TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/20 B271/84

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Veröffentlicht am 20.06.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litc
VfGG §15 Abs2

Leitsatz

Nö. GVG 1973; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu einem Pachtvertrag gemäß §8 Abs2 litc, da das Interesse an der Aufteilung das Interesse an der einheitlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft überwiege; keine Prüfung der Frage, ob durch die von den Interessenten übernommenen Verpflichtungen die Erhaltung der Anlage im Interesse des Verpächters sichergestellt wäre, um eine spätere einheitliche Bewirtschaftungsmöglichkeit durch den Verpächter zu gewährleisten und keine Prüfung der Auswirkungen der Erfüllung dieser Verpflichtungen für die Interessenten - Unterlassen jeglichen Ermittlungsverfahrens in wesentlichen Punkten; Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1 .a) Y E A und P A W sind Eigentümer eines (in den KG Pernhofen, Wulzeshofen, Zwingendorf, Stronsdorf gelegenen) Komplexes landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Gesamtausmaß von zirka 337 ha. Zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gehört auch eine Spiritusbrennerei (mit einem jährlichen Brennrecht von 1600 hl reinem Alkohol), in der aus den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken gewonnene Produkte (früher Kartoffel, nunmehr Mais) verarbeitet werden.

Der Grundstückskomplex war ab 1. März 1967 an die Land- und forstwirtschaftliche ... reg. GenmbH (§8 Abs10 des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 - Nö. GVG, LGBl. 6800-3) verpachtet.

Mit Pachtvertrag vom 13. Oktober 1971 wurden die Grundstücke an Dr. J H für die Dauer von zehn Jahren verpachtet. Dem Pachtvertrag hat die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirkslandwirtschaftskammer Laa an der Thaya am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (im folgenden Grundverkehrs-Bezirkskommission) mit dem Bescheid vom 23. November 1971, Z L-IX-GV-5/65/1971, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt.

b) Mit einer Vereinbarung vom 30. Juni 1981/7. Oktober 1981 wurde von den Vertragsteilen (anstelle des verstorbenen Dr. J H dessen mj. Sohn M H als Rechtsnachfolger) festgelegt, "das Pachtverhältnis bis 31. Juni 1991, hinsichtlich der Brennerei bis 30. April 1992 nach Maßgabe näher umschriebener Abänderungen und Zusätze" zu verlängern.

Mit Schreiben vom 27. November 1981 wurde bei der Grundverkehrs-Bezirkskommission das Ansuchen gestellt, der Vereinbarung vom 30. Juni 1981/7. Oktober 1981 zuzustimmen.

c) Mit dem Bescheid vom 23. Juni 1982 hat die Grundverkehrs-Bezirkskommission der Verpachtung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke gemäß §8 Abs2 litc des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 nicht zugestimmt.

Der von den Verpächtern und vom Pächter gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 17. Feber 1984 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§1 Abs1 und 8 Abs1 und 2 litc des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG von Y E A und P A W als Verpächter und von M H als Pächter erhobene Beschwerde.

Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Gegen die Entscheidung der Grundverkehrs-Landeskommission ist gemäß §7 Abs8 Nö. GVG eine Berufung nicht zulässig.

Der Instanzenzug ist damit erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Zur Begründung der behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird unter Hinweis auf §7 Abs7 Nö. GVG vorgebracht, daß die Bf. keine Möglichkeit gehabt hätten zu überprüfen, ob die Grundverkehrs-Landeskommission gesetzmäßig zusammengesetzt gewesen sei. Der bekämpfte Bescheid enthalte keinen Hinweis auf die Zusammensetzung. Vorsorglich werde eingewendet, daß die Grundverkehrs-Landeskommission bei der Sitzung am 25. Jänner 1984 nicht beschlußfähig und Mitglieder der Kommission befangen gewesen seien.

b) Bei diesen - nur vorsorglich vorgebrachten - Ausführungen handelt es sich um ein zur Geltendmachung einer unrichtigen Zusammensetzung der Grundverkehrs-Landeskommission oder einer Teilnahme befangener Mitglieder an der Sitzung dieser Kommission nicht hinreichend substantiiertes und konkretisiertes Vorbringen.

Im Verfahren vor dem VfGH hat sich nicht ergeben, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden wären.

3. Die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Pachtvertrages ist im wesentlichen auf §8 Abs1 und 2 litc Nö. GVG gestützt worden. Diese Bestimmungen lauten:

"§8. (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

a) ...

b) ...

c) das Interesse an der Aufteilung, vorwiegend zum Zwecke der Stärkung oder Schaffung bäuerlicher Betriebe, das Interesse an der einheitlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;"

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen des Nö. GVG oder gegen die sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht geltend gemacht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind solche Bedenken nicht entstanden (vgl. VfSlg. 7449/1974, 8808/1980).

4. a) Die bel. Beh. hat nach Einholung eines Gutachtens eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen dem Pachtvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung im wesentlichen mit der Begründung versagt, daß als Pächter insgesamt 123 Interessenten aufgetreten seien, deren bäuerliche Betriebe aufgrund ihrer Ausmaße und Ertragslage als stärkungsbedürftig zu bezeichnen seien. Bei einer Aufteilung des Pachtgegenstandes würden aufgrund der Interessentenwünsche keine Teilungen unter 5 ha entstehen, sodaß die Bewirtschaftung für die Interessenten zweckmäßig wäre und ihre Betriebe dadurch gestärkt werden könnten. Auch hätten die Interessenten erklärt, einen Pachtschilling zu bezahlen, der dem ortsüblichen Pachtschilling entsprechen würde.

Der Pächter hingegen sei nach den Feststellungen des Amtssachverständigen Eigentümer von zirka 1700 ha Ackerland und habe weitere 240 ha Acker zugepachtet. Er sei Landwirt bzw. Gutsbesitzer, dessen Betrieb aufgrund seines Ausmaßes und seiner Ertragsfähigkeit nicht als stärkungsbedürftig anzusehen sei. Der Betrieb des Pächters übersteige derzeit schon um ein Vielfaches die Größe der einzelnen Interessentenbetriebe. Durch die Pachtung der gegenständlichen Liegenschaften würde der Betrieb des Pächters zweifellos noch weiter über das Ausmaß eines bäuerlichen Betriebes hinaus vergrößert, was den Grundverkehrsinteressen widerspreche.

Denn schon nach §8 Abs1 Nö. GVG sei die Zustimmung zu versagen, wenn Rechtsgeschäfte nicht der Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes dienten.

Die Aufteilung des Pachtgegenstandes zur Stärkung der bäuerlichen Betriebe erscheine weit mehr im öffentlichen Interesse gelegen als das Hinzukommen der Liegenschaften zum Großbetrieb des derzeitigen Pächters, der nicht als stärkungsbedürftig anzusehen sei.

b) Die bel. Beh. hat bei ihrer aus den angeführten Gründen gezogenen Schlußfolgerung, daß das Interesse an der Aufteilung das Interesse an der einheitlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft überwiege, zwar auch darauf hingewiesen, daß die Interessenten die Bereitschaft erklärt hätten, für den Betrieb der Brennerei und für die Erhaltung der Drainagierungs- und anderer gemeinsamer Anlagen eine Genossenschaft zu bilden, dieser Genossenschaft als Mitglied beizutreten und alle daraus resultierenden Verpflichtungen zu übernehmen sowie eine von einem Sachverständigen in ihrer Höhe festzustellende Ablöse an den bisherigen Pächter zu bezahlen.

Nach Auffassung des VfGH hätte sich die bel. Beh. aber mit dem Hinweis auf diese von den Interessenten übernommenen Verpflichtungen nicht begnügen dürfen, weil in der Gründung einer Genossenschaft allein zu diesem Zweck eine hinreichende Sicherstellung für den Betrieb der Brennerei und die Erhaltung der Drainagierungs- und sonstiger Anlagen nicht erblickt werden kann. Vielmehr wäre nach der Lage des Falles für die Beurteilung, ob das Interesse an der Aufteilung das Interesse an der einheitlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft überwiegt, eine Prüfung geboten gewesen, einerseits, ob durch die von den Interessenten übernommenen Verpflichtungen die Erhaltung des Betriebes der Brennerei und der sonstigen Anlagen im Interesse des Verpächters sichergestellt wäre, um eine spätere einheitliche Bewirtschaftungsmöglichkeit durch den Verpächter zu gewährleisten, und andererseits, welche Auswirkungen sich aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen - neben der Verpflichtung zur Leistung des ortsüblichen Pachtzinses - sowie aus der Verpflichtung zur Leistung einer - der Höhe nach noch nicht feststehenden - Ablöse an den bisherigen Pächter für die Interessenten ergeben hätten.

Da die bel. Beh. die angeführten Umstände nicht geprüft hat, hat sie in wesentlichen Punkten jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen. Somit sind die Bf. iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 10047/1984, ua. aus jüngster Zeit VfSlg. 10864/1986 und die dort zitierte Judikatur, VfSlg. 10878/1986) durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Schlagworte

VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, Grundverkehrsrecht, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B271.1984

Dokumentnummer

JFT_10139380_84B00271_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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