Kommentar zum § 1 KraSchG

Norbert Gugerbauer3 am 08.07.2013

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1) Die Hersteller von Kraftfahrzeugen, bzw. deren Generalimporteure (in Österreich oder anderen Staaten) schließen zum Vertrieb ihrer Produkte in der Regel mit Kraffahrzeughändlern Händlerverträge und mit Werkstättenbetrieben Werkstatt- oder Serviceverträge und Ersatzteillieferverträge ab. Zum Teil werden diese Verträge miteinander kombiniert.

2) Soweit derartige Verträge Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, können sie gegen das Kartellverbot in Artikel 101 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), bzw. in § 1 des österreichischen Kartellgesetzes verstossen. Wegen sicherheitstechnischer Spezifika und der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Kfz-Sektors kam es im EG-Kartellrecht schon früh zu einer Branchenregelung. Wiederholt wurden für den  Kraftfahrzeugsektor eigene "EG-Gruppenfreistellungsverordnungen" (GVOs) erlassen, welche für bestimmte Gruppen von Vereinbarungen eine Freistellung vom Kartellverbot erklärten.

Bis zum 31.5.2012 (für Werkstättenverträge), bzw. bis zum 31.5.2013 (für KFZ-Händlerverträge) hat die "Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31.Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugssektor" (im Folgenden: VO 1400/2002), ABl. Nr. L 203 vom 1.8.2002 S. 30, die Auslegung erleichtert, welche Verträge trotz vorhandener Wettbewerbsbeschränkungen vom Kartellverbot freigestellt werden.

3) Seit dem 1. Juni 2010 gilt neu die "Verordnung (EU) Nr. 461/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor" (im Folgenden: VO 461/2010), ABl. Nr. L 129 vom 28.5.2010 S. 52, Werkstatt-, bzw. Serviceverträge, seit dem 1. Juni 2013 für den Vertrieb von Neufahrzeugen die "Verordnung (EU) Nr. 330/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen" (im Folgenden: VO 330/2010), ABl. Nr. L 102 vom 23.4.2010 S. 1.

4) Die mit 31. Mai 2013 außer Kraft getretene VO 1400/2002 hat die Freistellung wettbewerbsbeschränkender Händler- und Werkstatverträge vom Kartellverbot u.a. davon abhängig gemacht, dass der Vertrag so ausgestaltet ist, dass der Händler  bzw. Werkstattinhaber durch den Hersteller/Generalimporteur nicht unter Druck gesetzt werden kann, auf wettbewerbsfördernde Aktionen, etwa im Rahmen des intrabrand-Wettbewerbs, zu verzichten. Mit anderen Worten wurde die Freistellung damit junktimiert, dass der Vertrag auf eine bestimmte Mindestdauer abgeschlossen wird, dass der Händler seinen Vertrag an einen anderen Händler des gleichen Netzes übertragen darf, dass der Vertrag nur unter Beifügung einer objektiven und transparenten Begründung gekündigt werden darf, dass bei einer Kündigung eine bestimmte Kündigungsfrist einzuhalten ist und dass im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens die Klärung verlangt werden kann, ob die Kündigung gerechtfertigt ist.

5) Diese zum Teil missverständlich als "Händlerschutzbestimmungen" bezeichneten kartellrechtlichen Auflagen sollten nach dem Wunsch des Gesetzgebers nach dem Auslaufen der VO 1400 / 2002 durch zwingendes Zivilrecht abgesichert werden.Das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz zielt dabei auf Händler- und Werkstattverträge (soweit diese gesondert abgeschlossen werden auch auf Ersatzteillieferverträge) im Kraftfahrzeugsektor ab, die in der Regel vom Hersteller/Generalimporteur von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke als Standardvertrag zur Unterfertigung durch den Händler/Werkstattinhaber vorgelegt werden und durch die der Händler/Werkstattinhaber autorisiert wird, Neufahrzeuge einer bestimmten Marke - unter Nutzung dieser Marke - zu vertreiben, bzw. an Kraftfahrzeugen dieser Marke Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, insbesondere auch vom Hersteller/Generalimportzeur zu vergütende Garantie- und Gewährleistungsarbeiten vorzunehmen.


§ 1 KraSchG | 3. Version | 453 Aufrufe | 08.07.13
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Norbert Gugerbauer3
Zitiervorschlag: Norbert Gugerbauer3 in jusline.at, KraSchG, § 1, 08.07.2013
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