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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Tir. GVG 1983; "Mietkaufverträge" und "Mietverträge" mit Ausländern betreffend Grundstücke mit Ferienhäusern; im Instanzenzug erfolgte Zurückweisung des Antrages des Masseverwalters auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung dieser Verträge wegen sachlicher Unzuständigkeit der Grundverkehrsbehörde (nichtige Umgehungsgeschäfte); die Verträge räumen aufgrund der vereinbarten Vertragsbedingungen (insbesondere Bestandsdauer von rund 100 Jahren unter einmaliger Vorauszahlung des gesamten Bestandzinses iVm. sonstigen Abreden) den Benützern an den Vertragsobjekten die tatsächliche Stellung eines Eigentümers ein; die Verträge sind von den Genehmigungstatbeständen nach §3 Abs1 litg iVm. §4 Abs2 erfaßt; verfassungskonforme Interpretation des §15 Abs1 dahingehend geboten, daß andere Vertragsparteien als der Erwerber von einer Antragstellung nicht ausgeschlossen sind; Entzug des gesetzlichen Richters durch Verweigerung einer SachentscheidungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Antrag vom 9. März 1984 stellte der Bf. an die Grundverkehrsbehörde Eben a. A den Antrag, nachstehend angeführten Verträgen iS des §3 GVG die Zustimmung zu erteilen bzw., falls diese Rechtsgeschäfte den Bestimmungen des GVG nicht unterliegen, eine Bestätigung nach §2 Abs2 leg. cit. auszustellen:
a) "Mietkaufvertrag" mit C und P S, München, ohne Datum, wobei sich aus den Zahlungsquittungen ergebe, daß dieser Vertrag zu Beginn des Jahres 1973 abgeschlossen worden und ein Bestandrecht gegen Zahlung eines Betrages von 69800 DM für eine Dauer von 99 bzw. 110 Jahren vereinbart sei;
b) "Mietkaufvertrag" mit J und A K, Erlangen, abgeschlossen am 6. Jänner 1973 auf die Dauer von 110 Jahren;
c) "Mietvertrag" mit J und R D sowie E D, Dießen, vom 30. April 1974, Vertragsdauer 1. April 1974 bis 1. November 2071 und
d) "Mietvertrag" mit L und W S, Riederau, vom 30. April 1974, Vertragsdauer 1. Jänner 1974 bis 1. November 2071, wobei jedoch deren Rechte mit Vertrag vom 2. Juli 1979 auf K und B V übertragen worden seien.
1.2. Aus den diesem Antrag beigeschlossenen Verträgen ergibt sich, daß jeweiliger Vertragsgegenstand ein Ferienhaus ist, an dem gegen eine einmalige Zahlung Bestandrechte in der bereits genannten Dauer eingeräumt wurden. Für den Fall, daß dies nach dem GVG einmal zulässig sein werde, wurde aber die Übertragung der Eigentumsrechte zugesichert.
1.3. Sämtliche Bestandnehmer sind deutsche Staatsbürger. In keinem Falle wurde vor dem 1. Jänner 1974 eine verbücherungsfähige Urkunde oder ein Notariatsakt errichtet.
2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Eben a. A vom 11. Mai 1984 wurde den angeführten Rechtsgeschäften gemäß §4 Abs2 GVG die Zustimmung versagt.
Begründend wurde ausgeführt: Mit den vorliegenden Mietverträgen würden vier Grundstücke mit darauf errichteten Ferienhäusern auf die Dauer von 97 bis 110 Jahren an deutsche Staatsangehörige vermietet. Über die Verlassenschaft nach dem am 7. März 1982 verstorbenen R B - dieser sei aufgrund eines Auflösungs- und Abfindungsvertrages auch Rechtsnachfolger nach einer früheren Mitvermieterin - sei das Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt worden, der somit im vorliegenden Verfahren antragslegitimiert sei. Strittig sei, ob es sich bei den vorliegenden Verträgen um einen Rechtserwerb iS des §3 Abs1 GVG handle. Nach §3 Abs1 litf GVG 1983 bestehe eine Genehmigungspflicht für Bestandverträge nur, wenn die Bestandgabe grundbücherlich eingetragen werden solle. Diese Möglichkeit stehe dem antragstellenden Masseverwalter offen. Soweit eine Absicht zur Verbücherung bestehe, sei die Genehmigungspflicht schon nach der zitierten Gesetzesstelle zu bejahen. Unabhängig davon liege aber nach Meinung der Grundverkehrsbehörde bei den in Frage stehenden Verträgen ein Rechtserwerb nach litg leg. cit. vor. Die vorgelegten Mietverträge gingen über die normale Mietung eines Objektes weit hinaus; so sichere die lange Vertragsdauer den Rechtsbestand über Generationen. Die in den Verträgen enthaltenen Bestimmungen, daß nach gegebener Möglichkeit die Rechtsgeschäfte als Kaufvertrag und der vorausbezahlte Mietzins dann als Kaufpreis zu gelten hätten, zeigten den deutlichen Willen der Vertragsparteien zum Kauf, der lediglich wegen des Grundverkehrsgesetzes nicht vollzogen hätte werden können. Es sei auch ein Übergang des Bestandrechtes auf Rechtsnachfolger vereinbart. Die Mieter hätten auf ein Kündigungsrecht verzichtet; teilweise sei dieses auf den Fall eines Zahlungsrückstandes eingeschränkt. Dadurch werde den Rechtserwerbern eine ähnliche rechtliche sowie auch tatsächliche Stellung wie etwa einem Eigentümer oder Dienstbarkeitsberechtigten verschafft, sodaß die in Frage stehenden Verträge nach §3 Abs1 litg GVG genehmigungspflichtig seien.
In der Sache selbst sei festzustellen, daß in der Gemeinde Eben von 564 Grundbesitzern 78 Ausländer seien, die 374 ha Almen und 12,9 ha Baufläche in Besitz hätten; der Ausländeranteil unter den Grundbesitzern betrage somit 13 vH. Der Prozentsatz dürfte in der Ortschaft Maurach noch erheblich höher liegen, die die meisten ausländischen Besitzer aufweise. Damit sei aber eine drohende Überfremdung festzustellen, die sich in der Struktur der Gemeinde auch deutlich bemerkbar mache. Es handle sich in der Regel um Zweitwohnsitze der ausländischen Grundbesitzer, die der Gemeinde fast keine Einnahmen brächten, während den ausländischen Grundbesitzern alle von der öffentlichen Hand geschaffenen infrastrukturellen Einrichtungen zur Verfügung stünden. Der beabsichtigte Rechtserwerb widerspreche daher den volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen.
3. Aufgrund der von sämtlichen Mietern dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 5. Oktober 1984, Z LGv-1044/3, in Abänderung des Bescheides der Grundverkehrsbehörde erster Instanz der Antrag des Masseverwalters auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 GVG 1983 wegen sachlicher Unzuständigkeit der Grundverkehrsbehörde Eben a. A zurückgewiesen.
4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde des Masseverwalters, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt. Auch die Mieter haben eine Gegenschrift eingebracht, in der sie Gleiches begehren.
5. Ua. aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 GVG 1983 ein.
Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.
6. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Vorausgeschickt sei, daß im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, sodaß eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage kommt.
Der VfGH hat sohin erwogen:
6.1.1. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet: Vor Eingehen auf die Sache hätte die Erstbehörde als Zuständigkeitsvoraussetzung zu prüfen gehabt, ob ein Rechtserwerb iS des §3 Abs1 GVG vorliegt, weil ein Vertrag, der keinen gültigen Rechtsgrund für die damit beabsichtigte Übereignung enthält, einer grundverkehrsbehördlichen Behandlung nicht zugänglich sei. Die Beurteilung der Gültigkeit von Verträgen obliege wohl den ordentlichen Gerichten, stelle aber im Verfahren nach §3 Abs1 GVG eine Vorfrage iS des §38 AVG dar, die wie folgt zu beantworten sei:
"Die 4 vorgelegten Mietverträge (die Bezeichnung zweier Verträge als Mietkaufverträge sind der österr. Rechtsordnung fremd) sind nach Ansicht der Landesgrundverkehrsbehörde gemäß §879 ABGB als nichtige Verträge anzusehen. §879 ABGB bestimmt in seinem Abs1, daß ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Unbestritten ist, daß ein Rechtsgeschäft, dem die Zustimmung nach dem GVG versagt wurde, nichtig ist. Ebenso nichtig sind auch Rechtsgeschäfte, die die Umgehung des Gesetzes bewirken. Eine Umgehung des Gesetzes liegt vor, wenn gedeckt durch den Buchstaben des Gesetzes dessen Zweck vereitelt werden soll. Wenn also Parteien, die von einer Norm angeordnete Rechtsfolge dadurch vermeiden, indem sie ein Geschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft, ist als Umgehungsgeschäft anzusehen (so Gschnitzer in Klang 1953, 4. Band, S.
185, Koziol - Welser: 'Grundriß des bürgerlichen Rechtes', 1. Teil,
5. Auflage, 1979, S. 123). Ob die umgangene Norm auf das
Umgehungsgeschäft anzuwenden ist, kann nur auf Grund einer Prüfung
ihres Zweckes beantwortet werden. Würde dieser Zweck durch die
Zulassung des Umgehungsgeschäftes vereitelt, so ist die Norm auch auf
dieses anzuwenden (OGH in JBl. 174, 431). Überdies hat der Oberste
Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. 5. 1979, 8 Ob 594 - 599/78,
unter Hinweis auf die diesbezügliche Vorjudikatur ausgeführt, daß die
Nichtigkeit von Vereinbarungen, unabhängig von einer allfälligen
Genehmigungspflicht nach dem GVG, gegeben sei, wenn in
Umgehungsabsicht der Zweck des Tiroler Grundverkehrsgesetzes über die
Genehmigungspflicht des Liegenschaftserwerbes durch Ausländer
vereitelt werden sollte. Derartige Rechtsgeschäfte seien absolut
nichtig und unwirksam und könnten daher aus solchen Geschäften keine
Ansprüche abgeleitet werden ... Gerade auf diese Umgehung zielen aber
die gegenständlichen 'Ersatzlösungen' ab. Sämtliche Mieter gehören
dem Personenkreis des §1 Abs1 Z2 GVG an. ... Nach §4 Abs2 GVG ist
einem Rechtserwerb an Grundstücken durch Ausländer die Zustimmung nur dann zu erteilen, wenn dieser Erwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht. Nach lita dieser Gesetzesstelle liegt der Widerspruch zu diesen Interessen dann vor, wenn in der betreffenden Gemeinde oder Ortschaft mit Rücksicht auf das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes oder auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten droht. ... Daß Eben a. A. zu den Gemeinden Tirols zählt, die von Überfremdung bedroht sind, ergibt sich aus zahlreichen Entscheidungen der Grundverkehrsbehörden beider Instanzen seit dem Jahre 1966, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausländer betreffenden Bestimmungen des GVG. Daß dieser Umstand den Vertragsteilen bekannt war, ergibt sich sogar aus den vorgelegten Verträgen, worin beispielsweise ausgeführt ist:
'Erlaubt das Tiroler Landesgesetz zu einem späteren Zeitpunkt einen direkten Eigentumsübergang an den Mieter, so kann die Umschreibung im Grundbuch sofort erfolgen. Für diesen Fall gilt der geleistete Betrag gleich als Kaufsumme. Anfallende Umschreibungskosten haben die Mieter zu tragen.' Des weiteren ergibt sich aus der langen Vertragsdauer (die Mietverhältnisse wurden auf 99, 110 bzw. 97 Jahre abgeschlossen) und aus der Vorauszahlung des Mietzinses für die gesamte Vertragsdauer eindeutig, daß die gegenständlichen Verträge auf die Umgehung der Bestimmung des §4 (2) a GVG abzielen. Damit kann kein Zweifel daran bestehen, daß die im Rahmen dieser 'Ersatzlösung' getroffenen Vereinbarungen die Bestimmung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes über die Genehmigungspflicht vom Liegenschaftserwerb und den Ausschluß von Ausländern davon umgehen
sollte. Diese Geschäfte sind daher ... nichtig (OGH 6 Ob 197/72 zum Steiermärkischen GVG, 4 Ob 548/73 zum Tiroler GVG ua.) ... Nachdem
somit mit den vorgelegten Verträgen Rechtserwerbe nach §3 Abs1 GVG nicht bewirkt werden können, fehlt der Erstbehörde die Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung auf Grund des vorliegenden Antrages des Masseverwalters. ...
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß eine allenfalls anders lautende Entscheidung des zuständigen Gerichtes über die eine Vorfrage der gegenständlichen Entscheidung bildenden Frage der Nichtigkeit der vorgelegten Verträge gemäß §69 Abs1 litc AVG einen Grund zur Wiederaufnahme des gegenständlichen grundverkehrsbehördlichen Verfahrens darstellen würde. ..."
6.1.2. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, weil die ordentlichen Gerichte nur iS des §916 Abs1 ABGB die wahre Beschaffenheit, den Zweck und die Absicht der Verträge feststellen und damit bloß die schuldrechtlichen Aspekte der Verträge beurteilen könnten, hiebei jedoch zwangsläufig nicht zu dem Ergebnis kommen könnten, daß es sich um nichtige Umgehungsgeschäfte handelt. Die im Grundverkehrsverfahren entscheidungswesentlichen Fragen seien der Kompetenz der Gerichte jedoch entzogen. Ob nämlich der Erwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen widerspreche und ob eine Überfremdung vorliege, könne ausschließlich die Grundverkehrsbehörde beurteilen. Da es sich hiebei um eine Ermessensentscheidung handle, stehe keinesfalls fest, daß jeder Grunderwerb durch Ausländer nach dem GVG verboten und nichtig sei. Daß das GVG keine von vornherein nichtigen Rechtsgeschäfte kenne, werde durch die wiederholten Novellen zum GVG bewiesen, die eine Reaktion auf die tatsächlich praktizierten und jeweils legalen Umgehungsmöglichkeiten darstellen. Sollte der Verdacht bestehen, daß es sich bei den vorgelegten Verträgen um Umgehungsgeschäfte handle, so seien diese somit nicht von vornherein nichtig, sondern es sei das von den Parteien tatsächlich beabsichtigte Geschäft "nach seiner wahren Beschaffenheit" zu beurteilen. Die "wahre Beschaffenheit" der in Frage stehenden Vereinbarungen liege darin, daß die Erwerber Eigentümer der Ferienhäuser werden sollten, sodaß ein Rechtserwerb nach §3 Abs1 lita GVG vorliege, der von der Grundverkehrsbehörde meritorisch zu beurteilen sei. Dies gelte auch dann, wenn die Parteien in Umgehungsabsicht handelten, auch das Unterlassen der Vorlage eines Rechtsgeschäftes zur Genehmigung bewirke nicht die Nichtigkeit, sondern ziehe allenfalls ein Strafverfahren nach sich.
6.1.3. Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht:
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 9737/1983).
Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Sachentscheidung verweigert, weil nach Meinung der bel. Beh. die Rechtsgeschäfte, deren grundverkehrsbehördliche Genehmigung beantragt wurde, Umgehungsgeschäfte und damit nichtig seien, sodaß ein tauglicher Entscheidungsgegenstand überhaupt fehle. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Umgehungsgeschäfte nur vorliegen könnten, wenn unter den Umständen des vorliegenden Falles eine Genehmigungspflicht der Rechtsgeschäfte zu verneinen wäre. Gerade dies trifft jedoch nicht zu; die in Frage stehenden Sachverhalte unterliegen dem GVG.
Vorauszuschicken ist: Aus den Materialien zur Novelle vom 28. November 1973, LGBl. 6/1974 zum GVG 1970, insbesondere aus Beilage 2, Bericht und Antrag des Rechts- und Gemeindeausschusses und des Land- und Forstwirtschaftsausschusses, geht hervor, daß die Neuregelung zum erheblichen Teil zum Ziel hatte, Umgehungsgeschäfte hintanzuhalten, und daß deshalb eine Reihe neuer Genehmigungstatbestände geschaffen wurde. In diesem Sinne wurde vom
Berichterstatter wörtlich ausgeführt:
"Mit den Novellen zum Tiroler Grundverkehrsgesetz LGBl. Nr. 27/1966 und LGBl. Nr. 4/1971 beabsichtigte der Landesgesetzgeber vor allem, dem Druck der Ausländer auf den heimischen Grund und Boden entgegenzuwirken und eine Überfremdung der Gemeinden Tirols zu verhindern.
Die Erfahrung hat aber gezeigt, daß mit diesen Novellen das angestrebte Ziel nicht ganz erreicht werden konnte. Unter Umgehung der Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes konnten Personen, die nach dem Grundverkehrsgesetz vom Erwerb (Besitz) von Grundstücken ausgeschlossen werden sollten, durch verschiedenartige Rechtsvorgänge eigentumsähnliche Verfügungsrechte über Grundstücke erlangen. Damit erwies sich die Wahrung der durch das Grundverkehrsgesetz zu schützenden öffentlichen Interessen als nicht mehr ausreichend gewährleistet.
Der Tiroler Landtag hat daher mit Entschließung vom 24. November 1972 die Landesregierung beauftragt, einen Gesetzentwurf zur Verhinderung der Umgehung des Grundverkehrsgesetzes vorzubereiten und dem Landtag zur verfassungsmäßigen Behandlung vorzulegen.
Hauptsächlich diesen Zweck verfolgt der vorliegende Entwurf einer Novelle des Grundverkehrsgesetzes 1970."
Mit der zitierten Novelle wurden ua. in §3 Abs1 durch litf "die Bestandgabe von Grundstücken an Bestandnehmer, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehören, sofern die Bestandgabe grundbücherlich eingetragen werden soll" und durch litg "jede Art der Begründung der Dienstbarkeit der Wohnung oder eines Gebrauchsrechtes an Grundstücken sowie die sonstige, nicht unter litf fallende Überlassung der Benutzung von Grundstücken zugunsten von Personen, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehören, sofern durch die Überlassung dem Benützer eine ähnlich rechtliche und tatsächliche Stellung gegeben werden soll wie einem Eigentümer oder Dienstbarkeitsberechtigten" für genehmigungspflichtig erklärt.
Aus ArtII Abs2 der Nov. LGBl. 6/1974 ergibt sich, daß die seit 1. Jänner 1974 bestehende Genehmigungspflicht sich auch auf Rechtsgeschäfte bezieht, die bereits vor dem genannten Zeitpunkt abgeschlossen wurden, es sei denn, daß über den Rechtserwerb vor dem 1. Jänner 1974 eine verbücherungsfähige Urkunde oder ein Notariatsakt errichtet wurde. Dies trifft bei den vorliegenden Verträgen ausnahmslos nicht zu, woran der Weitergabeakt von L und W S an K und B V vom 28. Juni 1979 nichts ändern kann. Die Verträge unterliegen somit der durch die Novelle 1974 geschaffenen Rechtslage. Ausgehend von den in allen Fällen vereinbarten Vertragsbedingungen (insbesondere Bestanddauer von rund 100 Jahren unter einmaliger Vorauszahlung des Gesamtbestandzinses in Verbindung mit den sonstigen Abreden) kann kein Zweifel bestehen, daß den Benützern an den Vertragsobjekten (Ferienhäusern) die tatsächliche Stellung eines Eigentümers eingeräumt wurde. Hieraus folgt, daß, gleichgültig ob vor der GVG-Novelle 1974 unter den gegebenen Umständen die Verwirklichung eines Umgehungstatbestandes zu bejahen gewesen wäre, aufgrund der durch die Novelle neu geschaffenen Genehmigungstatbestände im Beschwerdefall (ausnahmslos) Verträge vorliegen, für die der Grundverkehrsbehörde gemäß §3 Abs1 litg iVm. §4 Abs2 GVG die Entscheidung obliegt, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung vorliegen.
Verfehlt ist schließlich die von der bel. Beh. - zur Stützung des angefochtenen Bescheides - in der Gegenschrift angedeutete Ansicht, aus §15 Abs1 GVG 1983 ergebe sich, daß nur der Erwerber legitimiert sei, einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zu einem Rechtserwerb zu stellen; aus dieser Bestimmung ergibt sich lediglich der Personenkreis, der zur Antragstellung verpflichtet ist, keineswegs aber, daß andere Vertragsparteien von einer Antragstellung ausgeschlossen wären. Dieses Verständnis ist durch eine verfassungskonforme Betrachtung dieser Regelung geradezu geboten.
Der Bf. ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
6.2. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Ausländergrunderwerbsrecht, Rechtsgeschäft, Zivilrecht, Umgehungsgeschäft, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B851.1984Dokumentnummer
JFT_10139374_84B00851_00