Grundsätzliches:
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) legt einen verbindlichen Mindeststandard für Grundrechte fest, jedoch variiert ihre rechtliche Stellung in den einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland besitzt die EMRK lediglich den Status eines einfachen Gesetzes, was ihre Rolle bei der Interpretation von Grundrechten begrenzt. Im Gegensatz dazu wird ihr in Österreich Verfassungsrang zuerkannt, was ihre prägende Wirkung auf die Rechtsprechung verstärkt. Insbesondere Art 8 EMRK, der den Schutz des Privat- und Familienlebens gewährleistet, ist für den Persönlichkeitsschutz in Österreich von erheblicher Relevanz, da ein allgemeines Persönlichkeitsrecht im nationalen Recht nicht existiert. Einschränkungen dieses Schutzes sind ausschließlich im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen sowie bei Vorliegen legitimer öffentlicher Interessen gestattet. Der Anwendungsbereich des Art 8 EMRK ist umfassend und schließt sowohl physische als auch psychische und geistige Dimensionen der Persönlichkeit ein. Zur Abgrenzung zwischen privatem und öffentlichem Bereich wird teilweise auf die Sphärentheorie zurückgegriffen, die besagt: Jegliche Eingriffe in die durch Art 8 EMRK garantierten Rechte erfordern eine sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse, der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit.
Juristische Situation in Österreich:
In Österreich nimmt § 16 ABGB eine zentrale Rolle im Persönlichkeitsschutz ein, wenngleich die Bestimmungen durch das sog "Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz" (HiNBG), das mit 01.01.2021 in Kraft getreten ist, wesentlich angepasst wurden: „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“ (= § 16 ABGB). Zwar bietet § 16 ABGB als Rechtsnorm keinen umfassenden Schutz der Privatsphäre, jedoch entfaltet die EMRK über diese Bestimmung eine mittelbare Drittwirkung. Eine zentrale Streitfrage im österreichischen Recht betrifft den Ersatz immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen. Während § 16 ABGB den Persönlichkeitsschutz grundsätzlich normiert, fehlen spezifische Regelungen zur Entschädigung. Die Haftung stützt sich vorwiegend auf die Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB (= von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung), wobei die EMRK maßgeblich das nationale Recht beeinflusst. Eingriffe in die Privatsphäre können außerdem durch einstweilige Verfügungen nach § 382d EO abgewehrt werden. Die Zuerkennung immaterieller Schadensersatzansprüche bleibt jedoch eingeschränkt und wird nur bei gravierenden Beeinträchtigungen (z. B. durch rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in die Privatsphäre), wie sie in § 1328a ABGB geregelt sind, gewährt.
Postmortalität in Österreich und Deutschland:
Der postmortale Persönlichkeitsschutz, der in Österreich und auch in Deutschland etabliert ist, schützt das Ansehen verstorbener Personen und wahrt die Menschenwürde über den Tod hinaus. Dieses Schutzrecht wird treuhänderisch von Angehörigen ausgeübt, wobei es zum Status quo innerhalb der Juristerei strittig ist, inwiefern und ob die Intensität eines solchen Schutzes mit der Zeit überhaupt abnimmt und von welchen Umständen dies tatsächlich abhängt (z. B. in Bezug auf Bekanntheit und Bedeutung des/der Verstorbenen). Die hM geht hingegen davon aus, dass ein ebensolcher postmortaler Schutz – aus einer zeitlichen Perspektive heraus betrachtet – abnimmt. Zudem wird in Österreich ein immaterieller Schadenersatz bei Persönlichkeitsverletzungen selten zugesprochen, da eine spezifische gesetzliche Regelung, wie z. B. eine solche, die der Rechtsnorm des § 253 BGB (Deutschland) ähnelt, im österr Recht fehlt. Obwohl der OGH in der Vergangenheit Entschädigungsansprüche abgelehnt hat, werden in Ausnahmefällen, etwa bei unrechtmäßiger Freiheitsentziehung (Art. 5 EMRK), durchaus Ansprüche anerkannt. § 1328a ABGB ermöglicht darüber hinaus die Geltendmachung immaterieller Schadensersatzansprüche bei Verletzungen der Privatsphäre, wobei medienrechtliche Eingriffe nicht unter diese Norm fallen und stattdessen im Mediengesetz (MedienG) geregelt sind.
Mit dem Tod endet grundsätzlich die Rechtsfähigkeit und damit auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dennoch besteht sowohl in Österreich als auch in Deutschland ein postmortaler Persönlichkeitsschutz, der darauf abzielt, die Würde und den Ruf des Verstorbenen zu sichern. In Deutschland wird dieser Schutz aus Art 1 Abs 1 GG (Menschenwürde) und Art 2 Abs 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) abgeleitet, während er in Österreich durch die Rechtsprechung anerkannt ist. Der Schutz liegt grundsätzlich bei den nächsten Angehörigen oder bei einer Person, die durch den/die Verstorbene:n dazu bestimmt wurde. Primäres Ziel ist es, eine Diffamierung des Lebensbildes des/der Verstorbenen zu verhindern. Beispielsweise muss nach der Rechtsprechung des EGMR etwa bei der Veröffentlichung von Bildern und Artikeln eine Abwägung erfolgen, nämlich insofern, ob diese lediglich der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit über private Details dienen oder ob sie einen Beitrag zu einer gesellschaftlich relevanten Diskussion leisten. Die Interessenabwägung sollte im Kontext der EGMR-Rechtssprechung zugunsten der Berichterstattung ausfallen, sofern keine überwiegenden gegenteiligen Gründe vorliegen. Ein prominentes Beispiel im österreichischen Kontext betrifft den Bauunternehmer und Society-Star Richard Lugner (1932-2024). Angenommen, nach seinem Tod veröffentlicht ein Magazin einen Artikel, der private und potenziell rufschädigende Details aus seinem Leben enthält. In einem solchen Fall müsste eine juristische Abwägung stattfinden. Dabei würde geprüft werden, ob die Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt – beispielsweise durch einen Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Themen (z. B. Transparenz im Geschäftsleben) – oder ob sie lediglich der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit dient. Nach der Rechtsprechung des EGMR könnte eine solche Veröffentlichung unzulässig sein, wenn überwiegend schutzwürdige Interessen von Lugners Familie oder seines Lebensbildes verletzt werden. In diesem Kontext wäre insbesondere die Darstellung seines „Lebenswerks“ und die Wahrung seiner gesellschaftlichen Stellung von Bedeutung.