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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; zwangsweise Vorführung des Bf. zur Vernehmung vor die Bezirkshauptmannschaft - in §19 Abs3 AVG 1950 gedeckt; keine Verletzung im Recht auf persönliche FreiheitSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. W B, N, P-Straße ..., wurde mit Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 22. April 1986, Z SanRB-165-1986, in dem ihm zur Last gelegt wurde, eine Verwaltungsübertretung nach der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 9. Mai 1974, BGBl. 314, begangen zu haben, aufgefordert, zur Vernehmung persönlich in das Amt zu kommen. Die Aufforderung erging mittels eines Formulars, auf dem folgender Satz deutlich angekreuzt war: "Es ist notwendig, daß Sie zur Vernehmung persönlich in unser Amt kommen." Als Datum der Vernehmung war der 30. April 1986, 10.00 Uhr, angegeben. Für den Fall des unentschuldigten Nichterscheinens war die zwangsweise Vorführung angedroht.
Am 7. Mai 1986 wurde W B zwangsweise durch Organe der Bundesgendarmerie der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zur Vernehmung vorgeführt, wobei ihm ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 30. April 1986 übergeben wurde, wonach seine zwangsweise Vorführung vor die Behörde verfügt wurde.
2. Mit Schreiben vom 30. April 1986 bestritt der bevollmächtigte Vertreter des W B bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land die diesem zur Last gelegte Tat und ersuchte, den gesamten Verwaltungsstrafakt im Wege der Rechtshilfe der zuständigen Rechtshilfebehörde in Wien mit dem Auftrag zuzustellen, ihm Akteneinsicht zu gewähren und ihm die Möglichkeit zu geben, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Das Magistratische Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk der Gemeinde Wien gewährte dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 5. Mai 1986 Akteneinsicht.
3. Mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde des W B an den VfGH, wird der Antrag gestellt festzustellen, daß seine am 7. Mai 1986 erfolgte Vorführung vor die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land verfassungswidrig war.
4. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Weiters beantragte sie, dem Bf. den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen, welche vor dem Ende einer allenfalls anberaumten Verhandlung vor dem VfGH durch Überreichung einer schriftlichen Kostennote geltend gemacht würden.
II. Der VfGH hat erwogen:
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch zwangsweise Vorführung vor eine Behörde.
1. Da alle Voraussetzungen für die Durchführung des beantragten verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach §4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, dürfen die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz Fällen eine Person in Verwahrung nehmen. Zu diesen gesetzlich bestimmten Fällen zählt auch - wie der VfGH im Erk. VfSlg. 8356/1978 ausgesprochen hat - der des §19 Abs3 AVG 1950.
3. Der Bf. ist ordnungsgemäß zur Vernehmung geladen worden. Durch Ankreuzen der betreffenden Stelle des Formulars war hinreichend deutlich gemacht, daß der Bf. persönlich vor der Behörde zu erscheinen hatte. Die zwangsweise Vorführung war, so der Bf. der Ladung unentschuldigt nicht Folge leisten sollte, in dem Formular ausdrücklich angedroht worden. Daß der Ladungsbescheid dem Bf. zugestellt wurde, bestreitet er nicht.
Die Vorführung des Bf. vor die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, die am 7. Mai 1986 erfolgte, ist daher durch §19 Abs3 AVG 1950 gedeckt. Der Bf. ist demnach durch die Vorführung vor die Behörde nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß der bevollmächtigte Vertreter des Bf. Akteneinsicht verlangte und ihm diese auch gewährt wurde.
Anhaltspunkte dafür, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, haben sich im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht ergeben.
Die Beschwerde war abzuweisen.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Ladung, Vorführung, Festnehmung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B473.1986Dokumentnummer
JFT_10138873_86B00473_00