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36 WirtschaftstreuhänderNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Art144 Abs1 B-VG; gegen den Bescheid des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist kein Rechtsmittel zulässig, insbesondere nicht an ein Organ der staatlichen Verwaltung; Mangel einer - auf dem Gebiet der Selbstverwaltung erforderlichen - ausdrücklichen Bestimmung über einen solchen Rechtszug; Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde trotz mangelnder Bezeichnung der bel. Beh. - amtswegige Klarstellung Wirtschaftstreuhänder-KammerG; §15 litc sowie einige Worte in §17 Abs1 litb - einzige Bestimmungen auf Gesetzesstufe, die die von den Kammermitgliedern an die Kammer zu zahlenden Beiträge regeln; Art18 B-VG widersprechende, bloß formalgesetzliche Delegation, da auch die sonstigen Bestimmungen des G weder materiellrechtliche Determinanten enthalten noch klar erkennen lassen, welche Organe der Kammer zur Entscheidung über die zu leistenden Beiträge zuständig sein sollen und ob ein Instanzenzug innerhalb der Kammer vorgesehen ist; Feststellung, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen verfassungswidrig waren Umlagenordnung; Beschluß des Kammertages der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 12. Dezember 1981; Feststellung, daß die Verordnungen gesetzwidrig waren nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der (einzigen) gesetzlichen GrundlageSpruch
1. §15 litc sowie die Worte "Einhebung der Mitgliedsbeiträge (Umlagenordnung)," im §17 Abs1 litb des BG vom 10. Dezember 1947, BGBl. 20, betreffend die Errichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz) idF vor der Nov. BGBl. 301/1984 waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im BGBl. kundzumachen.
2. a) Die Umlagenordnung, betreffend die Einhebung von Umlagen und Gebühren durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 17. Dezember 1955 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 3/1956, S 41 f. und Nr. 4/1956, S 65), idF der Novellen vom 15. Feber 1965 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 5/1965, S 77), vom 16. Dezember 1972 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 2/1973, S 28 ff.), vom 11. Dezember 1976 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 2/1977, S 50) und vom 27. März 1982 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 6/1982, S 155) sowie
b) der Beschluß des Kammertages der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 12. Dezember 1981, betreffend die Festsetzung der Grundgebühr und der Umsatzgebühr für das Jahr 1982 (kundgemacht im ABl. der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. 1/1982, S 16) waren gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im BGBl. kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim VfGH ist zu B362/84 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Mit einem vom Präsidenten und vom Kammeramtsdirektor der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gefertigten Bescheid vom 22. September 1983 wurde unter Bezugnahme auf §6 Abs1 und 4 und auf §7 Abs1 der Umlagenordnung und auf den Kammertagsbeschluß vom 12. Dezember 1981 der bf. Gesellschaft für das Jahr 1982 eine Grundgebühr von 800 S und eine Umsatzgebühr von 13120 S (5 Promille des angegebenen Jahresumsatzes von 2624033 S) vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Gesellschaft Einspruch. Der Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wies mit dem am 27. April 1984 ausgefertigten Bescheid diesen Einspruch gemäß §10 Abs2 und 3 der Umlagenordnung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ab.
Dieser Bescheid des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist Gegenstand der eingangs erwähnten VfGH-Beschwerde.
II. Die zur Beurteilung dieser Beschwerde maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt das Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz, BGBl. 20/1948, idF der Novellen BGBl. 126/1955 und 27/1965 sowie der Kundmachung BGBl. 231/1961. Dies ist die Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. 301/1984. (In dieser Fassung wird das Gesetz künftig als WT-KG zitiert.)
Gemäß §1 Abs2 WT-KG ist die Kammer der Wirtschaftstreuhänder eine Körperschaft öffentlichen Rechtes.
Der mit "Geschäfts- und Verfahrensordnungen" überschriebene §17 des Gesetzes lautete auszugsweise:
"§17. (1) Soweit nicht bereits durch dieses Gesetz und durch das geltende Berufsrecht Vorsorge getroffen ist, hat die Kammer zu ihrer Einrichtung und Geschäftsführung sowie zur einheitlichen Regelung der Berufstätigkeit und zur Wahrung der Berufs- und Standespflichten ihrer Mitglieder verbindliche Vorschriften festzusetzen, betreffend:
a) ... (Wahlordnung),
b) Gebarung mit Kammermitteln (Haushaltsordnung), Einhebung der Mitgliedsbeiträge (Umlagenordnung), Regelung der inneren Geschäftsführung und des Verkehrs mit Personen und Stellen außerhalb der Kammer (Geschäftsordnung).
(2) ...
(3) Die Wahlordnung, die Haushalts-, Umlagen-, Ehrengerichts- und Disziplinarordnung sowie die Honorarordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau."
Dem §15 litc zufolge ist dem Kammertag "die Festsetzung der von den Kammermitgliedern und Berufsanwärtern zu zahlenden Umlagen, beziehungsweise sonstigen Jahresbeiträge" vorbehalten.
2. a) Gestützt auf §17 Abs1 litb WT-KG hat der Kammertag am 17. Dezember 1955 eine Umlagenordnung beschlossen, die in der Folge wiederholt novelliert wurde. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galten die in Prüfung gezogenen Vorschriften. Die Umlagenordnung und ihre Novellen wurden jeweils vom Bundesminister für Handel und Wiederaufbau bzw. vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie gemäß §17 Abs3 WT-KG genehmigt.
Gemäß §1 Abs1 der Umlagenordnung in der angegebenen Fassung haben ua. alle ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (§4 WT-KG) zur Deckung des Erfordernisses dieser Kammer Beiträge zu leisten, die sich in einmalige Gebühren sowie Grund- und Umsatzgebühren gliedern.
Dem §1 Abs3 der Umlagenordnung zufolge sind zu entrichten:
"a) an einmaligen Gebühren:
Beitrittsgebühren (§3),
Zweigstellengebühren (§4),
Vorrückungsgebühren (§5);
b) jährliche Grundgebühren (§6);
c) Umsatzgebühren (§7)".
Aus §1 Abs4 der Umlagenordnung ergibt sich, daß jeweils für einen bestimmten Zeitraum die Höhe dieser im §1 Abs3 vorgesehenen Umlagen generell vom Kammertag festgesetzt werden soll.
Der die Grundgebühr regelnde §6 der Umlagenordnung lautete auszugsweise:
"§6. (1) Die Grundgebühr der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und der Buchprüfer und Steuerberater wird mit einem festen Betrag festgesetzt.
(2) ...
(3) ...
(4) Juristische Personen und Personengemeinschaften haben die gemäß Abs1 festgesetzte jährliche Grundgebühr in doppelter Höhe zu entrichten.
(5) ..."
Der die Umsatzgebühr regelnde §7 der Umlagenordnung bestimmte folgendes:
"§7. (1) Die Umsatzgebühr ist in Form eines Prozentsatzes des steuerbaren Ist-(Soll-)Umsatzes des Mitgliedes, den es in seiner Eigenschaft als Wirtschaftstreuhänder bzw. als ständig beeideter gerichtlicher Sachverständiger für das Buch- und Rechnungsfach erzielt, festzusetzen. Umsätze zwischen Wirtschaftstreuhändern unterliegen nicht der Umsatzgebühr. Die Umsatzgebühr ist jedoch mindestens von einem Jahresumsatz von S 100.000,- zu ermitteln und zu entrichten.
(2) Die Grundgebühr gemäß §6 kann insoweit auf die Umsatzgebühr gemäß Abs1 angerechnet werden, als hiedurch die Summe von Grund- und Mindestumsatzgebühr nicht unterschritten wird.
(3) Die Umsatzgebühr ist jeweils vierzehn Tage nach dem Ende jedes Kalendervierteljahres fällig. Die fälligen Zahlungen sind solange nach dem geltenden Prozentsatz weiter zu leisten, bis die Kammer eine etwaige Änderung bekannt gibt. Etwa notwendige Nach- oder Rückzahlungen sind zu verrechnen. Bei in Liquidation befindlichen Wirtschaftstreuhand-Kanzleien ist der Liquidator zahlungspflichtig."
§9 der Umlagenordnung verpflichtete alle Kammermitglieder zur Abgabe einer Umlagenerklärung.
§10 der Umlagenordnung legte in der vom Bundesminister für Handel und Wiederaufbau genehmigten Fassung folgendes fest:
"§10. (1) Die Vorschreibung und Einhebung der Umlagen geschieht durch die Kammer.
(2) Gegen die Vorschreibung kann Einspruch erhoben werden. Dieser kann nur darauf gestützt werden, daß die Mitgliedschaft zur Kammer bestritten oder daß behauptet wird, die Vorschreibung sei in einer dem genehmigten Beschluß nicht entsprechenden Höhe erfolgt. Dieser letztere Einwand ist hinsichtlich der Umsatzgebühr dann nicht zulässig, wenn die Kammer wegen Nichtabgabe der Umlagenerklärung eine Schätzung (§9) vorgenommen hat.
(3) Der Einspruch muß längstens binnen vierzehn Tagen nach ausgewiesener Zustellung bei der Kammer eingebracht werden. Er hat keine aufschiebende Wirkung. Nicht gehörig begründete Einsprüche sind ohne weitere Behandlung abzuweisen. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand der Kammer. Gegen diese Entscheidung ist eine Berufung unzulässig.
(4) Für das Verfahren über den Einspruch gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes sinngemäß."
b) Der Kammertag hat mit (vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie genehmigtem) Beschluß vom 12. Dezember 1981 die Grundgebühr iS des §6 Abs1 der Umlagenordnung für das Jahr 1982 mit 400 S und die Umsatzgebühr (§7 der Umlagenordnung) mit 5 Promille vom steuerbaren Ist-(Soll-)Umsatz festgesetzt.
3. Mit BG vom 28. Juni 1984, BGBl. 301, wurde das WT-KG in wesentlichen Teilen geändert. Insbesondere wurden durch ArtI Z7 dieser Novelle die Bestimmungen über die Umlagenordnung völlig neu gefaßt (§§16 und 17 neu). ArtI Z6 der Novelle 1984 formuliert §15 litc WT-KG dahingehend neu, daß dem Kammertag
"die Festlegung der Höhe der von den Kammermitgliedern und Berufsanwärtern zu bezahlenden Umlagen und Gebühren für Sonderleistungen" obliegt.
ArtII Abs2 der Novelle 1984 lautet:
"(2) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes in Geltung stehende Haushaltsordnung und Umlagenordnung gelten nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes als bundesgesetzliche Regelung. Sie treten mit der Neuerlassung der Haushaltsordnung und der Umlagenordnung aufgrund des §17 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes in der Fassung des ArtI Z7 dieses Bundesgesetzes, spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 1984 außer Kraft."
Inzwischen hat der Kammertag in seiner am 1. Dezember 1984 stattgefundenen Sitzung eine neue Umlagenordnung erlassen, die mit 1. Jänner 1985 in Kraft getreten ist.
Die Höhe der Kammerumlagen wurde mit Kammertagsbeschluß vom 7. Dezember 1985 neu festgesetzt.
III. 1. Der VfGH hat aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde beschlossen, von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §15 litc und der Worte "Einhebung der Mitgliedsbeiträge (Umlagenordnung)," im §17 Abs1 litb des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes idF vor der Novelle BGBl. 301/1984 sowie gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der im Spruch näher bezeichneten Umlagenordnung und des Kammertagsbeschlusses vom 12. Dezember 1981 einzuleiten.
In diesem Beschluß äußerte der Gerichtshof gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des WT-KG das Bedenken, daß sie eine formalgesetzliche Delegation enthielten und aus diesem Grunde dem Art18 Abs1 und 2 B-VG widersprächen.
Träfe diese Annahme zu, so hätte dies zur Folge, daß die in Prüfung gezogenen Verordnungen die erforderliche gesetzliche Deckung verlören.
2. Im Gesetzesprüfungsverfahren hat die Bundesregierung mitgeteilt, daß sie davon absieht, eine Äußerung zu erstatten.
3. a) Im Verordnungsprüfungsverfahren hat der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie eine Äußerung abgegeben.
Diese Behörde meint, die Umlagenordnung sei mit dem Inkrafttreten der Übergangsregelung des ArtII Abs2 der WT-KG-Nov. BGBl. 301/1984 als V außer Kraft getreten und gehöre seither nicht mehr als V dem Rechtsbestand an.
Der Kammertagsbeschluß vom 12. Dezember 1981 habe durch die zitierte Novelle eine neue gesetzliche Grundlage erhalten (§15 litc und §16 Abs1 WT-KG). Selbst wenn die gesetzlichen Grundlagen im Zeitpunkt der Erlassung dieser V nicht ausreichend gewesen seien, so gäben die durch die Novelle neu gefaßten gesetzlichen Grundlagen eine ausreichende gesetzliche Deckung. Der Bundesminister beantragt daher, diese V nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
b) Der Kammertag der Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat im Verordnungsprüfungsverfahren von einer Äußerung abgesehen.
IV. Der VfGH hat zur Zulässigkeit der Normenprüfungsverfahren erwogen:
1. a) Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der administrative Instanzenzug ist erschöpft. Gegen den Bescheid des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist kein Rechtsmittel zulässig, insbesondere nicht an ein Organ der staatlichen Verwaltung; ein solcher Rechtszug auf dem Gebiet der Selbstverwaltung bedürfte nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH einer ausdrücklichen Bestimmung (vgl. zB VfSlg. 6305/1970, 8225/1977, 8419/1978), die hier fehlt.
Die Beschwerde weist zwar einige Mängel auf, die aber - entgegen der Meinung, die von der bel. Beh. in der im Beschwerdeverfahren erstatteten Gegenschrift vertreten wird - nicht zur Zurückweisung der Beschwerde führen: So wird zwar tatsächlich in der Beschwerde die bel. Beh. überhaupt nicht bezeichnet, sondern lediglich ihr Rechtsträger, nämlich die "Kammer der Wirtschaftstreuhänder", angeführt. Dieser undeutliche Ausdruck kann von Amts wegen dadurch klargestellt werden, daß das Verfahren mit jener Behörde durchgeführt wird, die den angefochtenen Bescheid zu verantworten hat (vgl. zB VfSlg. 3062/1956, 8689/1979, 8961/1980).
Die vorliegende Eingabe nimmt iS des §15 Abs2 VerfGG ausdrücklich auf Art144 B-VG Bezug, stellt den Sachverhalt dar und läßt - auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird - den sicheren Schluß zu, daß die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Die Beschwerde läßt auch - obschon undeutlich - dem §82 Abs3 VerfGG entsprechend ihr Anliegen erkennen.
b) Da die Anlaßbeschwerde zulässig ist, wird der VfGH über die Beschwerde in der Sache zu entscheiden haben. Dabei hat er die Umlagenordnung anzuwenden. Keiner weiteren Erörterung scheint es zu bedürfen, um die Präjudizialität der unter II.2.a wiedergegebenen Bestimmungen der Umlagenordnung nachzuweisen, sind sie doch maßgebend, um die materielle Seite des angefochtenen Bescheides zu beleuchten und zu klären, ob die sachlich zuständigen Behörden eingeschritten sind. Darauf, ob auch die übrigen Bestimmungen der Umlagenordnung präjudiziell sind, wird unter (V.3.) eingegangen.
Der Kammertagsbeschluß vom 12. Dezember 1981 legt die Höhe der für das maßgebende Jahr 1982 zu entrichtenden Grund- und Umlagengebühr fest. Er ist zur Gänze präjudiziell.
c) Bei Lösung der Frage, ob diese präjudiziellen Verordnungen ihrerseits gesetzmäßig sind, hätte der VfGH §15 litc und die Worte "Einhebung der Mitgliedsbeiträge (Umlagenordnung)," im §17 Abs1 litb WT-KG anzuwenden, sind dies doch die einzigen gesetzlichen Bestimmungen, auf die die zu prüfenden Verordnungen gestützt werden.
d) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind das Gesetzesprüfungsverfahren und das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
V. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:
1. Die in Prüfung gezogenen Stellen des WT-KG (Text siehe II.1.) sind die einzigen Bestimmungen, die auf Gesetzesstufe die von den Kammermitgliedern an die Kammer zu zahlenden Beiträge regeln. Der Gesetzgeber hat sich bei Regelung des Beitragswesens auf die allgemeinen Grundsätze beschränkt und auf eine eingehende Regelung verzichtet; damit hat er dem Verordnungsgeber zu weit reichende Möglichkeiten für die Normsetzung überlassen. Das Gesetz überantwortet die gesamte Beitragsregelung der Verordnungsgewalt, weshalb eine dem Art18 B-VG widersprechende, bloß formalgesetzliche Delegation vorliegt (vgl. zB VfSlg. 5742/1968, betreffend das im Ärztegesetz geregelte Beitragswesen, und VfSlg. 5872/1968, betreffend die im Handelskammergesetz enthaltene Ermächtigung zur Erlassung einer Umlagenordnung).
Von einer formalgesetzlichen Delegation kann allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn der Gesetzgeber zwar an jener Stelle des Gesetzes, an der er eine Verwaltungsbehörde zur Verordnungssetzung beruft, den Inhalt der Regelung in einer dem Art18 B-VG entsprechenden Weise nicht bestimmt, jedoch an anderen Stellen des Gesetzes den Inhalt der V ausreichend determiniert. Hier enthalten nun aber auch die sonstigen Bestimmungen des WT-KG weder materiell-rechtliche Determinanten noch lassen sie klar erkennen, welche Organe der Kammer zur Entscheidung über die zu leistenden Beiträge zuständig sein sollen und ob ein Instanzenzug innerhalb der Kammer vorgesehen ist (vgl. Erk. VfSlg. 3993/1961, mit dem §17 Abs1 litc WT-KG (der in ähnlicher Weise wie die in Prüfung gezogenen Vorschriften zur Erlassung einer Ehrengerichts- und Disziplinarordnung ermächtigte) als verfassungswidrig aufgehoben wurde).
Die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen widersprechen aus diesen Gründen (anders als im Fall, der mit hg. Erk. vom 7. März 1985 B209/84 (betreffend die nach dem oben zitierten Erk. VfSlg. 5742/1968 getroffene Ersatzregelung über das Beitragswesen der Ärzte) abgeschlossen wurde) dem Art18 Abs1 und 2 B-VG.
2. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9535/1982) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die die V trägt, zur Folge, daß die V hiemit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt.
Da die einzigen Gesetzesbestimmungen, die die in Prüfung gezogenen Verordnungen stützten, verfassungswidrig sind, erweisen sich die Verordnungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides als gesetzwidrig. Es ist daher unerheblich, daß der Beschluß des Kammertages vom 12. Dezember 1981 aufgrund des ArtII Abs2 der WT-KG-Nov. 1984 (II.3.) mit Inkrafttreten dieses Gesetzes als V außer Kraft getreten ist.
3. Ebenso wie der jedenfalls zur Gänze präjudizielle Kammertagsbeschluß vom 12. Dezember 1981 entbehrt sohin auch die ganze Umlagenordnung der gesetzlichen Grundlage. Der nach Art139 Abs4 B-VG zu treffende Ausspruch (s. die folgende Z4) hat demnach - unabhängig vom Umfang der Präjudizialität - gemäß Art139 Abs3 lita B-VG die ganze Umlagenordnung zu erfassen. Hindernisse iS des letzten Satzes im Art139 Abs3 B-VG stehen dem nicht entgegen.
4. Wie sich aus der oben (II.3.) dargestellten Entwicklung der Rechtslage seit Erlassung des angefochtenen Bescheides ergibt, sind sämtliche in Prüfung gezogenen Rechtsvorschriften inzwischen bereits außer Kraft getreten.
Es war daher gemäß Art140 Abs4 und Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß die Rechtsvorschriften rechtswidrig waren.
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung des das WT-KG betreffenden Ausspruches stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG, jene des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie zur Kundmachung des die beiden Verordnungen betreffenden Ausspruches auf Art139 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Wirtschaftstreuhänder Kammer, Determinierungsgebot, Delegation formalgesetzliche, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Feststellung Wirkung, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G12.1986Dokumentnummer
JFT_10139377_86G00012_00