Kommentar zum § 36 TSchG

Dr. Marlon POSSARD am 03.02.2023

Behördliche Befugnisse im Rahmen von Tierschutzkontrollen gem. TSchG

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§ 36 enthält für die Kontrolle von Tierhaltungen zentrale behördliche Befugnisse und statuiert spiegelbildliche Mitwirkungs- bzw. Duldungspflichten Betroffener.

Zum Zweck der Vollziehung dieses Bundesgesetzes (v. a. der Durchführung von Kontrollen nach § 35 TSchG; siehe hierzu: VwGH vom 19.01.2010 zu GZ: 2007/05/0254) räumt das Gesetz insbesondere den Organen der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde sowie deren Hilfsorganen (u. a. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gem. § 34) die Befugnis ein,

·         Liegenschaften, Räume und Transportmittel (nicht nur des Tierhalters)

·         auch gegen den Willen des Verfügungsberechtigten und

·         erforderlichenfalls im Zwangswege

zu betreten.

Das Gesetz öffnet damit die Möglichkeit zu Eingriffen in grundrechtlich besonders geschützte Positionen, u. a. in die Eigentumsfreiheit (Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZPEMRK) sowie in die Privatsphäre (Art. 8 Abs. 1 EMRK, der sich nach Ansicht des EGMR auch auf für berufliche Tätigkeiten und damit im Zusammenhang verwendete Räumlichkeiten erstreckt; vgl. etwa EGMR EuGRZ 1993, S. 65). Zumal es sich beim bloßen Betreten von Räumlichkeiten zwecks Vornahme von Amtshandlungen um keine Hausdurchsuchungen handelt, wird der Schutzbereich des Hausrechts (Art. 9 StGG, § 1 HausRG) nicht berührt (VfSlg 6328/1970 u.a.).

Werden Liegenschaften, Räume und Transportmittel ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten oder gar gegen seinen erklärten Willen betreten, stellt dies der Rsp zufolge grds einen AuvBZ dar (vgl. etwa VfSlg 12.122/1989 sowie VwGH 28.01.2016, Ra 2014/07/0069; aM noch VfSlg 8932/1980).

Die Ermächtigung umfasst auch das Recht, Liegenschaften, Räume und Transportmittel im Zwangsweg zu betreten. Der Erlassung einer Vollziehungsverfügung bedarf es daher nicht. Voraussetzung für die Rechtsmäßigkeit der Handlung ist die

·         Notwendigkeit der Maßnahme insbesondere zu Zwecken der Kontrolle;

·     Wahrung der Verhältnismäßigkeit: Wie sich aus der Systematik des Abs 1 und des Abs 2 erschließen lässt, haben die Hilfsorgane der BVB danach zu trachten, zunächst die Zustimmungen des Verantwortlichen der Tierhaltung bzw. des zivilrechtlich Verfügungsberechtigten für das Betreten der Liegenschaft zu erhalten. Nur, wenn die Zustimmung nicht erteilt wird, soll die zu kontrollierende Einrichtung mit unmittelbarem Zwang (Abs 1) betreten werden. Auch im letzten Fall darf nur jenes Zwangsmittel (zur Befugnisvollziehung) angewendet werden, das ex ante (gerade) notwendig erscheint, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Die Kosten der von Amts wegen angeordneten Amtshandlungen (§§ 35, 36) trägt die Behörde (BVB, § 33 Abs 1 iVm § 75 Abs 1 AVG). Wurde eine (zusätzliche) Amtshandlung (zB Nachkontrolle) jedoch aufgrund des Verschuldens des Inhabers der Tierhaltung notwendig, so sind die entsprechenden Kosten (Auslagen) der Behörde dem Verursacher vorzuschreiben (§ 76 Abs 2 AVG).

[entnommen aus: Herbrüggen/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht, Band I – Tierschutzgesetz (TSchG), 3., überarbeitete Auflage, Stand: 01.06.2020, S. 326 ff.]

 


§ 36 TSchG | 1. Version | 570 Aufrufe | 03.02.23
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, TSchG, § 36, 03.02.2023
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