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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Art144 B-VG; Abweisung eines Antrages auf Widmungsbewilligung; keine Bedenken gegen den dem Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungsplan (Thal/Stmk.), insbesondere nicht gegen die getroffene Grenzziehung zwischen Bauland und Freiland, die im Hinblick auf die in §3 Stmk. ROG zum Ausdruck kommenden Planungsgrundsätze gerechtfertigt werden kann; kein gesetzwidriges oder willkürliches Überschreiten des Ermessensspielraumes bei Erlassen des Flächenwidmungsplanes durch die Gemeinde im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch eine Entscheidung im DevolutionswegSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bf. ist Eigentümer der Grundstücke .../3, .../4 und .../2 der KG Thal in der Stmk..
Mit einer Eingabe vom 12. August 1980 beantragte sie die Erteilung einer Widmungsbewilligung für die genannten Grundstücke zum Zweck der Verbauung mit drei Einfamilienhäusern. Da der Bürgermeister der Gemeinde Thal untätig blieb, stellte die Bf. mit Schriftsatz vom 28. März 1983 einen Devolutionsantrag, aufgrund dessen der Gemeinderat mit Bescheid vom 9. Juni 1983 das Widmungsansuchen abwies.
Der dagegen vorgebrachten Vorstellung gab die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 20. Dezember 1983 im wesentlichen mit der Begründung statt, daß über das Widmungsansuchen im vorliegenden Fall, in dem ein rechtskräftiger Flächenwidmungsplan der Gemeinde Thal noch nicht bestehe, eine örtliche mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen und daß überdies der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, weil der Widmungswerberin das Sachverständigengutachten, das den Bescheid inhaltlich trage, vor der Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.
Nach Einholung eines neuerlichen Gutachtens des Sachverständigen und einer am 7. Mai 1984 durchgeführten mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle, bei der die Bf. das Widmungsansuchen betreffend das Grundstück .../4 zurückzog, wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 4. November 1985 den Antrag auf Widmungsbewilligung als der im Flächenwidmungsplan erfolgten Widmung widersprechend ab.
Die Steiermärkische Landesregierung gab mit Bescheid vom 14. Jänner 1986 der dagegen eingebrachten Vorstellung keine Folge.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (wegen Rechtswidrigkeit des dem Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungsplans) sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheids beantragt.
Die bel. Beh. hat die Akten des gesamten Verfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige Beschwerde erwogen:
1. a) In der Beschwerde wird insbesondere die Rechts- und Verfassungswidrigkeit des dem Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungsplans behauptet. Weder im Flächenwidmungsplan noch in dem ihm zugrundeliegenden Gutachten des Raumplanungssachverständigen werde ausgeführt, warum auf den in Rede stehenden Grundstücken keine Siedlungsentwicklung mehr möglich sei, obwohl östlich der zur Widmung beantragten Grundstücke mehrere Gebäude stünden und westlich in der gleichen Fluchtlinie Gebäude errichtet seien. Das Gutachten des Raumplanungssachverständigen betone die Erholungsfunktion des Thalersees und setze als Ziel fest, daß westlich dieses Sees keine weitere Verbauung mehr erfolgen solle. Es werde aber nicht einmal eine Begründung versucht, warum die Erholungsfunktion des Thalersees durch die Festlegung des Bauverbots hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke beeinträchtigt *) würde. Es sei daher die im Flächenwidmungsplan gezogene Siedlungsgrenze willkürlich und unsachlich. In Wahrheit beabsichtige die Gemeinde die Grundstücke billig zu erwerben und lehne deshalb alle Anträge der Bf. ab.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen bestünden im Bereich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke wegen einer Hochspannungsleitung und einer Erdgasleitung Bauverbotsbereiche; die Hochspannungsleitung berühre jedoch das Grundstück .../3 überhaupt nicht, das andere Grundstück nur im südlichen Bereich; die Erdgasleitung bewirke nur eine Einschränkung der Bebaubarkeit.
b) Die bel. Beh. betonte in ihrer Gegenschrift, die ablehnende Haltung des Gemeinderats stütze sich insbesondere auf die im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegte Absicht der Freihaltung des westlich des Thalersees gelegenen, derzeit noch unverbauten Grünflächenbereiches im Nahbereich des Thalersees, wobei die Freihaltung dieser Talböden in einer überörtlichen Planung, im sog. "Projektsentwurf Thalersee" als notwendig postuliert worden sei.
c) Die in Rede stehenden Grundstücke liegen westlich des am Nordende des Thalersees gelegenen Bades, von diesem durch eine Landesstraße, ein als Wohngebiet gewidmetes Grundstück und einen Weg getrennt. Sie grenzen im Norden an ein mit einem Gasthaus bebautes Grundstück, im Osten an den genannten Weg (an dessen gegenüberliegender Seite ein als Wohngebiet gewidmetes Grundstück liegt); im Süden und Westen werden die in Rede stehenden Grundstücke durch als Freilandflächen gewidmete Liegenschaften begrenzt.
Die südliche der beiden Grundstücksflächen, für die nach der Einschränkung des Antrags die Widmungsbewilligung begehrt wird, wird durch eine Hochspannungsleitung und eine Erdgasleitung gequert.
d) Der VfGH hat keine Bedenken gegen die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des dem Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungsplans und sieht sich nicht veranlaßt, ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten. Wie die Landesregierung in der Gegenschrift - in Übereinstimmung mit den Verordnungsakten - richtig hervorgehoben hat, war es eines der Leitmotive der Flächenwidmungsplanung in diesem Bereich, die westlich des Thalersees gelegenen Grundstücke, die noch unverbaut sind, im Interesse der Sicherung und des Ausbaus der Erholungsfunktion des Thalersees von einer Verbauung freizuhalten. Diese Zielsetzung wurde schon in einer Studie des Instituts für Städtebau der Technischen Universität Graz sowie im örtlichen Entwicklungskonzept als wesentlich angesehen. Daß dieses Ziel unsachlich oder gesetzwidrig sei, kann im Ernst nicht behauptet werden.
Auch wenn es zutreffen sollte, daß - wie die Beschwerde vorbringt - die Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf den gegenständlichen Grundstücken keinen wesentlichen Eingriff in die Erholungsfunktion des Thalersees bringen würde, kann der VfGH der Gemeinde keinesfalls entgegentreten, wenn sie in ihrer Einschätzung der Sachlage im Rahmen des ihr bei der Flächenwidmungsplanung zukommenden Ermessensbereiches auch diese beiden, nicht im unmittelbarem Bereich des Thalersees gelegenen Grundstücke von einer Verbauung freihalten möchte.
Dazu kommt, daß über das südliche der beiden zur Widmung vorgeschlagenen Grundstücke eine Hochspannungsleitung verläuft, die die Bebaubarkeit doch wesentlich einschränkt.
Der VfGH verkennt nicht, daß auch eine andere Widmung der in Rede stehenden Grundstücke möglich und rechtmäßig gewesen sein könnte, und daß wohl auch eine Baulandwidmung für das nördliche der zur Verbauung vorgesehenen Grundstücke möglich gewesen wäre, zumal sich die angegebenen Gründe für die Freilandwidmung im besonderen auf das südliche der beiden Grundstücke beziehen. Dennoch kann der Gerichtshof nicht finden, daß die Gemeinde bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten (zB Erholungsfunktion des Gebiets, Landschaftsbild, Situierung der Grundstücke im Anschluß an unverbaute Liegenschaften) den ihr zukommenden Ermessensspielraum in gesetzwidriger oder willkürlicher Weise überschritten hätte. Denn auch die getroffene Grenzziehung zwischen Bauland und Freiland kann im Hinblick auf die in §3 Stmk. ROG zum Ausdruck kommenden Planungsgrundsätze sachlich gerechtfertigt werden.
2. In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, durch die Untätigkeit des Bürgermeisters sei die Bf. zur Stellung eines Devolutionsantrags genötigt gewesen und dadurch, daß aufgrund dieses Antrags der Gemeinderat in erster Instanz entschieden habe, sei ihr die Möglichkeit der Überprüfung des erstinstanzlichen Abspruchs innerhalb der Gemeinde genommen worden; eine solche Vorgangsweise verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Zu diesem Vorbringen genügt der Hinweis, daß die Vorgangsweise der Behörden in §73 Abs2 AVG ihre Deckung findet und verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung nicht bestehen.
3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
*) So im Original.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Widmungsbewilligung, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), Ermessen, Verwaltungsverfahren EntscheidungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B219.1986Dokumentnummer
JFT_10138985_86B00219_00