TE Vfgh Erkenntnis 1986/10/13 B288/85

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Veröffentlicht am 13.10.1986
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art83 Abs2
DSt 1872 §5 Abs2
DSt 1872 §25 Abs1

Leitsatz

Disziplinarstatut 1872; dem §5 Abs2 entsprechende Zusammensetzung des Disziplinarrates der Sbg. RAK; keine Anwendung einer gesetzwidrigen Geschäftsordnung; Beschlußfassung des aus 9 Mitgliedern bestehenden Disziplinarrates in Anwesenheit des Vorsitzenden und von weiteren 6 der (10) geladenen Mitglieder - kein Widerspruch zu §25 Abs1; keine fehlerhafte Zusammensetzung des Disziplinarrates dadurch, daß über die Zahl der 9 Mitglieder hinaus zwei Ersatzmitglieder geladen waren; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung im Eigentumsrecht durch verurteilendes Erk. der OBDK; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Bei der Bundespolizeidirektion Sbg. war gegen den Bf. ein Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung nach §103 Abs2 KFG 1967 anhängig.

In einer auf Aufforderung der Bundespolizeidirektion Sbg. am 17. November 1982 abgegebenen Stellungnahme, in der der Bf. auf die wegen eines Fehlers der Behörde in Bezug auf den Tatzeitpunkt bereits eingetretene Verjährung hinweisen konnte, führte der Bf. folgendes aus:

"Um eine - noch bessere - Ausbildung der Organe der Behörde erster Instanz zu ermöglichen, erklärt sich der Beschuldigte hiermit unwiderruflich bereit, über Anforderung eine Spende von S 500,-

(Schilling fünfhundert) zu diesem Zwecke zu geben".

Wegen der Verwendung dieser Formulierung wurde der Bf. mit dem Erkenntnis des Disziplinarrates der Sbg. Rechtsanwaltskammer vom 2. Feber 1984 schuldig erkannt, "hiedurch die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigt" zu haben. Der Bf. wurde gemäß §12 Abs1 litb des Disziplinarstatutes (Gesetz vom 1. April 1872, RGBl. 40, betreffend die Handhabung der Disziplinargewalt über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter in der geltenden Fassung, im folgenden DSt) mit einer Geldbuße in der Höhe von 15000 S bestraft.

b) Der vom Bf. gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates erhobenen Berufung hat die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit dem Erkenntnis vom 18. Feber 1985 keine Folge gegeben. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß nicht erkennbar sei, wodurch der Beschuldigte in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sein sollte.

In der Sache selbst sei davon auszugehen, daß die inkriminierte Schreibweise des Beschuldigten feststehe. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die vom Disziplinarrat als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes angesehene Formulierung des Beschuldigten in seiner schriftlichen Stellungnahme an die Bundespolizeidirektion Sbg. eine unsachliche und beleidigende Schreibweise darstelle. Die OBDK sehe keine Veranlassung, die zutreffende Beurteilung des Disziplinarrates in Zweifel zu ziehen. Es sei klar, daß durch diese Schreibweise das gute Einvernehmen des Rechtsanwaltsstandes zu den Organen der Bundespolizei empfindlich beeinträchtigt worden sei. Daß der Beschuldigte mit seiner Schreibweise die Polizeibeamten verhöhnen habe wollen, ergebe sich schon daraus, daß er sogar in seiner verantwortlichen Äußerung im Disziplinarverfahren neuerlich diese herabsetzenden und verhöhnenden Wendungen gebraucht habe, indem er ausgeführt habe, daß "Dr. K. durchaus eine weitere Ausbildung vertragen könne, ob allerdings mit der von mir in Aussicht gestellten Spende von S 500,- das Auslangen gefunden werden kann, würde ich eher bezweifeln. Ich bin aber trotzdem nicht bereit, meine Spende zu erhöhen".

Bei der disziplinären Beurteilung dieser Schreibweise des Beschuldigten sei es nicht entscheidend gewesen, ob die gegen ihn vorgenommene Amtshandlung richtig oder verfehlt gewesen sei. Wohl sei der Beschuldigte auch in eigener Sache berechtigt, gemäß §9 Abs1 RAO alles zu seiner Verteidigung dienliche entsprechend vorzubringen. Keinesfalls dürfte sich der Beschuldigte als Rechtsanwalt aber einer derartigen Schreibweise bedienen, die als Beleidigung oder Verhöhnung von Amtsorganen aufgefaßt werden müsse. Wie die OBDK bereits wiederholt entschieden habe, habe sich der Rechtsanwalt als qualifizierter Jurist stets in Wort und Schrift einer sachlichen und juristischen Ausdrucksweise zu bedienen. Gerade in eigener Sache sei der Rechtsanwalt verpflichtet, selbst auf ein vermeintliches Fehlverhalten der Behörde mit sachlichen und juristischen Formulierungen zu antworten und Beleidigungen oder unnötige Angriffe zu unterlassen (vgl. §10 Abs2 RAO). Von einem Rechtsanwalt müsse einerseits wegen seiner hohen Bildung und andererseits wegen der Mittätigkeit in der Rechtspflege verlangt werden, sich gegenüber einer Behörde eines sachlichen und korrekten Tones zu bedienen (OBDK vom 5. November 1984, Bkd 74/84).

Es sei auch in der Sache selbst völlig unnötig und zur Erreichung des angestrebten Zieles nicht geeignet gewesen, in einer Stellungnahme in einem Verwaltungsstrafverfahren anzuführen, daß sich der Beschuldigte "unwiderruflich bereit erklärt, um eine - noch bessere Ausbildung der Organe der Behörden erster Instanz zu ermöglichen, über Anforderung eine Spende von S 500,- (in Worten Schilling fünfhundert) zu diesem Zweck zu geben". Aus dieser Formulierung ergebe sich deutlich die Tendenz der Verteidigung des Beschuldigten, in dem gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren die Polizeibehörde in ein schiefes Licht zu setzen und die Maßnahmen der Behörde ins Lächerliche zu ziehen. Wegen der unnötigen Gefährdung des wichtigen guten Einvernehmens zwischen der Rechtsanwaltschaft und der Polizeibehörde, erscheine auch die verhängte Disziplinarstrafe selbst durchaus angemessen.

3. Gegen das Erk. der OBDK vom 18. Feber 1985 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Darüber hinaus sei er wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Soweit der Bf. verfassungsrechtliche Bedenken gegen §2 DSt. geltend macht, wird auf die Ausführungen im Erk. B763/84 vom 29. September 1986 verwiesen.

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

2. a) Der Bf. bringt vor, daß die ersten beiden Sätze der Bestimmung des §6 Abs2 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Sbg. Rechtsanwaltskammer vom VfGH als gesetzwidrig aufgehoben worden seien (vgl. VfSlg. 9746/1983).

Dies scheine den Disziplinarrat aber nicht zu hindern, die gesetzwidrige Bestimmung der Geschäftsordnung weiterhin anzuwenden.

b) Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, daß der Disziplinarrat der Sbg. Rechtsanwaltskammer nach der im Zeitpunkt der Fällung der Entscheidung in Geltung gestandenen Geschäftsordnung aus 9 Mitgliedern (mit Einschluß des Präsidenten) und aus 4 Ersatzmitgliedern bestanden hat. Die Zusammensetzung entspricht der Bestimmung des §5 Abs2 DSt.

Der VfGH findet keinen Anhaltspunkt dafür, daß bei der Erlassung des erstinstanzlichen Erkenntnisses eine gesetzwidrige Geschäftsordnung angewendet wurde. Der Bf. ist demnach nicht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Soweit aber der Bf. mit seinen Behauptungen geltend macht, durch eine nicht dem Gesetz entsprechende Zusammensetzung des Disziplinarrates im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, ist zu bemerken, daß die Einladung zur Disziplinarverhandlung vom Vorsitzenden an 10 namentlich genannte Mitglieder (darunter zwei Ersatzmitglieder) gerichtet war und daß dem Bf. bei der Ladung zur Disziplinarverhandlung die Namen des Vorsitzenden und der 10 geladenen Mitglieder bekanntgegeben wurden. Bei der Disziplinarverhandlung waren der Vorsitzende und 6 der geladenen Mitglieder anwesend. Damit war der Bestimmung des §25 Abs1 DSt, wonach zur Fassung eines gültigen Beschlusses des Disziplinarrates die Anwesenheit des Präsidenten oder seines Stellvertreters und von wenigstens 4 Mitgliedern des Disziplinarrates notwendig ist, entsprochen.

Der Umstand, daß über die Zahl der 9 Mitglieder hinaus zwei Ersatzmitglieder zur Disziplinarverhandlung geladen waren, kann eine fehlerhafte, die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bewirkende Zusammensetzung des Disziplinarrates bei der Beschlußfassung nicht zur Folge haben.

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die vom Bf. behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes nur vorliegen, wenn die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Entgegen den Behauptungen des Bf. hat die bel. Beh. in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich dargelegt, nach welchen Erwägungen sie zur Auffassung gelangt ist, daß die vom Bf. verwendete Formulierung in einer in einem Verwaltungsstrafverfahren abgegebenen Stellungnahme als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu beurteilen ist und daß damit ein disziplinarrechtlich zu verfolgender Tatbestand vorliegt.

Daß die bel. Beh. bei ihrer an der verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des §2 DSt, vorzunehmenden Beurteilung so fehlerhaft vorgegangen wäre, daß diese Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, vermag der VfGH nicht zu erkennen.

Damit liegt die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nicht vor.

4. Im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte der Bf. nur verletzt worden sein, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung als Indiz für ein willkürliches Vorgehen der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist nach den vorherigen Ausführungen ausgeschlossen. Es ergibt sich weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ein Anhaltspunkt dafür, daß die bel. Beh. aus unsachlichen Gründen zur Verhängung der Disziplinarstrafe über den Bf. gekommen wäre.

Es liegt auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht vor.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B288.1985

Dokumentnummer

JFT_10138987_85B00288_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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