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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Oö. Landesstraßen-Verwaltungsgesetz 1975; keine Bedenken gegen §§59 Abs1 und 60 Abs1 sowie gegen §17 Abs1 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954; keine denkunmögliche Anwendung dieser Bestimmungen; keine Verletzung des Rechtes auf freie ErwerbsausübungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Verordnung vom 7. November 1975 beschloß der Gemeinderat von Vöcklabruck unter Hinweis auf den Ausbau der Bundesstraße 1, bestimmte, im Lageplan des Detailprojektes Baulos Dürnau ausgewiesene, Grundflächen als öffentliche Verkehrsflächen der Stadtgemeinde neu zu errichten und als öffentliche Wege einzureihen. Mit seiner Ermächtigung beantragte die Bundesstraßenverwaltung die Durchführung des Grundeinlösungs- und Enteignungsverfahrens im Sinne der §§57 bis 59 Oö. Landes-StraßenverwaltungsG 1975 (OöLStVG). Nach einer gemeinsam mit der Bundesstraßenbehörde durchgeführten mündlichen Verhandlung nahm die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 22. Feber 1978 gemäß §59 Abs1 und §60 OöLStVG für die Neuanlage, Umlegung und den Ausbau von Straßen zugunsten der Stadtgemeinde Vöcklabruck einige Grundstücke nach Maßgabe der Planunterlagen ("unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur") im Wege der Enteignung in Anspruch.
Unter diesen Grundstücken befindet sich auch ein Teilstück von 40 Quadratmeter der Parzelle 877/40 Garten aus dem Eigentum der Bf. (EZ 802 KG Wagrain). Deren Einwendungen gegen die Notwendigkeit des Bauvorhabens und ihr Begehren auf Zuspruch einer höheren Entschädigung wurden abgewiesen. Durch die vom technischen Amtssachverständigen als notwendig bezeichnete Errichtung einer fünften Spur der Bundesstraße 1 (in der Fahrbahnmitte zur Aufnahme des Linksabbiegeverkehrs) werde für die trompetenförmige Einbindung der Brucknerstraße die Inanspruchnahme der Teilfläche aus der Parzelle 877/40 erforderlich. Das Grundstück sei zwar ein Eckgrundstück, doch im Abtretungsbereich ungünstig ausgeformt und daher nach dem Gutachten nicht höher bewertbar.
In ihrer Berufung machten die Bf. geltend, daß der Bescheid den Umfang der enteigneten Fläche nicht genau bezeichne und ihre Einwendungen zu Unrecht abweise: auch der Sachverständige habe eine Parkspur (bundesstraßenseitig vor dem Elektrogeschäft) befürwortet, eine fünfte Fahrspur und eine Straßenbreite von 15 m seien nicht notwendig, der Sachverständige sei nicht mit den einschlägigen Einwendungen konfrontiert worden, die Kellerschächte des Hauses sollten auf eigenem Grund bleiben und die Vordächer nicht in die enteignete Fläche hineinragen; anderswo sei das (private) Interesse eines Fahrschulinhabers durchaus berücksichtigt und über die ganze Frontlänge seines Grundstücks eine Zu- und Ausfahrt errichtet worden.
Mit Bescheid vom 13. Juni 1979 gab die Oö. Landesregierung der Berufung keine Folge. Das Berufungsvorbringen beziehe sich auf den Ausbau der Bundesstraße. Die hierfür notwendige Inanspruchnahme von Grundstücken müsse die Berufungsbehörde aber als gegeben hinnehmen - eine Berufung des Bf. gegen den Enteignungsbescheid des Landeshauptmannes habe der Bundesminister für Bauten und Technik bereits abgewiesen -, und nach dem für die Verkehrsflächen der Gemeinde maßgeblichen OöLStVG sei in sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes zu entscheiden, dessen §17 Abs1 der Bescheid genüge.
2. In der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbstätigkeit und Unversehrtheit des Eigentums gerügt. Durch Herstellung eines Abstellstreifens und eines Gehsteiges hätten die Bf. ihr Geschäftslokal von der Bundesstraße her erschlossen. Das auf der vierspurig ausgebauten Bundesstraße zu erwartende Halteverbot vor dem Lokal werde einen beträchtlichen Umsatzrückgang verursachen. Die trompetenförmige Einbindung der Brucknerstraße diene nicht dem öffentlichen Wohl, weil durch die Vergrößerung des Kreuzungsbereiches der Schnellverkehr auf der Bundesstraße behindert werde und der südliche Stadtteil von Vöcklabruck durch die östlich gelegenen Kreuzungen ohnediens voll erschlossen sei. Auch bei der Bemessung der Entschädigungssumme sei auf den Umsatzrückgang nicht Bedacht genommen worden.
Unter dem Titel der Eigentumsverletzung trägt die Beschwerde das Berufungsvorbringen bezüglich des Vordaches und der Kellerschächte abermals vor und wiederholt den Vorwurf der Unbestimmtheit des Bescheides.
Die bel. Beh. hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Eine Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik in der Bundesstraßensache wies der VfGH am 10. Oktober 1979 als verspätet zurück (B321/79); sie enthielt im wesentlichen dasselbe Vorbringen wie die hiervorliegende Beschwerde.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur verletzt, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos, auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes oder in denkunmöglicher Gesetzesanwendung untersagt. Nicht aber wird die Erwerbsbetätigungsfreiheit verletzt, wenn der Verwaltungsakt lediglich eine bestimmte Erwerbshandlung betrifft, also die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigungsabsicht faktisch verhindert (vgl. VfSlg. 8309/1978 und dort angeführte Vorjudikatur). Gegen Amtshandlungen, die nur die faktische Ausübung eines Erwerbszweiges betreffen, ohne ihrer (aus dem Gesetz erfließenden) Intention nach das Grundrecht auf freie Erwerbsbetätigung als solches zu verneinen, gewährt Art6 StGG keinen Schutz (vgl. VfSlg. 6665/1972, 7279/1974). Die im angefochtenen Bescheid verfügte Enteignung einer Grundfläche greift daher nicht in die durch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsausübung geschützte Rechtssphäre der Bf. ein (vgl. auch VfSlg. 9238/1981).
2. Der angefochtene Bescheid verfügt eine Enteignung und greift daher in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre. Eine Enteignung ist allerdings nur dann erlaubt, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen (VfSlg. 3666/1959 und die dort zitierte Vorjudikatur, dann VfSlg. 4874/1964, 5617/1967, 5807/1968, 6763/1972, 7238/1973 und 8822/1980).
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Enteignung für Gemeindestraßen. Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet daher die Bezirksverwaltungsbehörde (§59 Abs1 OöLStVG) unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes (§60 Abs1 OöLStVG). Demnach hat die Behörde den Gegenstand und Umfang der Enteignung nach Prüfung der vorgelegten Akten durch Erlassung eines oder mehrerer Enteignungsbescheide festzustellen; der Enteignungsbescheid "bezieht sich auf die im Enteignungsplan dargestellten Flächen, deren Ausmaße im zugehörigen Verzeichnis ... unbeschadet der genaueren Vermessung in der Natur, ausgewiesen sind" (§17 Abs1 EisenbEG).
Bedenken gegen diese oder andere den Bescheid stützende Vorschriften sind nicht entstanden. Soweit die Bf. §17 Abs1 EisenbEG an den §§58 ff. AVG messen und sich durch die sinngemäße Anwendung dieser Gesetzesstelle im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachten, verkennen sie den Inhalt dieses Rechts. Art5 StGG schützt das Eigentum nur soweit, als nicht die Gesetze einen Eingriff erlauben. Ein solches Gesetz kann dieses Recht also nur verletzen, wenn es in seiner Wirkung einer Aufhebung des Grundrechts gleichkommt (vgl. VfSlg. 8305/1978 und die dort genannte Vorjudikatur) oder die Enteignung ohne Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen gestattet. Davon kann hier nicht die Rede sein. Abgesehen davon, daß das AVG nicht zum Maßstab eines Enteignungsgesetzes genommen werden kann, übersehen die Bf., daß nach der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung nicht der Gegenstand und Umfang, sondern nur das für die Berechnung der Enteignungsentschädigung ausschlaggebende Flächenmaß der genauen Vermessung in der Natur vorbehalten wird, weil die Plandarstellung - wie übrigens auch die herkömmliche Grundbuchsmappe - den natürlichen Verhältnissen nicht immer genau entspricht. Nur ein der Gesetzlosigkeit gleichkommender Fehler der Behörde, insbesondere eine Mißachtung der besonderen Voraussetzungen einer Enteignung, könnte demnach das geltend gemachte Grundrecht verletzen. Ein solcher Vorwurf ist aber nicht berechtigt:
Was die Notwendigkeit der Enteignung betrifft, ist der Plandarstellung zu entnehmen, daß die Brucknerstraße spitzwinklig in die Bundesstraße einmündet und der spitze Winkel - offenbar zur Erleichterung des Rechtseinbiegens in die Bundesstraße - abgerundet werden soll. Bei dieser Sachlage kann von einer denkunmöglichen, dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellenden Gesetzesanwendung nicht die Rede sein.
Im übrigen trägt die Beschwerde dem schon von der Berufungsbehörde hervorgehobenen Umstand nicht Rechnung, daß es im vorliegenden Verfahren nicht mehr um den Aus- und Umbau der Bundesstraße geht, Bezirkshauptmannschaft und Landesregierung in der Gemeindestraßensache vielmehr auf der Sachlage aufbauen müssen, die durch den inzwischen in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes als Bundesstraßenbehörde geschaffen wurde. Der Inhalt der vorliegenden Beschwerde deckt sich aber völlig mit dem Inhalt der in der Bundesstraßensache gegen den Berufungsbescheid des Ministers (verspätet) erhobenen Beschwerde. Wenn die bel. Beh. daher auf dieses Vorbringen im einzelnen nicht mehr eingeht, kommt ihr Vorgehen keinesfalls einer Gesetzlosigkeit gleich. Ob sie in jeder Hinsicht richtig gehandelt hat, kann nicht der VfGH entscheiden.
Da die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte offenkundig nicht vorliegt, rechtswidrige generelle Normen nicht angewendet wurden und auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, kann die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Enteignung, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B358.1979Dokumentnummer
JFT_10169077_79B00358_00