Das Amtsgericht Bonn hat am 18. Januar 2011 entschieden, dass ein durch eine Kartellabsprache geschädigtes Unternehmen keine Akteneinsicht in den Kronzeugenantrag der Kartellanten erhält (Az. 51 GS 53/09). Das deutsche Gericht bestätigt damit die Vorentscheidung des Bundeskartellamtes, dass Kronzeugenanträge besonders vertraulich zu behandeln seien.
Im Jahr 2008 wurden gegen einige Unternehmen wegen Preis- und Kapazitätsstilllegungsabsprachen Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 62 Mio. verhängt. In der Folge hatte ein ehemaliger Kunde der Kartellanten zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage Einsicht in die Verfahrensakten des Bundeskartellamts beantragt. Das Bundeskartellamt ist nach § 406 e der deutschen Strafprozessordnung grundsätzlich zur Gewährung von Akteneinsicht gegenüber den Verletzten verpflichtet, wollte aber zum Schutz seiner sogenannten Bonusregelung keine Einsicht die Kronzeugenunterlagen gewähren.
Das Amtsgericht Bonn hatte die Sache vor seiner Entscheidung zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt mit der Frage, ob Europarecht die Offenlegung von Bonusanträgen gegenüber den Geschädigten verbietet. Der EuGH hatte diese Frage verneint, aber entschieden, dass bei der gebotenen Abwägung neben den Interessen der Geschädigten auch das Interesse an einer effektiven Kartellrechtsverfolgung, für die eine Kronzeugenregelung anerkanntermaßen von Bedeutung ist, ins Gewicht fallen muss (EuGH, Urteil vom 14. Juni 2011, Rs. C-360/09). Das Amtsgericht Bonn entschied vor diesem Hintergrund, dass die Gefährdung der Aufdeckung und Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im konkreten Fall die Verweigerung der Akteneinsicht in die Bonusunterlagen rechtfertige, weil die Attraktivität der Bonusregelung wesentlich darunter leiden würde, wenn potentielle Bonusantragsteller mit einer Offenlegung ihrer freiwillig übergebenen Unterlagen gegenüber potentiell Geschädigten rechnen müssten. Einschlägig sei hier die „Gefährdung des Untersuchungszwecks“ im Sinne des § 406 e dStPO.
Diese Gesichtspunkte sind, insbesondere im Lichte der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, auch nach der österreichischen Rechtslage zu berücksichtigen.