Kommentar zum Art. 1 § 39 AngG

Herbert Orlich am 26.03.2012

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1.  Inhalt: Das Dienstzeugnis hat die Tätigkeit des Dienstnehmers zu beschreiben. Es darf keine Angaben enthalten, die objektiv geeignet wären, dem Dienstnehmer die Stellensuche zu erschweren. Dieses Verbot umfaßt auch indirekte Angaben, Floskeln oder Andeutungen: OGH 08.03.2001, 8 ObA 217/00w, JBl 2001, 735 = DRdA 2002, 227. Als unzulässiger abwertender "Geheimcode" gilt etwa: "zur vollen Zufriedenheit": OGH 17.12.2008, 9 ObA 164/08w, ecolex 2009/127, 348 = RdW 2009/391, 426 = ZAS-Judikatur 2009/93, 226 = Arb 12.786 (Ausführlich zum Inhalt von Dienstzeugnissen).

Ohne Zustimmung des Dienstnehmers ist im Dienstzeugnis auch jeder Hinweis auf die Beendigungsart verboten: OLG Wien 26.11.2009, 10 Ra 85/09g, ARD 6036/5/2010.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist auch auf die Förderung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Dienstverhältnisses gerichtet. Daraus können sich Pflichten zur Gestaltung des Dienstzeugnisses ergeben, die über den notwendigen Inhalt des § 39 AngG hinausgehen. Dabei kommt es auf den Effekt des Zeugnisses und auf die Erhaltung der Berufsqualifikation an: OGH 24.04.2003, 8 ObA 217/02y, DRdA 2004/25, 351; OGH 30.06.2005, 8 ObA 16/05v, ecolex 2005/408, 857 = RdW 2005/715, 632 (Rechtsanwaltsanwärter).

Literatur: Eypeltauer, Dienstzeugnis eines Rechtsanwaltsanwärters, RdW 2005/770, 700; Laimer/Behrus, OLG Wien zum erlaubten Inhalt und zur Fälligkeit des Dienstzeugnisses, RdW 2010/532, 521; Geiger, Dienstzeugnis - ist weniger wirklich besser als mehr?, taxlex 2012, 69.

2.  Nachteilige Telefonauskünfte über eine ehemalige Dienstgeberin sind ebenso verboten. Der Auskunftgeber haftet für den dadurch entstandenen Schaden: OGH 07.02.2008, 9 ObA 104/07w, ecolex 2008/244, 662 = RdW 2008/558, 600 = JBl 2008, 734 = Arb 12.736 = DRdA 2009/50, 523. Siehe dazu auch Gerhartl, Negative Auskünfte im Arbeitsrecht, RdW 2008/557, 596.

Literatur: Thomas, Mündliche Auskünfte über Ex-Arbeitnehmer, ecolex 2008, 942.

3.  Ein Verzicht auf das Dienstzeugnis nach Wegfall der "arbeitsvertragstypischen Drucksituation" ist wirksam: OGH 29.06.2005, 9 ObA 10/05v, JBl 2006, 58 = DRdA 2006/27, 299.

4.  Schadenersatzpflicht des Dienstgebers, der das Dienstzeugnis verspätet ausstellt und damit die Arbeitsplatzchancen des Dienstnehmers schmälert. Der Dienstnehmer braucht hier bloß den Anscheinsbeweis zu erbringen; der Dienstgeber muß dann beweisen, daß die Verspätung keine Auswirkungen auf die Arbeitsplatzchancen gehabt hat: OLG Wien 16.12.2009, 8 Ra 60/09s, ARD 6036/6/2010.

5.  Verfahrensrecht: Der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses ist kein vermögensrechtlicher Anspruch. Hat das Dienstverhältnis schon vor Konkurseröffnung geendet, so bleibt der Gemeinschuldner weiter passiv legitimiert. Die Konkurseröffnung unterbricht den Prozeß nicht. In Sonderfällen kann ausnahmsweise anderes gelten: OGH 06.06.2005, 9 ObA 118/04z, DRdA 2006/25, 290 (Verbindung mit Konkursforderung).

 


Art. 1 § 39 AngG | 1. Version | 1820 Aufrufe | 26.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Herbert Orlich
Zitiervorschlag: Herbert Orlich in jusline.at, AngG, § artikel1zu39, 26.03.2012
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