Kommentar zum § 933a ABGB

Nicole Konrad am 15.04.2014

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1. Einleitung - Rechte aus der Gewährleistung

Gemäß §§ 922 iVm 932 ABGB stehen einem Übernehmer einer Sache/Leistung wegen eines Mangels die folgenden Gewährleistungsbehelfe zu:

  • Verbesserung;
  • Austausch einer Sache;
  • Preisminderung;
  • Aufhebung des Vertrages (Wandlung);

 

Primär hat der Übernehmer - auch hier dem Grundsatz der Naturalrestitution folgend - Anspruch auf Mängelbehebung, dh auf Verbesserung (Reparatur, Nachbesserung oder den Nachtrag des Fehlenden) oder Austausch.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen der sekundären Gewährleistungsbehelfe (Unmöglichkeit der Mängelbehebung, Unverhältnismäßigkeit der Mängelbehebung, Verweigerung, Scheitern, Verzug, Unzumutbarkeit wegen erheblicher Unannehmlichkeiten, Unzumutbarkeit aufgrund der Person des Übergebers) kann der Übernehmer frei wählen, ob er Preisminderung oder Wandlung geltend macht (§ 932 Abs 4 ABGB).

Alternativ zu Preisminderung oder Wandlung kommt jedoch auch das Begehren auf Ersatz von Verbesserungskosten in Betracht. Dieses setzt naturgemäß voraus, dass die Mängelbehebung möglich und verhältnismäßig ist (Kolmasch in Schwimann, ABGB-TaKomm, Rz 20 zu § 932 ABGB)

Ein solches Begehren kann sich auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen. Nach § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer beispielsweise Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat.

Gemäß § 933a Abs 3 ABGB wird das Verschulden des Übergebers sogar binnen zehn Jahren ab Übergabe vermutet.  

 

Zum Rechtsinstitut § 933a ABGB im Einzelnen:

2. Schadenersatz statt Gewährleistung:

2.1 Allgemeines:

Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann ein Übernehmer (bei allen entgeltlichen Verträgen, insbesondere bei Kauf- und Werkverträgen) wegen einer vom Übergeber verschuldeten Mangelhaftigkeit der Leistung statt Gewährleistung auch Schadenersatz verlangen.

Sämtliche Konstellationen der Schlechterfüllung enthalten nämlich auch die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches (Perner/Spitzer, Bürgerliches Recht, 174):

Durch die vertragswidrige Leistung erleidet ein Übernehmer einen Vermögensnachteil
(= Schade). Dieser Schade wurde vom Übergeber durch die Schlechterfüllung verursacht
(= Kausalität). Die Schlechterfüllung ist vertragswidrig (= Rechtswidrigkeit). Wenn dem Übergeber die Schlechterfüllung auch vorgeworfen werden kann (= Verschulden), sind alle Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches gegeben.

Ein Übernehmer kann somit für jenen Schaden, welcher im Mangel selbst liegt (= Mangelschade) Ersatz verlangen, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat.

Neben der schadenersatzrechtlichen Verbesserung oder dem Austausch kann der Übernehmer freilich auch darüber hinausgehende Nachteile (= Mangelfolgeschäden) als Geldersatz fordern. Diese sind jedoch mittels des allgemeinen Schadenersatzrechtes nach §§ 1295 ff ABGB geltend zu machen.

 

2.2 Form des Schadenersatzanspruches bei behebbaren und unbehebbaren Mängeln:

(Auch) Im Rahmen der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nach § 933a ABGB kann der Übernehmer wegen des Mangels selbst zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen (primärer Anspruch).

Hiedurch wird dem Übergeber - gleichlautend zum Gewährleistungsrecht gemäß § 932 Abs 2 ABGB - eine (!) zweite Chance zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung eingeräumt.

Es bestehen hinsichtlich eines Mangelschadens somit auf Ebene der primären Rechtsbehelfe keine Unterschiede, ob sich der Übernehmer auf die (verschuldensunabhängige) Gewährleistung oder auf den (verschuldensabhängigen) Schadenersatz stützt (Zöchling-Jud in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01, Rz 5 zu § 933a ABGB).

Wenn ein Mangel behebbar ist, steht dem Übernehmer folglich der Anspruch auf das Erfüllungsinteresse zu (OGH RIS-Justiz RS0126732). Der Übernehmer ist insgesamt so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (OGH RIS-Justiz RS0018239). 

Hierbei ist zu unterscheiden, ob "leichte Fahrlässigkeit" des Übergebers die ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinderte oder ob "grobes Verschulden" vorliegt. Bei leichter Fahrlässigkeit ist nur der positive Schade zu ersetzen, bei grobem Verschulden auch der Ersatz des entgangenen Gewinns (Zöchling-Jud in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01, Rz 15 zu § 933a ABGB).

Wenn die Verbesserung oder der Austausch hingegen unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sind, aber auch, wenn der Übergeber die - zufolge einer Behebbarkeit des Mangels grundsätzlich mögliche - Verbesserung verweigert, kann der Übernehmer gemäß § 933a ABGB Geldersatz verlangen (sekundärer Anspruch). Dieser besteht in der Höhe der Differenz zwischen dem Wert der mangelhaften und jenem der mangelfreien Leistung (OGH RIS-Justiz RS0086353 [T14]).

Wenn ein Mangel nur teilweise behebbar ist, ist er als vollständig unbehebbarer Mangel zu qualifizieren und der Übernehmer zum sofortigen Geldersatz berechtigt (Zöchling-Jud in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01, Rz 13 zu § 933a ABGB).

Bei Missachtung des Vorrangs der Naturalrestitution ("voreilige Selbstvornahme") des Übernehmers, dh wenn der Übernehmer dem Übergeber keine zweite Chance gewährt und den Mangel selbst behebt bzw auf eigene Kosten beheben lässt, besteht dennoch Anspruch auf (zumindest teilweisen) Ersatz der Verbesserungskosten. In analoger Anwendung von Anrechnungsregeln wie § 1168 Abs 1 und § 1155 ABGB muss der Übergeber jedoch (nur) jene Kosten ersetzen, die er selbst für die Mängelbehebung aufwenden hätte müssen (vgl OGH 02.09.2008, 8 Ob 14/08d).

 

2.3 Umfang der Verbesserungskosten:

Bei Verbesserungsverzug oder der Verbesserungsverweigerung des Übergebers hinsichtlich behebbarer Mängel umfasst das Erfüllungsinteresse die Kosten der Verbesserung (OGH RIS-Justiz RS0086353).

Konsequenterweise scheidet Geldersatz hinsichtlich dieser Kosten aus, wenn die Verbesserung (Mängelbehebung) unmöglich oder dem Übergeber unzumutbar ist oder der Übernehmer die Mängelbehebung aufgrund von Unzumutbarkeit abgelehnt hat.

Die Kosten einer Mängelbehebung stehen jedoch nicht immer bereits zum Zeitpunkt der Geltendmachung schadenersatzrechtlicher Ansprüche gemäß § 933a ABGB in ihrer tatsächlichen Höhe fest, da Geschädigte sämtliche Sanierungsmaßnahmen häufig erst beauftragen und durchführen (lassen), wenn ihre Forderung seitens des Schädigers außergerichtlich anerkannt oder ihnen dieselbe gerichtlich zugesprochen wurde.

Es entspricht jedoch der Judikatur des OGH, dass (auch) im Rahmen eines Anspruchs nach
§ 933a ABGB das Deckungskapital für die beabsichtigte Sanierung eines Mangels als zweckgebundener Vorschuss zuerkannt werden kann (OGH 18.09.2009, 6 Ob 154/09d; OGH 07.04.2011, 2 Ob 135/10g mwN; OGH 30.07.2013, 2 Ob 123/12w)

Die Ersatzfähigkeit der Sanierungskosten setzt deren bereits erfolgte Durchführung somit nicht voraus, es genügt vielmehr die darauf gerichtete Absicht (OGH RIS-Justiz RS0124491). Die Beweislast dafür trifft den Geschädigten (OGH RIS-Justiz RS0030106 [T1]).

Dem Geschädigten steht das Deckungskapital für die Sanierung des Mangels als zweckgebundener und verrechenbarer, bei Übermaß auch rückforderbarer Vorschuss zu. Verwendet der Geschädigte den Vorschuss nicht oder nur teilweise zur Durchführung der Reparatur, kann der Schädiger seine Leistung, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen übersteigt, nach § 1435 ABGB kondizieren. Bei Erkennbarkeit höherer Kosten ist der Vorschuss hingegen aufzustocken.

Freilich trifft den Geschädigten eine Rechenschafts- und Rechnungslegungspflicht über die Verwendung des Vorschusses. Dem Ersatzpflichtigen kommt konsequenterweise auch ein entsprechendes Überwachungsrecht zu (OGH 23.10.1997, 2 Ob 82/97s = SZ 70/220; OGH 28.09.2009, 2 Ob 117/09h; OGH 18.09.2009, 6 Ob 154/09d; OGH 28.08.2013, 5 Ob 94/13d; OGH RIS-Justiz RS0108906 [T6 und T9]; Reischauer in Rummel 3. Auflage, Rz 13 zu § 1323 ABGB ua).

Zufolge dessen, dass damit ex post eine Kontrolle der für die Mängelbehebung verwendeten Kosten erfolgt, bedarf es naturgemäß ex ante freilich konkreter Behauptungen und Feststellungen dazu, welche konkreten Mängelbehebungsarbeiten vorgenommen werden sollen und wie sich die Kosten hiefür zusammensetzen (OGH 22.01.2014, 3 Ob 191/13d)

 

2.4 Ersatz "fiktiver Verbesserungskosten":

Damit einher geht weiterführend auch die Frage, ob der Anspruch auf Ersatz der Verbesserungskosten voraussetzt, dass der Übernehmer die Verbesserung tatsächlich durchführen lässt oder ob er eben auch "fiktive Verbesserungskosten" verlangen kann (Zöchling-Jud in Kletecka/Schauer, Rz 19 zu § 933a ABGB). 

Nach einem längeren Meinungsstreit zwischen Lehre und Judikatur vertritt der OGH nunmehr die Ansicht, dass der Ersatz der Verbesserungskosten nur zuzusprechen ist, wenn der Übernehmer die Verbesserung auch tatsächlich durchführen lässt. Damit lehnte der OGH den Ersatz fiktiver Verbesserungskosten ausdrücklich ab (OGH 07.04.2011, 2 Ob 135/10g = bbl 2011/163; OGH 06.07.2009, 1 Ob 109/09z = ZVR 2010/81 (Huber) = ecolex 2009/361; OGH 05.05.2009, 1 Ob 16/09y = ecolex 2009/360; OGH 18.09.2009, 6 Ob 154/09d; OGH 07.07.2008, 6 Ob 134/08m = JBl 2008, 786 = EvBl 2008/180 = ecolex 2009/4 ua).

Einen "Sonderfall" stellt jedoch jene Konstellation dar, in welcher ein Übernehmer die Sache selbst verbessert. In diesem Fall hat der Übernehmer (unter der Voraussetzung, dass die Verbesserung tatsächlich stattfindet) Anspruch auf Ersatz der marktüblichen Verbesserungskosten (B. Jud, Schadenersatz, 263 f im Anschluss an Ch. Huber, Schadensberechnung, 200 ff). 

 

2.5 Ersatz der Austauschkosten:

Steht einem Übernehmer grundsätzlich der Ersatz der Verbesserungskosten zu, kann er freilich auch  eine Austauschsache von dritter Seite beschaffen und die Kosten dieses Deckungsgeschäftes der Schadensberechnung zugrunde legen. Dies bedingt jedoch die Rückstellung der einst erhaltenen mangelhaften Sache (B. Jud, Schadenersatz, 266 f).

 

2.6 Rückerstattung des Entgelts:

Nach hA kann der Übernehmer die Rückzahlung des Entgelts in jenem Ausmaß verlangen, in dem die Leistung aufgrund des Mangels unbrauchbar ist (zB OGH 1 Ob 109/09z zum Werkvertrag).

Auch die Wandlung des Vertrags wird - bei nicht bloß geringfügigen Mängeln (§ 932 ABGB) auf schadenersatzrechtlicher Grundlage zugelassen (zB OGH 06.09.1989, 8 Ob 631/89; Kolmasch in Schwimann, ABGB-TaKomm, Rz 7 zu § 933a ABGB).

 

3. Verjährung:

Ein Schadenersatzanspruch, welcher sich auf § 933a ABGB stützt, muss innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist - sohin binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, spätestens nach dreißig Jahren (§ 1489 ABGB) - geltend gemacht werden.

Bei beiderseitigen Unternehmensgeschäften ist insbesondere zu berücksichtigten, dass das Unterlassen einer Mängelrüge auch den Verlust des Ersatzes des Mangelschadens bedeutet (neben den Rechten aus der Gewährleistung; nicht hingegen den Ersatz eines Mangelfolgeschadens, vgl hierzu § 377 Abs 2 UGB).

Verbesserungsversuche und Verbesserungszusagen des Übergebers hemmen oder unterbrechen sowohl die Gewährleistungsfrist, als auch die schadenersatzrechtliche Verjährungsfrist. Nach Durchführung einer Verbesserung beginnen sodann neue Fristen - zumindest hinsichtlich jener Bereiche, in welchen Sanierungen und Verbesserungen erfolgten - zu laufen (vgl Kletecka, ecolex 1996, 234 (235)).

 

4. Conclusio:

  • Die Rechtsfolgen des "Schadenersatzes statt Gewährleistung" sind jenen der Gewährleistung nachgebildet. Es gilt auch hinsichtlich dieser Anspruchsgrundlage nach 
    § 933a ABGB der Primat der Nacherfüllung (Verbesserung, Austausch). Subsidiär steht Geldersatz zu (Preisminderung, Wandlung).

  • Der Vorteil des "Schadenersatzes statt Gewährleistung" nach § 933a ABGB liegt in einer erheblichen Verlängerung der kurzen Gewährleistungsfristen

  • Es handelt sich beim Rechtsinstitut des § 933a ABGB jedoch um kein "Allheilmittel", da in vielen Fällen schlicht kein Verschulden vorliegt bzw die Verschuldensvermutung leicht entkräftet werden kann.

 

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§ 933a ABGB | 31. Version | 7177 Aufrufe | 15.04.14
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Nicole Konrad
Zitiervorschlag: Nicole Konrad in jusline.at, ABGB, § 933a, 15.04.2014
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