Kommentar zum § 188 StGB

F Jeanplong am 19.07.2020

Normzweck § 188 StGB

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Die Religionsfreiheit spiegelt die Gedanken- und Gewissensfreiheit unserer Gesellschaft wider. Sie kann aus der natürlichen Menschenwürde abgeleitet werden und findet sich in der österreichischen Bundesverfassung an mehreren Stellen (etwa Art 14 f StGG, Art 9 EMRK oder Art 63 Stv Saint-Germain).

 

Aus den folgenden fünf Gründen ist es präzise, dass die Religionsfreiheit durch den Gesetzgeber geschützt und ein Zuwiderhandeln sanktioniert wird.

 

·      Die Religionsfreiheit kann als mit dem öffentlichen Frieden verbunden betrachtet werden (Sadoghi in Höpfel/Ratz). Da die religiöse Integrität wesentliches Merkmal zahlreicher Unionsbürger*innen ist, führt eine tatbestandsmäßige Herabwürdigung zu einer Verletzung der Persönlichkeitssphäre, die, sofern sie nicht staatlich geahndet würde, das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen würde. 

·      Dass es sich um ein wesentliches Merkmal der Integrität handelt, wurde psychologisch vielfach nachgewiesen. Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn verzweifelt zunehmend im säkularen Umfeld. Was der Gesellschaft als Neurose der Sinnlosigkeit diagnostiziert wurde, nimmt in der Frage nach dem Sinn seinen Anfang (V Frankl).

·      Die kulturelle Wahrnehmung der westlichen Gesellschaft fußt auf ihren Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dabei ist doch bitte zu beachten, dass "religiös motivierte" Konflikte der Vergangenheit zumeist politisch motiviert waren (http://www.k-l-j.de/105_kreuzzuege.htm). Ein bemerkenswertes religiöses völkerrechtliches Dokument: sublimis deus.

·      Geflüchtete, die aufgrund ihrer Religion in der Heimat verfolgt wurden, sind lebendiges Beispiel für die Notwendigkeit des Schutzes religiöser Lehren.

·      Das vielleicht deutlichste Argument? Alle faschistischen Systeme des 20. Jahrhunderts haben Religionsgemeinschaften verfolgt.

Der Nationalsozialismus hat unter den Kampfanweisungen gegen das Christentum (H Himmler) und speziell gegen die päpstliche Enzyklika "mit brennender Sorge" Priester und Gläubige interniert. Etwa sechs Millionen Juden starben in Konzentrationslagern aufgrund ihres Glaubens. Das manchmal vorgebrachte Argument, dass so manche Verfolgung ohne der Religion nicht passiert wäre, ist mit dem absurden Gedanken zurückzuweisen, dass es zB keine Kriminalität gäbe, wenn es keine Gesetze gäbe.

Der atheistische Realsozialismus kostete mit seiner Umsetzung des kommunistischen Manifests in wenigen Jahrzehnten über 100 Millionen Menschen das Leben.

Selbst Vertreter der Aufklärung fordern eine Restrukturierung hin zur Mystik: "die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils." (Dialektik der Aufklärung, 1947).

 

Was hat das alles mit dem Einzelnen zu tun? Aus ihm heraus kann das göttliche in dieser Welt sichtbar gemacht werden.


§ 188 StGB | 1. Version | 2487 Aufrufe | 19.07.20
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: F Jeanplong
Zitiervorschlag: F Jeanplong in jusline.at, StGB, § 188, 19.07.2020
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