Kommentar zum § 5 KraSchG

Norbert Gugerbauer3 am 15.07.2013

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1) Das Gesetz lässt offen, ob der gebundene Unternehmer zusätzlich auch einen Anspruch auf "bürgerlichen Gewinn" hat. Im Hinblick darauf, dass in vielen KFZ-Vertriebssystemen mit dem Verkauf von Neufahrzeugen keine positiven Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden können, der Vertrieb von Neufahrzeugen also aus dem Werkstattgeschäft quersubventioniert werden muss, das Werkstattgeschäft aber wiederum darunter leidet, dass die Hersteller den Endverbrauchern zusehends verlängerte Garantiefristen anbieten, den Werkstattinhabern für die - zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachenden - Garantiearbeiten jedoch nur reduzierte Stundensätze und verringerte Teile-Margen zahlen, wird sich ein Anspruch der Werkstattinhaber auf Deckung der Vollkosten und auf einen entsprechenden Gewinnanteil in der Regel schon aus der marktbeherrschenden Position der Hersteller/Generalimporteure ableiten lassen.
 
2) Ein Unternehmen, das eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern überragende Marktstellung hat, gilt als marktbeherrschend. Eine solche Marktstellung liegt insbesondere vor, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen angewiesen sind (§ 4 Abs. 3 KartG). Der OGH hat erstmals zu 4 Ob 62/98s ("Servicegutscheine") ausgesprochen, dass Generalimporteure von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke gegenüber ihren Vertragshändlern/Vertragswerkstätten marktbeherrschend seien.
 
3) Nach dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dürfen Unternehmen, von denen kleine oder mittlere Unternehmen als Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Lieferanten auszuweichen, nicht bestehen, diese kleinen oder mittleren Unternehmen nicht behindern oder diskriminieren (§ 20 Abs. 2 GWB). Der BGH hat dazu bereits mehrfach entschieden, dass bei  einem Vertragshändler, der sich ausschließlich an einen Fahrzeughersteller gebunden habe (BGH 23.2.1988 – KZR 20/86; 21. Februar 1995 – KZR 33/93), oder einer Vertragswerkstatt, die ihren Geschäftsbetrieb durch erhebliche Investitionen auf einen bestimmten Fahrzeughersteller ausgerichtet habe (BGH, 9. Februar 2006 – KZR 26/04), eine zur Anwendung des § 20 Abs 2 GWB führende unternehmensbedingte Abhängigkeit vorliegen könne (BGH, 30.3.2011, KZR 6/09 und 7/09).
 
4) Nach Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kann ein vertikales Abhängigkeitsverhältnis zu relativer Marktmacht im Sinne einer beherrschenden Stellung führen. Von einem vertikalen Abhängigkeitsverhältnis ist auszugehen, wenn Abnehmer wirtschaftlich auf einen bestimmten Lieferanten angewiesen sind (vgl. etwa EuGH 6.4.1995, Slg. 1995 I-743, 822 "Magill"; 11.11.1986, Slg. 1986, 3263, 3299 f. "British Leyland"; 13.11.1975, Slg. 1975, 1367, 1369 "General Motors Continental"). Von einer unternehmensbedingten Abhängigkeit spricht man, wenn sich ein Unternehmen durch langfristige Verträge oder durch erhebliche Investitionen auf ein bestimmtes Produkt, beispielsweise auf Kraftfahrzeuge einer bestimmten Marke, so eingestellt hat, dass in einer Umstellung des Vertriebs oder der Dienstleistungen ein zu großes  und nicht kalkulierbares Risiko liegen würde (vgl. etwa EuGH 5.10.1988, Slg. 1988, 6039, 6072 f. "Renault"; 5.10.1988, 6211, 6235 "Volvo/Veng; Kommission, XVII. Wettbewerbsbericht, Tz. 84 "Oliofiat). Der Umstand, dass die Abhängigkeit im Einzelfall als selbstvberschuldet zu bewerten ist, berührt nicht die Feststellung der aktuell vorhanden Marktmacht (Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rz. 85).
 
5) Die - vom 1. Oktober 2002 bis 31. Mai 2013 in Kraft befindliche - Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission hat hatte die Freistellung wettbewerbsbeschränkender Vertriebsverträge im Kraftfahrzeugsektor vom Kartellverbot davon abhängig gemacht, dass KFZ-Hersteller den Mehrmarkenvertrieb zulassen. Dies hatte Überlegungen ausgelöst, ob ein Hersteller von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke tatsächlich auch gegenüber einem an ihn gebundenen Mehrmarkenhändler beherrschend sei. Mit den Kommissions-Verordnungen 461/2010 vom 27. Mai 2010 und 330/2010 vom 20. April 2010 ist diese Freistellungsvoraussetzung aber fallengelassen worden, insoferne ist davon auszugehen, dass die oben zitierte Judikatur weiterhin Maßstab ist.
 
6) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten. Der Missbrauch kann u.a. in der unmittelbaren oder mittelbaren Erwingungen unangemessener Preise oder Geschäftsbedingungen bestehen (§ 5 Abs. 1 Z. 1 KartG). Gegen einen derartigen Missbrauch kann beim Kartellgericht ein Abstellungsantrag eingebracht werden (§ 36 Abs. 4 Z. 4 iVm. § 26 KartG), dem beherrschenden Unternehmen droht eine Geldbusse von bis zu 10 Prozent des Umsetzes des Vorjahres § 29 Z. 1 KartG), durch einen Missbrauch geschädigte Unternehmen könne nach zivilrechtlichen Bestimmungen Schadenersatz begehren.

§ 5 KraSchG | 4. Version | 485 Aufrufe | 15.07.13
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Norbert Gugerbauer3
Zitiervorschlag: Norbert Gugerbauer3 in jusline.at, KraSchG, § 5, 15.07.2013
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