TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/23 V109/05

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Veröffentlicht am 23.06.2006
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Bebauungsplan der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 15.01.48 (Hoffmannplan) für die Innenstadt. Ergänzung vom 01.10.02
Krnt GemeindeplanungsG 1995 §13

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines Bebauungsplanes wegen Verletzung des Mitspracherechts der betroffenen Grundeigentümer durch Unterlassung der gesetzlich vorgesehenen Verständigung dieses Personenkreises unter Hinweis auf die Vorjudikatur

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 1. Oktober 2002, mit der der Bebauungsplan vom 15. Jänner 1948 (Hoffmannplan) für die Innenstadt "textlich ergänzt" wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 10. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2002, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B18/04 eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die mitbeteiligte Partei beantragte am 13. März 2000 die Erteilung der Baubewilligung für "eine Verlegung der Geschäftsstiege in den nördlichen Bereich des Geschäftslokal(s)" auf dem Grundstück Nr. 315, KG Klagenfurt. Das Baugrundstück ist vom Grundstück der beschwerdeführenden Nachbarin durch die 2,5 m breite Verkehrsfläche Eisengasse getrennt. Die geplante "Stiege neu" auf der öffentlichen Verkehrsfläche Eisengasse erreicht eine Höhe von 6,8 m, eine Breite von 0,85 m und eine Länge von 8,05 m. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt erteilte mit Bescheid vom 17. April 2000 die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der beschwerdeführenden Nachbarin wurden abgewiesen. Die Berufungskommission wies die dagegen erhobene Berufung der Nachbarin als unbegründet ab.

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 4. September 2001, Z2000/05/0155, den abweisenden Vorstellungsbescheid der Kärntner Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der anzuwendende Bebauungsplan "Hoffmannplan" enthalte für das vom Bauvorhaben betroffene Grundstück mit Ausnahme der Festlegung der Grundstücksgrenze als Baulinie keine näheren Regelungen über die Abstände. Mangels einer derartigen Regelung sei gemäß §4 Abs2 Kärntner Bauvorschriften §6 anzuwenden. Gemäß §6 Abs2 litc leg. cit. dürfen in Abstandsflächen nur die nachstehend angeführten Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen errichtet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in Verbindung mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage oder für sich allein errichtet werden: "Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Erker, Balkone, Wetterdächer u.ä. bis zu einer Ausladung von 1,30 m". Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Begründung aus, dass der bewilligte in die öffentliche Verkehrsfläche ragende erkerähnliche Bauteil (Vorbau), welcher der Unterbringung eines Stiegenhauses diene, nicht unter diese Gesetzesstelle falle; er erreiche eine flächenmäßige Ausgestaltung, die die üblichen Größenvorstellungen von Erkern und Balkonen bei weitem übersteige.

1.3. Die Kärntner Landesregierung hob mit Bescheid vom 12. Oktober 2001 den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 22. Mai 2000 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Klagenfurt zurück. Die Bauberufungskommission ersuchte daraufhin die Abteilungen Stadtplanung, Baupolizei, Tiefbau, Berufsfeuerwehr und Gesundheit, ein Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen zu erstatten. Aus der Stellungnahme vom 16. April 2002 ergibt sich, dass durch die vorhandenen Bauabstände bereits Abstände verwirklicht seien, die von den Bestimmungen der §§4 bis 7 Kärntner Bauvorschriften abweichen. Die Schaffung der Fußgängerpassage durch Öffnung der Eisengasse entspreche dem Stadtentwicklungsstil der Aufwertung und verbesserten Erschließung der Altstadt. Für den Lichteinfall beim Haus, Baufläche .314, sei die historisch vorgegebene Höhe des nördlichen Anrainerhauses, Baufläche .315, mit einer Traufhöhe von 20,30 m maßgeblich und nicht der auskragende Stiegenhausvorbau. Interessen des Schutzes des Ortsbildes seien durch die Baumaßnahme nicht verletzt. Im Gegenteil, das Ortsbild in dem kleinteiligen Bereich der historischen Altstadt sei sowohl durch die Öffnung der Eisengasse als auch durch den betreffenden Stiegenhauserker bereichert worden. Am 18. April 2002 brachte die Beschwerdeführerin beim Gemeinderat einen Devolutionsantrag ein und beantragte den Übergang der Zuständigkeit an diesen. Mit Schreiben vom 11. Juni 2002 gab die Abteilung Feuerwehr zum Projekt eine aus brandschutztechnischer Sicht positive Stellungnahme ab. Auch der medizinische Amtssachverständige gab am 15. Juli 2002 eine positive Stellungnahme ab. Der Gemeinderat übermittelte der Beschwerdeführerin die eingeholten Stellungnahmen mit Schreiben vom 5. November 2002 zur Äußerung. Mit Verfügung vom 4. November 2002 stellte der Verwaltungsgerichtshof dem Gemeinderat die Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung zur Äußerung zu. Der Gemeinderat wies mit Bescheid vom 7. Mai 2003 die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Er führte aus, dass die Voraussetzungen für eine Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nach §9 Abs2 Kärntner Bauvorschriften erfüllt seien. Darüber hinaus werde darauf verwiesen, dass am 11. Oktober 2002 eine Änderung des Bebauungsplans vom 15. Jänner 1948, nämlich "textliche Ergänzungen", in Kraft getreten sei.

1.4. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Vorstellung. Sie führte unter anderem aus, dass der bestehende Bau bereits entsprechend dem Hoffmannplan an der Grundstücksgrenze situiert sei und eine Verringerung der Abstandstiefe auf dem Grundstück selbst gemäß §9 daher nicht in Frage kommen könne. Die Kärntner Landesregierung gab der Vorstellung mit Hinweis auf die in Kraft getretene textliche Ergänzung des Bebauungsplanes keine Folge.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Änderung des Bebauungsplanes behauptet.

3. Die Kärntner Landesregierung und der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt erstatteten eine Gegenschrift bzw. eine Äußerung; es wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4.1. Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 1. Oktober 2002, mit der der Bebauungsplan vom 15. Jänner 1948 (Hoffmannplan) für die Innenstadt durch die Festlegung textlicher Ergänzungen geändert wurde, lautet:

"Artikel I

Der Bebauungsplan vom 15.01.1948 (Hoffmannplan) wird textlich ergänzt, indem Nachstehendes festgelegt wird:

1. Bei Umbauten, Aufstockungen oder Neubauten ist das Überschreiten der im Hoffmannplan angegebenen Baulinien (das sind die Grenzlinien auf einem Baugrundstück, innerhalb derer Gebäude errichtet werden dürfen) durch untergeordnete Gebäudeteile zulässig.

2. Untergeordnete Gebäudeteile dürfen die Baulinie um maximal 1,80 m überragen.

3. Untergeordnete Gebäudeteile sind Teile von Gebäuden, wie z. B. Balkone, Loggien, Erker, Windfänge, die - ausgenommen jene nach litc.) -

a.) nicht über alle Geschosse reichen und

b.) maximal 25 % der Fassadenfläche ausmachen

c.) Lifte und Stiegenhäuser gelten als untergeordnete

Gebäude, wenn sie maximal 25 % der Fassadenfläche ausmachen.

Im übrigen gelten die Begriffsbestimmungen des textlichen Bebauungsplanes in der geltenden Fassung.

Artikel II

Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft."

4.2. Im Bericht der Abteilung Stadtplanung vom 31. Oktober 2001 zum Verordnungsentwurf wird festgehalten:

"Der Bebauungsplan Innenstadt, seinerzeit verfaßt von Univ.-Prof. Architekt Karl Hoffmann im Jahre 1947, ist in großen Teilen nach wie vor rechtskräftig. E[s]r ist die Basis für die Erhaltung und Erneuerung der Innenstadt unter Rücksichtnahme auf das historische Stadtbild und den charakteristischen Renaissancegrundriß der Innenstadt. Der Hoffmannplan trifft Aussagen zu maximalen Geschoßanzahlen, Entkernungen (Auslichtungen und Abbrüche), sowie Baulinien ('Regulierungslinien'). In der Gemeinderatssitzung vom 15. Jänner 1948 hat der Planverfasser Prof. Hoffmann ausdrücklich festgestellt: 'Daß bei der Erstellung nicht alle Einzelheiten genau festgelegt werden können. Wesentlich bei einer Stadtplanung ist die prinzipielle Festlegung im großen und die Anerkennung einer neuzeitlichen Auffassung auf dem Gebiet der Städteplanung überhaupt. Hinsichtlich ihrer Detailausarbeitung haftet solchen Stadtplänen immer eine gewisse Beweglichkeit an .....' Demzufolge sind als Baulinien grundsätzlich nur die erdgeschossigen Gebäudeaußenkonturen angegeben. Nicht jedoch sind untergeordnete Vorbauten dargestellt [dies wird auch durch eine dem Akt beiliegende beispielhafte Fotodokumentation belegt]. Das heißt, der Hoffmannplan trifft derzeit grundsätzlich keine Aussagen zu Vorbauten wie Erkern, Balkonen, Kragplatten, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Stiegenhäusern, Liften, Windfängen und anderen untergeordneten, in den Luftraum auskragenden Gebäudeteilen.

Da diese fehlende Bebauungsplanaussage bei Umbauten zu baurechtlichen Problemen führen kann, soll nunmehr der Hoffmannplan durch eine Festlegung textlich ergänzt werden, daß bei allfälligen Umbauten, Aufstockungen sowie auch bei Neubauten die im Hoffmannplan angegebenen Baulinie[n] durch untergeordnete Vorbauten überschritten werden darf. Untergeordnete Gebäudeteile sind dadurch charakterisiert, daß sie nicht durch alle Geschosse reichen (außer bei Liften und Stiegenhäusern) und maximal 25 % der Fassadenfläche ausmachen. Diese Überschreitung der Baulinie kann abhängig vom Ortsbild maximal 1,80 m betragen."

4.3. Die Abteilung Stadtplanung gab zu den im Auflageverfahren von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen folgende Stellungnahme ab:

"Zur Einwendung:

'... Die Änderung war ausschließlich darauf gerichtet, die Interessen der Einwenderin zu benachteiligen ...' [...]

In den Erläuterungen zum Stadtsenatsantrag vom 31. Oktober 2002 wird ausdrücklich auf die Problematik hingewiesen, daß im 'Hoffmannplan' grundsätzlich keine Aussagen zu Vorbauten enthalten sind, wie zum Beispiel über Erker, Balkone, Kragplatten, udgl. Eine Änderung des 'Hoffmannplanes' ist also eine generelle Änderung, die insgesamt helfen soll, baurechtliche Probleme in der ganzen betroffenen Innenstadt zu vermeiden.

Zur Einwendung:

'... So überschreitet der von der Firma H [...] durchgeführte Bau die Baulinie um 1,70 m, die Planänderung sieht Überschreitungen von 1,80 m vor ...'

Aus der der Stellungnahme angeschlossenen Beilage ist deutlich ersichtlich, daß die Baulinie im gegenständlichen Fall um lediglich 0,85 m überschritten wird. Der Maximalwert von 1,80 m wurde so gewählt, daß die historischen Vorbauten, Erker etc., die bereits bei der Erstellung des Hoffmannplanes bestanden haben, Berücksichtigung finden.

Zur Einwendung:

'... Die Einwenderin hat nur 'durch Zufall die Kundmachung in der 'Klagenfurt-Zeitung' entdeckt ...' [...]

Im §26 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes ist geregelt, daß der §13 Abs1 und 3 nur mit der Maßgabe sinngemäß gelten, daß die Kundmachung lediglich der Bezirkshauptmannschaft und jenen Nachbargemeinden mitzuteilen ist, die unmittelbar an das vom Bebauungsplan erfaßte Gebiet angrenzen. Die Kundmachung erfolgte in der üblichen Form, der Verordnungstext und die angeschlossenen Erläuterungen waren im Zeitraum vom 14.3.2002 bis zum 11.4.2002 zur allgemeinen Einsicht aufgelegt.

Zur Einwendung:

'... Gegen die Änderung bestünden nur dann keine verfahrensrechtlichen Bedenken, wenn zum Zeitpunkt der Erlassung des Hoffmannplanes aus dem Jahr 1948 damals tatsächliche Überschreitungen der Baulinie in dieser Größenordnung nicht berücksichtigt worden wären, die in der Natur bereits errichtet worden sind. Dies ist jedoch nicht der Fall ...' [...]

Aus der Anlage zum Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes Innenstadt ('Hoffmannplan') mit dem Titel 'Photodokumentation - Untergeordnete Vorbauten in der Innenstadt von Klagenfurt' geht deutlich hervor, daß bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des 'Hoffmannplanes' solche Vorbauten bestanden haben.

Zur Einwendung:

'... Das Gemeindeplanungsgesetz gibt dem Verordnungsgeber keine Möglichkeit, Regelungen aufzustellen, in denen über Baulinien hinausgegangen werden darf. ...' [...]

Im §25 Abs2 liti sind Inhalte von Bebauungsplänen definiert, die Vorkehrungen zur Erhaltung und Gestaltung charakteristischer Stadt- und Ortskerne, wie Festlegungen über die Dachform, Dachdeckung, Arkaden, Lauben, Balkone und Farbgebung als mögliche Bebauungsplaninhalte zulässig sind. Genau dies ist inhaltlich Absicht der gegenständlichen Bebauungsplanänderung."

II. 1. Aus Anlass der zur Zahl B18/04 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 5. Oktober 2005 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates des Landeshauptstadt Klagenfurt vom 1. Oktober 2002, mit der der Bebauungsplan vom 15. Jänner 1948 (Hoffmannplan) für die Innenstadt "textlich ergänzt" wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 10. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2002, von Amts wegen zu prüfen.

2. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die Änderung des Bebauungsplans angewendet hat und auch er die in Rede stehende Verordnung anzuwenden hätte:

"Der Entwurf der Änderung des Bebauungsplanes für die Innenstadt vom 15. Jänner 1948 (Hoffmannplan) durch die Festlegung textlicher Ergänzungen wurde in der Zeit vom 14. März bis 11. April 2002 im Magistrat zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Die Auflage wurde durch Kundmachung des Bürgermeisters vom 13. März 2002 bekannt gegeben. Diese Kundmachung dürfte auch im regelmäßig erscheinenden Publikations- bzw. Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt Klagenfurt ('Klagenfurt') veröffentlicht worden sein. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt beschloss am 1. Oktober 2002 die Verordnung, mit der der Bebauungsplan vom 15. Jänner 1948 (Hoffmannplan) für die Innenstadt 'textlich ergänzt' wurde. Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel vom 10. Oktober bis 25. Oktober 2002 kundgemacht."

3. Der Verfassungsgerichtshof hegte ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung folgende Bedenken:

"[...] Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die grundbücherlichen Eigentümer, deren Grundflächen in den Entwurf der Änderung des Bebauungsplanes einbezogen wurden, nicht gemäß §§26, 27 iVm §13 Abs1 K-GplG 1995, LGBl. Nr. 23/1995 zugleich mit der Kundmachung der Auflage des Entwurfes davon schriftlich verständigt worden sind, obwohl eine Abgabestelle für die Verständigung bekannt war oder ohne Schwierigkeiten festgestellt hätte werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in dem Erkenntnis VfSlg. 16.991/2003 (zur Änderung eines Bebauungsplanes nach dem K-GplG 1995) ausgesprochen, dass das Unterlassen der Verständigung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Bebauungsplanes darstellt, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991 sowie VfSlg. 16.394/2001 zu §7 Abs1 Gemeindeplanungsgesetz 1982 idF LGBl. Nr. 105/1994 - entspricht §13 Abs1 K-GplG 1995). In dem Erkenntnis VfSlg. 17.189/2004 hat er festgestellt, dass es hinsichtlich der Auslegung des §13 Abs1 letzter Satz K-GplG 1995 - nicht nur vom Wortlaut der Bestimmung sondern auch von einer historisch-systematischen Auslegung ausgehend - keinen Unterschied machen kann, ob es sich um unmittelbar grundstücksbezogene Festlegungen in einem Teilbebauungsplan oder allgemeine Bebauungsbestimmungen in einem textlichen Bebauungsplan handelt.

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung genommene Verordnung vorläufig das Bedenken, dass der Verfahrensmangel beachtlich ist und die gesamte Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet (vgl. VfSlg. 8213/1977, 13.707/1994, 16.991/2003).

[...] Im Erkenntnis VfSlg. 16.004/2000 (mwH) sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass Festlegungen eines Bebauungsplanes, welche die Konsequenz der nachträglichen Sanierung eines ursprünglich im Widerspruch zum Bebauungsplan errichteten Gebäudes mit sich brachten, angesichts des Vorliegens sachlicher Erwägungen, die zur Änderung des Bebauungsplanes geführt hätten, nicht schlechthin als gesetzwidrig anzusehen seien. Die Tatsache, dass die Maßnahme ausschließlich einem Sanierungszweck dient, schadet dabei noch nicht.

Es widerspricht allerdings nach der ständigen Rechtsprechung (VfSlg. 12.171/1989, 14.378/1995, 14.681/1996, 15.441/1999) dem Gleichheitssatz, 'wenn die Änderung eines Bebauungsplanes nicht durch sachliche Erwägungen begründet, sondern ausschließlich dazu bestimmt ist, entgegen der Aufgabe des Bebauungsplanes, Bauvorhaben in die durch öffentliche Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken, durch Anpassung des Bebauungsplanes den Bauführer zu begünstigen.'

Im Zuge einer von der Landeshauptstadt Klagenfurt, Abteilung Stadtplanung, vorgenommenen Grundlagenforschung wurde im Oktober 2001 eine Fotodokumentation, 'untergeordnete Vorbauten in der Innenstadt Klagenfurt', erstellt, die Beispiele von Erkern und Vorbauten zeigen soll, welche über die festgelegten Baulinien des Hoffmannplanes hinausragen. Ein Gutachten, das Schlussfolgerungen aus der Bestandsaufnahme im Hinblick auf eine Änderung der Bebauungsbestimmungen enthält, dürfte nicht eingeholt worden sein.

Dem Verordnungsgeber dürfte gerade die Problematik der historisch bedingten, engen Bebauung angesichts des vorliegenden Falles einer 2,5 m breiten Verkehrsfläche in dem in Rede stehenden Bereich bewusst gewesen sein; es dürfte - auch wenn großflächigere Vorbauten vor Jahrzehnten in engen Gassen zulässig gewesen wären - nach heutigen städtebaulichen Grundsätzen unsachlich sein, generell eine weitere Verringerung des Abstandes ohne die Prüfung zusätzlicher Voraussetzungen zuzulassen.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt daher vorläufig die Ansicht, dass ohne Bestimmung sonstiger Kriterien für die Errichtung von Vorbauten in den Abstandsflächen allein die Absicht, nachträglich eine rechtliche Grundlage für das Bauvorhaben zu schaffen, zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung geführt haben dürfte und der Verordnungsgeber daher gegen das - auch für ihn geltende (vgl. dazu etwa VfSlg. 4211/1962, 5581/1967, 10.492/1985) - Gleichheitsgebot verstoßen zu haben scheint (vgl. VfSlg. 12.171/1989, 17.014/2003).

[...] Gegen die in Prüfung gezogene Verordnung besteht überdies das Bedenken, dass sie der gesetzlichen Ermächtigung des §4 Abs2 der Kärntner Bauvorschriften, in einem Bebauungsplan von den gesetzlichen Abstandsbestimmungen abweichende Abstände festzulegen, einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:

Die Abstandsbestimmungen der auf der Stufe eines Gesetzes erlassenen Kärntner Bauvorschriften, LGBl. Nr. 56/1985 idF LGBl. Nr. 31/2001, gelten gegenüber den Festlegungen im Bebauungsplan nur subsidiär. Denn gemäß §4 Abs2 sind, soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt wurden, die Bestimmungen des Abs1 letzter Satz und der §§5 bis 10 nicht anzuwenden.

Gemäß §6 Abs2 litc sind Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Erker, Balkone, Wetterdächer u. ä. bis zu einer Ausladung von 1,30 m in den Abstandsflächen zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 4. September 2001, Z2000/05/0155 (mwH) aus, dass als Erker oder erkerähnliche Bauteile keinesfalls großflächige, vor die Fassade vorspringende, sondern vielmehr nur Ausbauten zur geringfügigen Vergrößerung eines Raumes verstanden werden könnten. Einem Bauteil, der über die gesamte Breite des dahinter liegenden Raumes vor die Fassade vorspringe, könne nicht mehr der Charakter eines Erkers oder erkerähnlichen Bauteiles zuerkannt werden.

Die Errichtung der in §6 Abs2 litc demonstrativ aufgezählten, untergeordneten Bauteile innerhalb der Abstandsflächen ist ohne die Prüfung weiterer Voraussetzungen - wie etwa die in litb für Garagen und Nebengebäude genannten Kriterien - zulässig. Der Gesetzgeber dürfte sachlicherweise davon ausgehen, dass aufgrund der Art und Größe der Bauteile gemäß litc - etwa des typischen Flächenausmaßes und der Ausladung eines Erkers - ohne nähere Prüfung angenommen werden kann, dass keine öffentlichen Interessen oder Interessen Dritter entgegenstehen. Wenn ein Bauvorhaben kein solches iSd §6 Abs2 darstellt, ist die Zulässigkeit der Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen im Bauverfahren nach §9 Kärntner Bauvorschriften zu prüfen.

Nach Abs1 dieser Bestimmung ist die sich aus den §§4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen zu verringern, wenn in einem vorhandenen Baubestand bereits Abstände verwirklicht sind, die von den Bestimmungen der §§4 bis 7 abweichen, Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird. Die Tiefe der Abstandsflächen ist überdies gemäß Abs2 zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn

'a) im Hinblick auf die Lage und Form des Grundstückes sowie eine zweckmäßige Bebauung und den Verwendungszweck des Gebäudes keine Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit oder des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden,

b) bei auf dem eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehenden sowie auf dem eigenen Grundstück zu errichtenden Gebäuden, die Aufenthaltsräume enthalten, ein Lichteinfall im Sinne des §48 Abs1 erster und zweiter Satz nicht verhindert wird,

c) eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus §§4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird und

d) eine nach einem Bebauungsplan mögliche Verbauung von unbebauten Nachbargrundstücken bei Einhaltung der sich aus §§4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird.'

Die Bestimmung des §9 Abs1 Kärntner Bauvorschriften soll zwar in Gebieten, in denen der vorhandene - zulässigerweise errichtete - Baubestand hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen nicht den geltenden Bestimmungen entspricht, dessen Erneuerung ermöglichen. Eine weitere Unterschreitung der Abstandsflächen dürfte jedoch unsachlich sein.

'Für die Zulässigkeit der [nicht als Regel sondern als Ausnahme normierten] Verringerung der Tiefe der nach dem Krnt BauvorschriftenG vorgesehenen Abstandsflächen ist nicht von einer 'zweckmäßigen Bebauung' unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auszugehen (das Tatbestandsmerkmal 'zweckmäßige Bebauung' findet sich nur in lita des §9 Abs2 Krnt BauvorschriftenG bei Berücksichtigung der Interessen der Gesundheit, Sicherheit und des Schutzes des Ortsbildes), vielmehr hat die Behörde das vom Baubewilligungsantrag umfaßte Bauvorhaben dahingehend zu prüfen, ob es der Größe und Form des Grundstückes angepaßt ist und ohne Verringerung der Tiefe der Abstandflächen nicht errichtet werden könnte. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des §9 Abs2 Einleitungssatz Krnt BauvorschriftenG hat die Behörde daher auch nicht zu beurteilen, 'inwiefern genau die im Plan ausgewiesene Größe für den Verwendungszweck erforderlich wäre'' (vgl. VwGH vom 2. September 1998, Z97/05/0144, und 24. Februar 1998, Z97/05/0251).

Der Ermächtigung des §4 Abs2 an den Verordnungsgeber, abweichende Abstände im Bebauungsplan festzulegen, dürfte somit in einer dem Sachlichkeitsgebot Genüge tuenden Weise im Zusammenhang mit den - oben dargestellten - Abstandsbestimmungen der §§5 bis 10 Kärntner Bauvorschriften und den darin festgelegten Kriterien ein Sinn beizumessen sein, gemäß dem zB von den gesetzlichen Abstandsvorschriften abweichende allgemeingültige, für ein gesamtes Gemeindegebiet geltende Festlegungen im Bebauungsplan in der Regel nur in Verbindung mit im Einzelfall zu prüfenden - Interessen wahrenden - Voraussetzungen zulässig sind; es sei denn, aufgrund der Art der in den Abstandsflächen zulässigen Bauvorhaben kann generell eine Beeinträchtigung von Interessen ausgeschlossen werden. Dafür dürften nicht zuletzt einerseits die im §6 Abs2 Kärntner Bauvorschriften normierten Bestimmungen über die Zulässigkeit baulicher Anlagen in den Abstandsflächen, andererseits jene über die Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen in §9 leg. cit. sprechen.

Da die in Prüfung gezogene Verordnung das Überschreiten der im Bebauungsplan festgelegten Baulinien durch untergeordnete Gebäudeteile wie Lifte und Stiegenhäuser ohne Bezugnahme auf die Größe und Lage der Grundstücke bzw. öffentliche Interessen oder Interessen Dritter sondern lediglich auf die Fassadenfläche regelt, dürfte sie §4 Abs2 Kärntner Bauvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen."

4. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt erstattete eine Äußerung, in der er die in Prüfung stehende Verordnung zu dieser Frage mit folgenden Argumenten verteidigt:

"Die Geschichte der Bebauungsplanung in Klagenfurt:

[...] Der Wiederaufbau

Die enormen Kriegsschäden und die beginnenden Wiederaufbauarbeiten und Stadterneuerungsaktivitäten führten 1948 zur Erstellung des sog. Hoffmannplanes. Dieser legte für die Innenstadt einerseits die anzustrebenden Baulinien, Geschoßanzahl und Nutzungskategorien fest. Damit erfüllte er alle Mindestanforderungen eines auch heute noch zeitgemäßen Bebauungsplanes.

In seinen Erläuterungen zum Hofmannplan führt Herr Professor Hoffman in der Gemeinderatsitzung vom 15. Jänner 1948 wie folgt aus:

'...Wesentlich bei einer Stadtplanung ist die prinzipielle Festlegung im Großen und die Anerkennung einer neuzeitlichen Auffassung auf dem Gebiete der Städteplanung überhaupt. Hinsichtlich ihrer Detailausarbeitung haftet solchen Stadtplänen immer eine gewisse Beweglichkeit an, welche durch die jeweils erforderlichen zeitlichen und räumlichen Maßnahmen gegeben sein muss. ...'

Aus diesen Ausführungen ist klar ersichtlich, dass das Planungsinstrument auf eine generelle Bauleitplanung abzielt und deshalb auch untergeordnete Bauteile in diesem Plan keine Berücksichtigung finden konnten.

Zur Fotodokumentation der Abteilung Stadtplanung vom Oktober 2001 'untergeordnete Vorbauten in der Innenstadt Klagenfurt', führt der damalige Leiter der Abteilung Stadtplanung, Herr Senatsrat Dipl.-Ing. E K wie folgt aus:

'...Der erste Teil der Fotodokumentation enthält Vorbauten welche vor Erlassung des Hoffmannplanes errichtet waren und durch den Hoffmannplan bei Festlegung der Baulinien nicht ausdrücklich dargestellt waren. Das heißt, diese Vorbauten überragen die im Hoffmannplan festgelegten Baulinien. Mit anderen Worten, Prof. Hoffmann hat diese Vorbauten nicht durch den speziellen Bebauungsplan regeln wollen....'

In der Fotodokumentation der Abteilung Stadtplanung ist also klar dokumentiert, dass untergeordnete Bauteile unterschiedlichen Charakters bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Hoffmannplanes bestanden haben.

[...] Planungspraxis 1948 bis 2002

Im Zeitraum 1948 bis 2002 sind eine Reihe von Bauvorhaben entstanden, die mit einzelnen, untergeordneten Elementen über die Baulinie hinausragen.

Zu den Beispielen hält K wie folgt fest:

'... Der zweite Teil der Fotodokumentation umfasst Vorbauten, die nach Erlassung des Hoffmannplanes baubewilligt und errichtet wurden. Teilweise sind für diese Bauten spezielle Bebauungspläne in Abänderung des Hoffmannplanes durch den Gemeinderat beschlossen worden. Bei allen diesen speziellen Bebauungsplänen in der Innenstadt wurden wieder wie beim Hoffmannplan Baulinien festgelegt, nicht aber die Vorbauten etc. (§6 Abs2 litc der Kärntner Bauvorschriften, Stand 20.03.1997) Das heißt, dass es gängige Praxis war, lediglich die Baulinien für die Hauptbaukörper festzulegen, nicht aber Aussagen über die Vorbauten zu treffen ....'

Dies zeigt, dass die Landeshauptstadt Klagenfurt mit der Novelle niemals in der Absicht gehandelt hat, eine Begünstigung eines Bauführers durch Anpassung eines Bebauungsplanes herbeizuführen oder die Änderung der Verordnung in der Absicht vorzunehmen, nachträglich eine rechtliche Grundlage für ein Bauvorhaben zu schaffen.

Zu den vom VfGH erhobenen Bedenken, dass die gegenständliche Verordnung der Ermächtigung des §4 Abs2 der Kärntner Bauvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, da keine Bezugnahme auf die Größe und Lage der Grundstücke, öffentliche Interessen sowie Interessen Dritter stattfindet, sondern nur Bezug genommen wird auf die Fassadenfläche, ist wie folgt auszuführen.

Seitens der Landeshauptstadt Klagenfurt wurde im Hinblick auf die gegenständliche Änderung des Hoffmannplanes eine detaillierte und einen spezifischen Untersuchungsraum, nämlich der historischen Altstadt Klagenfurts innerhalb der diese markant begrenzenden Ringstraßen, umfassende Grundlagenforschung in Angriff genommen. Es wurden sehr wohl Schlussfolgerungen aus der Bestandsaufnahme im Hinblick auf eine Änderung der Bebauungsbestimmungen getroffen. Die Untersuchungen wurden durch die zum Zeitpunkt der Bearbeitung leitenden Amtsachverständigen Dipl.-Ing. E K (Abteilungsleiter der Abteilung Stadtplanung) und Dipl.-Ing. W H (stellvertretender Leiter und Sachbearbeiter im Bebauungsplanverfahren) durchgeführt. Die Schlussfolgerungen aus der umfangreichen Bestandsaufnahme sind direkt in die Formulierung des Gemeinderatsantrages eingeflossen.

Dem Bedenken, die neu aufgenommen[en] Regelungen bezögen sich nur auf die Fassadenfläche, ist entgegenzuhalten, dass diese sich auch auf die Lage der Grundstücke, das ist der Geltungsbereich des Hoffmannplanes, für den eine umfassende Grundlagenforschung durchgeführt wurde, beziehen. Auch wurden in der Umsetzung der Erkenntnisse aus der umfassenden Grundlagenforschung auch öffentliche Interessen wie auch Interessen allfälliger Dritter in Betracht gezogen. Die Festlegung eines maximalen Prozentsatzes der Fassadenfläche, der durch untergeordnete Gebäudeteile erreicht werden darf, und die Bestimmungen wonach die Vorsprünge nicht über alle Geschoße reichen dürfen, sowie die Bestimmung, dass diese Vorsprünge maximal bis zu 1,8 m betragen können, sind unmittelbarer Ausfluss aus den vorangegangen Untersuchungen. Noch nie wurden seit der Erstellung des Hoffmannplanes unzulässige, die Interessen Dritter berührende Überschreitungen der Baulinie genehmigt. Der Maximalwert von 1,80 wurde deshalb in die Verordnung aufgenommen, um den Bestand der bereits vor 1948 (Beschlussfassung des Hoffmannplanes) errichteten untergeordneten Gebäudeteile zu erfassen.

Obendrein entspricht dies der in der gesamten Innenstadt über fünf Jahrzehnte geübten Praxis.

Das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz sieht im §25, Abs1a vor, dass in einem Bebauungsplan auch Bebauungsbedingungen auch ohne eine zeichnerische Darstellung festgelegt werden können. Dazu zählen auch die in §25, Abs2 angeführten 'Vorkehrungen zur Erhaltung und Gestaltung charakteristischer Stadt- und Ortskerne'.

Abschließend wird ausdrücklich hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen ausdrücklich feststellt, dass, wenn ein Bebauungsplan Regelungen über Abstände enthält, ausschließlich diese gelten und die Abstandsregelungen der Bauvorschriften in einem derartigen Fall nicht heranzuziehen sind. (z.B. VwGH 98/05/0185, 2000/05/0155, 1996/05/0069, 96/05/0226, 96/05/0108)

Darüber hinaus betrifft die Änderung des Hoffmannplanes die gesamte Innenstadt der Landeshauptstadt Klagenfurt, sodass allein schon aus diesem Grund allein eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht vorliegen kann."

5. Die Kärntner Landesregierung verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist, und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung treffen auch zu:

Zu dem Bedenken, dass die grundbücherlichen Eigentümer - entgegen §13 Abs1 K-GplG 1995 - von der Planauflage nicht verständigt worden sind:

Gemäß §13 Abs1 letzter Satz K-GplG 1995 hat der Bürgermeister die grundbücherlichen Eigentümer, deren Grundflächen in den Entwurf eines Flächenwidmungsplanes einbezogen sind, zugleich mit der Kundmachung der Auflage des Entwurfes davon schriftlich zu verständigen, wenn eine Abgabestelle für die Verständigung bekannt ist oder ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. §13 Abs1 und 3 K-GplG 1995 gilt gemäß §§26, 27 leg. cit. auch im Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes sinngemäß, und zwar mit der Maßgabe, dass die Kundmachung lediglich der Bezirkshauptmannschaft und jenen Nachbargemeinden mitzuteilen ist, die unmittelbar an das vom Bebauungsplan erfasste Gebiet angrenzen (vgl. VfSlg. 16.991/2003, 17.189/2004).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.991/2003 (zur Änderung eines Bebauungsplanes nach dem K-GplG 1995) ausgesprochen, dass das Unterlassen der Verständigung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Bebauungsplanes darstellt, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991 sowie VfSlg. 16.394/2001 zu §7 Abs1 Gemeindeplanungsgesetz 1982 idF LGBl. Nr. 105/1994 - entspricht §13 Abs1 K-GplG 1995).

In seinem Erkenntnis VfSlg. 17.189/2004 hat der Verfassungsgerichtshof weiters ausgesprochen, dass es hinsichtlich der Auslegung des §13 Abs1 letzter Satz K-GplG 1995 - nicht nur vom Wortlaut der Bestimmung, sondern auch von einer historisch-systematischen Auslegung ausgehend - keinen Unterschied machen kann, ob es sich um unmittelbar grundstücksbezogene Festlegungen in einem Teilbebauungsplan oder allgemeine Bebauungsbedingungen in einem textlichen Bebauungsplan handelt:

"Das in §13 Abs1 leg. cit. für die Verständigungspflicht aufgestellte Kriterium, 'deren Grundflächen in den Entwurf eines Flächenwidmungsplanes [Bebauungsplanes] einbezogen sind', ist nach dem Wortlaut der Bestimmung sowohl im Falle eines textlichen als auch im Falle eines Teilbebauungsplanes erfüllt. Der räumliche Anwendungsbereich eines Teilbebauungsplanes, und damit die Antwort auf die Frage, welche Grundflächen in den Entwurf eines Bebauungsplanes einbezogen sind, ergibt sich aus der Plandarstellung; beim textlichen Bebauungsplan ergibt sich der räumliche Anwendungsbereich und damit der Umfang der in die Planung einbezogenen Grundstücke aus den entsprechenden Festlegungen im Flächenwidmungsplan. Der textliche Bebauungsplan kann für alle Baulandgrundstücke, aber auch bloß für wenige in bestimmter Weise gewidmete Grundstücke Festlegungen treffen. Eine eindeutige Abgrenzung, bis zu welchem Adressatenkreis des textlichen Bebauungsplanes eine persönliche Verständigung vorzunehmen ist und ab welchem Umfang des Adressatenkreises eine allgemeine Kundmachung der Planungsabsicht ausreicht, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Die von der Landesregierung vorgeschlagene Abgrenzung (persönliche Verständigung nur bei planlich abgegrenztem, nicht jedoch bei abstrakt umschriebenem Adressatenkreis) mag zwar rechtspolitisch wünschenswert sein, lässt sich jedoch dem Gesetz nicht entnehmen. Denn einerseits kann ein großflächiger Teilbebauungsplan infolge der Vielzahl der in die Planung einbezogenen Grundeigentümer ein 'Massenverfahren' zur Folge haben, andererseits kann sich auch eine Festlegung (Änderung) im textlichen Bebauungsplan nur auf wenige, z. B. gemäß §24 Abs2 K-GplG 1995 für im Grünland gesondert festgelegte Grundflächen, beziehen.

Nach den von der Kärntner Landesregierung zitierten Materialien zu §13 Abs1 K-GplG soll die 'Verständigungspflicht von betroffenen Grundeigentümern im Interesse der Planungsvorgänge ausgebaut' werden. Das zweistufige Bebauungsplanverfahren in Form eines zwingenden textlichen und teilweise fakultativen Teilbebauungsplanes solle 'den Gemeinden den Einstieg in die Bebauungsplanung erleichtern'. Daraus ist einerseits abzuleiten, dass der Gesetzgeber von einer für das Verfahren zur Erlassung eines Bebauungsplanes essentiellen Verständigungspflicht und nicht bloß von einer sanktionslosen Verfahrensbestimmung ausging. Das Motiv der Erleichterung des Einstiegs der Gemeinden in die Bebauungsplanung lässt andererseits nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber nicht auch von einer Verständigungspflicht hinsichtlich textlicher Bebauungspläne ausgegangen ist. Vielmehr kann das Motiv der Vereinfachung auch dahingehend gedeutet werden, dass ein textlicher Bebauungsplan nicht verpflichtend mit einer zeichnerischen Darstellung verknüpft ist und diesbezüglich aufwändige - eine zeichnerische Darstellung gemäß der Planzeichenverordnung beinhaltende - Teilbebauungspläne nicht flächendeckend und im Zuge der baulichen Entwicklung des Gemeindegebietes nur schrittweise erforderlich werden. Gerade ein Teilbebauungsplan könnte aber auch für große zusammenhängende Teile des Baulandes erlassen werden; die schriftliche Verständigung aller betroffenen Grundeigentümer würde auch in diesem Fall einen erheblichen Verwaltungsaufwand darstellen. Aus dem allgemeinen Motiv der 'Vereinfachung' lässt sich ein konkreter, auf die unterschiedliche Behandlung von Bebauungsplänen und Teilbebauungsplänen abzielender Wille des Gesetzgebers nicht erkennen. Wenn man die Verständigungspflicht etwa an die Größe des Planungsgebietes oder die Anzahl der einbezogenen Grundstücke knüpfte, so wäre eine klare Auslegung der Bestimmung jedenfalls nicht möglich. Es ist schließlich Aufgabe des Gesetzgebers eine eindeutige Regelung zu schaffen."

Weder die Kärntner Landesregierung noch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt ist dem vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vom 5. Oktober 2005 geäußerten Bedenken in dieser Frage entgegen getreten. Der Gerichtshof hält daran fest, dass das Unterlassen der Verständigung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Bebauungsplanes darstellt, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991, 16.394/2001, 16.991/2003 sowie 17.189/2004).

Dieser Verfahrensmangel ist beachtlich und belastet die gesamte Verordnung mit Gesetzwidrigkeit (vgl. VfSlg. 8213/1977, 13.707/1994, 16.991/2003 und 17.189/2004).

Die gesamte Verordnung war daher aufzuheben.

Bei der Neuerlassung der Verordnung werden die durch die Novelle LGBl. Nr. 59/2004 geänderten Verfahrensvorschriften zu beachten sein, gemäß denen der Bürgermeister unter bestimmten Voraussetzungen von einer schriftlichen Verständigung absehen kann.

Auf das im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken, dass von den Abstandsvorschriften abweichende, allgemeingültige, für ein gesamtes Gemeindegebiet geltende Festlegungen im Bebauungsplan in der Regel nur in Verbindung mit im Einzelfall zu prüfenden Voraussetzungen zulässig sind, musste daher nicht mehr eingegangen werden. Im Übrigen schließt es die in Prüfung gezogene Verordnung nicht aus, im Bauverfahren Interessen zB der Nachbarn ausreichend zu berücksichtigen.

3. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Verordnungserlassung, VfGH / Aufhebung Wirkung, Novellierung, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V109.2005

Dokumentnummer

JFT_09939377_05V00109_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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