Wunsch des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes erfolgte und fügen dem an:
"Nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung konnte jedoch eine solche Befreiungsbestimmung nicht allein für Grundstückserwerbe durch Gemeinden ausgesprochen werden, sondern mußte auch auf Grundstückserwerbe des Bundes und der Länder ausgedehnt werden." Es scheint dabei vom Gesetzgeber nicht beachtet worden zu sein, daß gerade im Hinblick auf die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Grundstückserwerben für Friedhofszwecke dieselben öffentlichen Zwecke auch durch konfessionelle Friedhöfe befriedigt werden, sodaß der von den Erläuterungen herangezogene Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in dieser Hinsicht nicht realisiert worden zu sein scheint. Auch ist in keiner Weise erkennbar, daß etwa der zuständige Gesetzgeber eine Änderung der oben geschilderten faktischen Situation der weitgehenden Besorgung der öffentlichen Aufgabe der Leichenbestattung mit Hilfe konfessioneller Friedhöfe angestrebt hätte (und deren allfällige verfassungsrechtliche Zulässigkeit daher nicht zu untersuchen war), und daß die steuerlichen Maßnahmen etwa zur Unterstützung solcher Bestrebungen vorgesehen worden wären."
Aus diesen Erwägungen heraus hatte der VfGH verfassungsrechtliche Bedenken gegen die auf Friedhöfe bezogene Ausnahme von der Grunderwerbsteuerbefreiung für Grunderwerbe (nur) durch Gebietskörperschaften. Hinsichtlich der Lokalisierung dieser angenommenen Verfassungswidrigkeit führte der Gerichtshof aus:
"Angesichts seiner ständigen Rechtsprechung, wonach es der VfGH auch schon bei der Beurteilung der Präjudizialität als seine Aufgabe ansieht, den Umfang einer allfälligen Gesetzesaufhebung derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Text eine möglichst geringe Veränderung seines Inhalts erfährt (vgl. etwa VfSlg. 7376/1974), werden nur jene Worte in Prüfung gezogen, die die Ausnahme von der Grunderwerbsteuerpflicht für den Grunderwerb für Friedhofszwecke bewirken, nicht aber jene Bestimmungen, deren Inhalt die Beschränkung der Steuerbefreiung auf Grunderwerbe durch Gebietskörperschaften ist. Denn einerseits würde auch eine Aufhebung der in Prüfung gezogenen Worte die vom Gerichtshof angenommene Verfassungswidrigkeit beseitigen, andererseits würde eine allfällige Aufhebung der Worte "nur durch Gebietskörperschaften" im Einleitungsatz der Z7 des §4 Abs1 GrEStG eine grundlegende Änderung des normativen Gehalts dieses ganzen Befreiungstatbestandes bewirken."
5. Die Bundesregierung hielt diesen Bedenken folgendes entgegen:
"Gegen diese Argumentation ist nach Ansicht der Bundesregierung einzuwenden, daß bei der Prüfung der Frage, ob eine differenzierte Behandlung von Grunderwerben für Friedhöfe durch verschiedene Rechtsträger sachlich gerechtfertigt ist, nicht nur die Zweckerfüllung, nämlich die Bestattung von Leichen oder Leichenteilen, in Betracht zu ziehen wäre.
Es ist vielmehr nach Ansicht der Bundesregierung für eine solche differenzierte steuerrechtliche Behandlung nicht unwesentlich, unter welchen Bedingungen der jeweilige Rechtsträger Bestattungen auf seinen Friedhöfen zulassen muß.
Hier darf festgehalten werden, daß nach keinem das Leichen- und Bestattungswesen regelnden Landesgesetz die Beerdigung von Leichen auf kommunalen Friedhöfen an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Auf konfessionellen Friedhöfen hingegen muß gemäß Art12 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse, RGBl. Nr. 49/1868, eine Leiche eines der Religionsgemeinschaft nicht Angehörigen nur dann beerdigt werden, wenn es sich um die Bestattung in einem Familiengrab handelt, oder wenn sich da, wo der Todesfall eintrat oder die Leiche gefunden wurde, im Umkreis der Ortsgemeinde ein für Genossen der Kirche oder Religionsgesellschaft des Verstorbenen bestimmter Friedhof nicht befindet.
Die Pflicht, Bestattungen auf konfessionellen Friedhöfen zuzulassen, ist daher nur in den im Gesetz bestimmten Sonderfällen gegeben. Die Beerdigung auf kommunalen Friedhöfen hingegen ist an keine solchen Bedingungen geknüpft, woraus sich nach Auffassung der Bundesregierung ein Unterschied in der Gemeinnützigkeit von Friedhöfen wohl erkennen läßt.
Weiters ist bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung steuerrechtlich differenzierter Behandlung verschiedener Rechtsträger von Friedhöfen in Betracht zu ziehen, daß für Gemeinden eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb von Friedhöfen unter bestimmten Voraussetzungen besteht, der im Gegensatz dazu die Religionsgesellschaften nicht unterliegen. (Vgl. hiezu mit weiteren Nachweisen WALTER - MAYER, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechtes, Wien 1981, Seite 670).
Schließlich wäre im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Privilegierung von Gemeinden beim Grunderwerb für Friedhöfe zu berücksichtigen, daß das Recht der Grabstellenbenützung in Gemeindefriedhöfen in einer Reihe von Ländern ein subjektives öffentliches Recht ist; ein solches subjektives öffentliches Recht besteht hinsichtlich der Benützung konfessioneller Friedhöfe nicht, hier ist das Recht der Grabstellenbenützung vielmehr privatrechtlicher Natur (vgl. hiezu mit zahlreichen Nachweisen aus der positiven Rechtsordnung WALTER - MAYER, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts, S. 670; GAMPL, Österreichisches Staatskirchenrecht, S. 202, VfSlg. 7801).
Diese Unterscheidungen lassen eine differenzierte Behandlung von Gemeinden und Religionsgesellschaften beim Grunderwerb für Friedhofszwecke nach dem Grunderwerbsteuergesetz nach Ansicht der Bundesregierung als sachlich gerechtfertigt erscheinen."
6. Die Bedenken des VfGH sind gerechtfertigt:
a) Die öffentliche Aufgabe der Bestattung von Leichen wird in Österreich sowohl durch Gemeinden, als auch - und zwar zu einem sehr bedeutenden Teil - von nicht-kommunalen, insbesondere von kirchlichen Einrichtungen auf sogenannten konfessionellen Friedhöfen besorgt. So gab es Ende 1980 in Österreich insgesamt 1520 kommunale und 1809 konfessionelle Friedhöfe, wobei die konfessionellen Friedhöfe insbesondere in Ktn., OÖ, Stmk., und Vbg. zahlenmäßig überwiegen. (Verzeichnis der österr. Friedhöfe, Schriftenreihe des österr. Bestattungswesens, 5. Teil; hgg. v. d. Wr. Stadtwerken - Städt. Bestattung). Während nämlich bis zur Erlassung des Reichs-Sanitätsgesetzes (RGBl. 68/1870) das Friedhofswesen Domäne der Kirchen und Religionsgesellschaften war, gibt es seither ein Nebeneinander von kommunalen und konfessionellen Friedhöfen (vgl. Gampl, aaO 201). Dies findet in den entsprechenden Bestimmungen der geltenden landesrechtlichen Regelungen über das Bestattungswesen seinen Ausdruck (§31 Abs1 Bgld. Leichen- und BestattungswesenG, LGBl. 16/1970; §26 Abs1 Nö. Leichen- und BestattungsG 1978, LGBl. 9480-0; §30 Abs1 Oö. LeichenbestattungsG, LGBl. 6/1961; §25 Abs1 Sbg. Leichen- und BestattungsG, LGBl. 28/1961; §28 Abs1 Stmk. LeichenbestattungsG, LGBl. 32/1952; §33 Abs1 Tir. Gesetz über die Regelung des Gemeindesanitätsdienstes, des Leichen- und Bestattungswesens und des Rettungswesens, LGBl. 33/1952; §28 Abs2 Vbg. BestattungsG, LGBl 58/1969; §24 Wr. Leichen- und BestattungsG, LGBl. 31/1970; lediglich die Ktn. Regelung sieht keine Beschränkung auf bestimmte Rechtsträger vor: §17 Abs4 Ktn. Gesetz über das Leichen- und Bestattungswesen, LGBl. 61/1971). (Die hier maßgeblichen Bestimmungen stehen in allen Ländern in der jeweiligen Stammfassung der Gesetze in Geltung; diese Landesgesetze werden im weiteren mit LBG abgekürzt.)
Den von Kirchen und anderen gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften errichteten und betriebenen konfessionellen Bestattungsanlagen kommt daher (rechtlich und tatsächlich) eine wesentliche öffentliche Funktion zu. Sie dienen demselben öffentlichen Zweck wie kommunale Friedhöfe.
Bedenkt man diese Identität der gesellschaftlichen Funktion der verschiedenen Arten von Friedhöfen und die faktische Situation, derzufolge ein großer Teil der Bestattungsaufgaben durch nicht-kommunale, insbesondere konfessionelle Friedhöfe besorgt wird, so läßt sich eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Liegenschaftskäufen zum Zwecke von Friedhöfen von Gebietskörperschaften (in praxi insbesondere kommunalen Friedhöfen) und von Liegenschaftskäufen zum Zwecke anderer Friedhöfe (in praxi insbesondere konfessioneller Friedhöfe) nicht erkennen.
b) Die Bundesregierung vermeint jedoch, daß besondere rechtliche Umstände eine unterschiedliche Behandlung von kommunalen Friedhöfen und konfessionellen Friedhöfen im Grunderwerbsteuerrecht rechtfertigen:
aa) Zum ersten verweist die Bundesregierung darauf, daß für kommunale Friedhöfe eine unbeschränkte, für konfessionelle Friedhöfe hingegen nur eine beschränkte Aufnahmepflicht besteht. Dies ist im Prinzip richtig. In allen österreichischen Bundesländern besteht jedoch auch für konfessionelle Friedhöfe eine weitgehende Aufnahmepflicht; diese ist zwar eingeschränkt, besteht aber für Leichen Konfessionsangehöriger sowie unter bestimmten Voraussetzungen (insbesondere bei Nicht-Vorhandensein kommunaler Friedhöfe) auch für Leichen konfessionsfremder Personen (§21 Abs4 Bgld. LBG iVm Art12 RGBl. 49/1868; §33 Abs2 Oö. LBG; §44 Abs3 Sbg. LBG; §31 Stmk. LBG; §35 Tir. LBG iVm Art12 RGBl. 49/1868), in Wien jedoch nur sofern der Friedhof von der betreffenden Religionsgesellschaft entsprechend gewidmet ist (§25 Abs2 Wr. LBG). In jenen Ländern, in denen eine undifferenzierte (und somit auch für konfessionelle Friedhöfe geltende) allgemeine Aufnahmepflicht besteht (§14 iVm §§17 und 18 Ktn. LBG, §14 iVm §§18 Abs2 und 26 Nö. LBG) sowie in Vbg. wo die landesgesetzliche Regelung keine Aussage über die Aufnahmepflicht in konfessionellen Friedhöfen enthält (§52 Vbg. BestG), gilt die oben wiedergegebene Regelung des Art12 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse, RGBl. 49/1868, die ebenfalls eine prinzipielle Aufnahmepflicht vorsieht.
Es ist daher nicht so, wie die Bundesregierung meint, daß für die Träger konfessioneller Friedhöfe die Pflicht, Bestattungen auf ihren Friedhöfen zuzulassen, nur in gesetzlich bestimmten Sonderfällen gegeben ist. Vielmehr besteht auch für konfessionelle Friedhöfe in aller Regel eine - für Nicht-Konfessionsangehörige teilweise beschränkte - Aufnahmepflicht. Diese Situation relativ geringfügiger Unterschiede in der Aufnahmepflicht schließt es nach Auffassung des VfGH aus, aus der Regelung der Aufnahmepflicht eine sachliche Rechtfertigung für die grunderwerbsteuerrechtliche Diskriminierung nicht-kommunaler Friedhöfe abzuleiten.
bb) Die Bundesregierung ist weiters der Auffassung, die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung kommunaler und nicht-kommunaler Friedhöfe sei dadurch gerechtfertigt, daß Gemeinden eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb von Friedhöfen treffe, der im Gegensatz dazu die Religionsgesellschaften nicht unterliegen. Auch mit dieser Argumentation vermag die Bundesregierung nichts für ihre Auffassung zu gewinnen.
Es ist nämlich darauf zu verweisen, daß - mit Ausnahme von Tirol - sämtliche Landesbestattungsgesetze eine bloß subsidiäre Verpflichtung der Gemeinden zur Errichtung und Erhaltung von kommunalen Friedhöfen enthalten. Nur wenn nicht auf andere Weise Vorsorge für die Möglichkeit der Bestattung der im Gemeindegebiet Verstorbenen getroffen ist, besteht eine solche Verpflichtung (vgl. §31 Abs2 Bgld. LBG, §18 Ktn. LBG; §26 Abs2 Nö. LBG 1978; §30 Abs2 Oö. LBG; §25 Abs1 Sbg. LBG; §28 Abs2 Stmk. LBG; §33 Abs1 Tir. LBG; §28 Abs2 Vbg. BestG und §24 Abs1 Wr. LBG; in Wien und Ktn. ist die Verpflichtung der Gemeinde zur Errichtung und Erhaltung von Friedhöfen nur gegeben, wenn ein Bedarf besteht, in den anderen Bundesländern nur, soweit nicht bereits andere, insbesondere konfessionelle Friedhöfe in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen).
Geht man auf diesem rechtlichen Hintergrund von der realen Situation der Existenz einer Vielzahl von nicht-kommunalen, insbesondere konfessionellen Friedhöfen, die den Bedarf in weiten Teilen Österreichs decken, aus und beachtet man, daß es den einen nicht-kommunalen Friedhof betreibenden Rechtsträgern nicht freisteht, die Bestattungsstelle aufzulassen, sie dafür vielmehr in aller Regel einer behördlichen Genehmigung bedürfen (vgl. Walter - Mayer, aaO 670), so zeigt sich, daß auch dieses von der Bundesregierung vorgetragene Argument für eine sachliche Rechtfertigung der grunderwerbsteuerrechtlichen Diskriminierung konfessioneller Friedhöfe nicht durchzuschlagen vermag.
cc) Schließlich bringt die Bundesregierung zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung von kommunalen und nicht-kommunalen Friedhöfen vor, daß das Recht der Grabstellenbenützung bei jenen Friedhöfen in einer Reihe von Ländern ein subjektives öffentliches Recht darstelle, ein solches subjektives öffentliches Recht hinsichtlich der Benützung anderer Friedhöfe aber nicht bestehe. Der VfGH vermag nicht zu erkennen, wieso die rechtliche Konstruktion der Grabstellenbenützung eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Bestattungsanlagen rechtfertigen können soll.
c) Zusammenfassend ergibt sich, daß eine sachliche Rechtfertigung für die Beschränkung der Grunderwerbsteuerbefreiung bei Liegenschaftsankäufen für Friedhofszwecke auf Grundstückserwerbe durch Gebietskörperschaften nicht erkennbar ist; die in Prüfung gezogene Regelung war daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz aufzuheben.
7. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art140 Abs5 B-VG. In Entsprechung des Eventualantrages der Bundesregierung sah sich der VfGH im Hinblick auf die notwendige Vorbereitung einer von der Bundesregierung für den Aufhebungsfall für erforderlich gehaltenen Neuregelung veranlaßt, für das Außerkrafttreten eine Frist bis 15. April 1983 zu bestimmen.
Schlagworte
GrunderwerbsteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:G52.1981Dokumentnummer
JFT_10178986_81G00052_00