Kommentar zum § 256 StGB

Dr. Marlon POSSARD am 18.04.2024

Spionage zum Nachteil der Republik Österreich

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De lege lata stellt § 256 StGB gegenwärtig ausschließlich die Spionage zum „Nachteil“ der Republik Österreich unter Strafe. Ein solcher Nachteil iSd § 256 StGB gegenüber der Republik Österreich ist nach höchstgerichtlicher Entscheidung (siehe hierzu: OGH 10 Os 199/78 v. 06.06.1979) als ein Merkmal zu verstehen, das den Staat in seinen fundamentalen Interessen beeinträchtigen kann. Hier genügt es bereits, dass die Tatausführung aus objektiver Sicht dazu geeignet ist, einen solchen beeinträchtigenden Nachteil für die Republik Österreich herbeizuführen. Der Eintritt eines tatsächlichen Nachteils muss nicht zwingend vorliegen. Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari[1] argumentieren hinsichtlich der Begrifflichkeit des „Nachteils“, dass nicht nur das Preisgeben von Staatsgeheimnissen mit Nachteilen für die Republik Österreich konnektiert sein kann, sondern auch das Weitertragen oder das Sammeln anderer Geheimnisse, sofern dadurch faktische Nachteile für die Republik Österreich herbeigeführt werden können. Aus tatbildlicher Perspektive heraus betrachtet, kann daher nicht jede Veröffentlichung oder jedes Auskundschaften unter die Bestimmungen des § 256 StGB eingeordnet werden, wobei nachrichtendienstliches Agieren, ergo das Unterstützen (= jedwede Unterstützungshandlung), das Einrichten (= z. B. das Gründen eines Nachrichtendienstes) und/oder das Betreiben (= Verantwortung für den Nachrichtendienst) eines ebensolchen, jedenfalls die Rechtssphäre des § 256 StGB berührt.

 

Jedoch sind zum status quo keine anderen (staatlichen) Einrichtungen oder (internationalen) Organisationen (z. B. die United Nations Organization) von der Strafbarkeit des § 256 StGB umfasst, was sich aus den objektiven Tatbestandsmerkmalen des § 256 StGB ableiten lässt. Gegenwärtig kann die Strafbarkeit des § 256 StGB aus objektiver Tatseite daher auch nicht auf jene Art von Spionagefällen Anwendung finden, die zwar innerhalb der Republik Österreich durch- bzw. ausgeführt werden, sich jedoch auf andere (fremde) Staaten beziehen. Die Herbeiführung eines Nachteils für andere (fremde) Staaten kann zum jetzigen Zeitpunkt de facto nicht unter die Bestimmungen des § 256 StGB subsumiert werden. Auch sind nur nicht-öffentliche Nachrichtendienste vom § 256 StGB umfasst, nicht daher öffentliche Dienste (wie bspw. die öffentliche Presse in Österreich). Das Agieren muss demgemäß im Verborgenen stattfinden mit dem Ziel, das nachrichtendienstliche Handeln gegenüber den Einrichtungen der Republik Österreich nicht öffentlich zu machen. Aus subjektiver Tatseite verlangt § 256 StGB zwingend Vorsatz, sowohl hinsichtlich des beabsichtigten Nachteils für die Republik Österreich als auch betreffend die Geheimhaltung des nachrichtendienstlichen Agierens. Ein bedingter Vorsatz nach § 5 Abs. 1 StGB genügt nach h. M. hierfür bereits.

 

Aktuelle Entwicklungen in Österreich, insbesondere der Spionagefall des Herrn E. O. aus dem Jahr 2024, lassen zukünftige Verschärfungen der bisherigen Strafdrohungen[2] durch den Gesetzgeber vermuten, selbst wenn die Strafdrohung des § 256 StGB mit den Änderungen des StGB im Juli 2021 bereits von max. drei Jahre (= vormals ein „Vergehen“) auf max. fünf Jahre (= nunmehr Wertung als „Verbrechen“) Freiheitsstrafe angehoben wurde. De lege ferenda wird es notwendig sein, andere Staaten und internationale Einrichtungen ebenfalls unter die Strafbarkeit des § 256 StGB zu subsumieren. Die Bedeutung, die seitens des Gesetzgebers den Bestimmungen des § 256 StGB zugeschrieben wird, ergibt sich u. a. aus den ihnen innewohnenden verfassungsgefährdenden Aspekten.

 



[1] Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, österr. StGB, § 256 [Stand: 10.03.2022, rdb.at]

[2] Es kann hervorgehoben werden, dass die Anhebung von Strafdrohungen potenzielle Täter:innen nicht von einer Tatausführung abhält, sondern vielmehr müssen präventive Maßnahmen effektiv gestärkt werden. Ähnlich argumentiert in diesem Kontext auch Tipold und weist darauf hin, dass die Erhöhung von Strafdrohungen für die Attraktivität von Straftaten prinzipiell irrelevant ist. Siehe hierzu: vgl. Tipold, A. (2021): Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zu GZ 2021-0.206.281 und GZ 2021-0.227.583 vom 06.05.2021. Online abrufbar unter: https://ales.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_ales/Gesetzesvorhaben/Stellungnahme_zum_polizeilichen_Staatsschutz__StGB__StPO_Tipold.pdf [abgerufen am: 18.04.2024]

 


§ 256 StGB | 1. Version | 615 Aufrufe | 18.04.24
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, StGB, § 256, 18.04.2024
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