TE Vfgh Erkenntnis 1986/11/28 V10/86, V11/86

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Veröffentlicht am 28.11.1986
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art18 Abs2
AutomatenV des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel v 03.05.83 GewO 1973 §52 Abs4

Beachte

Kundmachung am 17. März 1987, BGBl. 91/1987, Anlaßfälle B260/85 und B274/85, beide vom 10. Dezember 1986 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach Muster VfSlg. 10600/1985

Leitsatz

AutomatenV des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 3. Mai 1983; "Bundeshandelsakademie und -handelsschule" in §1 der Verordnung vom Schultyp her von mündigen Mj. besucht; abstrakte Möglichkeit, daß die Schule von unmündigen Mj. besucht werden könnte, nicht ausreichend; zu weiter Untersagungsbereich in der Z2 der Verordnung (Hinweis auf VfSlg. 10594/1985); "Postamt" in Z3 der Verordnung kein Ort, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Mj. besucht wird; keine Deckung der festgesetzten Untersagungsbereiche in §52 Abs4 GewO; Aufhebung der Verordnungsstellen als gesetzwidrig

Spruch

I. Die Worte ", Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg)" in der Z1, die Worte "sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen" in der Z2 und das Wort ", Postamt" in der Z3 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 3. Mai 1983, mit welcher, gestützt auf §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619, die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die zur Selbstbedienung durch Kunden bestimmt sind und zum Verkauf von Kaugummi, Schokolade, Zuckerwaren und anderen Süßigkeiten sowie von Kleinspielwaren dienen, untersagt wird, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Beim VfGH ist zu B260/85 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 1. Feber 1985 richtet. Mit diesem Bescheid wurde ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 19. November 1984 bestätigt, mit dem die Bf. wegen Verwaltungsübertretungen nach §367 Z15 iVm. §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619 (künftig: GewO), iVm. der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 3. Mai 1983 (künftig: AutomatenV) mit Geldstrafen, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arreststrafen, bestraft wurde.

1.2. Beim VfGH ist weiters zu B274/85 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 1. Feber 1985 richtet. Mit diesem Bescheid wurde eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. Juli 1984 als unbegründet abgewiesen, mit welchem der Bf. wegen Verwaltungsübertretungen nach §367 Z15 iVm. §52 Abs4 GewO und der AutomatenV mit Geldstrafen, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arreststrafen, bestraft wurde.

2.1. Der VfGH hat aus Anlaß der Beschwerde B260/85 beschlossen, die Worte ", Postamt" in der Z3 und die Worte "sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen" in der Z2 (V10/86), und aus Anlaß der Beschwerde B274/85 beschlossen, (ebenfalls) die Worte "sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen" in der Z2, sowie weiters die Worte ", Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg)" in der Z1 (V11/86) der AutomatenV von Amts wegen zu prüfen.

2.2. Z1, 2 und 3 der in Frage stehenden Verordnung samt Einleitungssatz - die in Prüfung gezogenen Stellen sind hervorgehoben - lauten:

"Zum Zwecke des Schutzes von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die zur Selbstbedienung durch Kunden bestimmt sind und zum Verkauf von Kaugummi, Schokolade, Zuckerwaren und anderen Süßigkeiten sowie von Kleinspielwaren dienen, im Gebiet der Stadtgemeinde Kitzbühel untersagt wie folgt:

1. In einem Umkreis von 200 m der nachstehenden Schulgebäude:

Volksschule (Schulgasse/Klostergasse), Hauptschule und Polytechnischer Lehrgang (Traunsteinerweg), Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg), Kaufm. Berufsschule (Wagnerstraße).

2. Bei folgenden Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen:

a) Hauptbahnhof, ÖBB-Haltestellen Hahnenkamm und Schwarzsee

b) Bushaltestellen: Im Gries, Hahnenkammparkplatz, Feuerwehrplatz, Vorderstadt, städt. Bauhof, Felseneck, Siedlung Frieden, Gasthof Eisenbad, Siedlung Badhaus, Staudach, Gundhabing

c) Talstationen der Hahnenkammbahn und Hornbahn sowie der Sesselbahnen Bichlalm und Streifalm I

3. Auf nachstehenden Plätzen und Räumen sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen:

Städt. Schwarzseebad und Schwarzseebad Seebichl, Campingplatz, Sportplatz Langau, städt. Kunsteisbahn, Tennisstadion, Postamt, Jugendraum (Hornweg)."

2.3. Die AutomatenV stützt sich auf §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981, der lautet:

"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume untersagen."

2.4. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die AutomatenV wie folgt umschrieben:

2.4.1. Gegen die Worte ", Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg)" in der Z1 (V11/86):

"Mit den in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen werden Verbotszonen im Umkreis von 200 m von der Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg) und von Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des §52 Abs4 Z2 GewO verfügt. Der VfGH hegt nunmehr zunächst das Bedenken, daß die Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg) nicht von unmündigen, sondern von mündigen Minderjährigen besucht wird, sodaß schon aus diesem Grunde eine Verbotszone, die an diesen Schultyp anknüpft, mit §52 Abs4 Z1 GewO im Widerspruch zu stehen scheint. Es dürfte sich auch nicht um einen Platz im Sinne der Z4 leg. cit. handeln, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht wird."

2.4.2. Gegen die Worte "sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen" in der Z2 (V10/86 und V11/86):

"In der Z2 der in Prüfung gezogenen Verordnung wird eine Verbotszone im Umkreis von 200 m von Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des §52 Abs4 Z2 GewO verfügt. Diese Anordnung scheint mit §52 Abs4 GewO im Widerspruch zu stehen, weil die Festlegung eines 'näheren Umkreises' als Verbotszone nur nach den Z1 und 5 des §52 Abs4 GewO, also für Schulen und Plätze, die von unmündigen Minderjährigen frequentiert werden, vorgesehen ist, nicht aber nach dessen Z2 und 3, die Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen betreffen und ein Verbot, Automaten aufzustellen, lediglich in unmittelbarer Nähe der Haltestellen erlauben (vgl. VfSlg. 10594/1985)."

2.4.3. Gegen das Wort ", Postamt" in der Z3 (V10/86):

"Der VfGH hat aber auch das weitere Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verbotszone im Bereich des Postamtes den Z4 und 5 und dem Einleitungssatz des Abs4 des §52 GewO widerspricht. Dem VfGH ist nicht einsichtig, daß es sich bei einem Postamt um einen Platz handelt, der von unmündigen Minderjährigen erfahrungsgemäß viel besucht wird.

Der VfGH hegt daher das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen mit Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes belastet sind."

3.1. Der Bundesminister für Handel Gewerbe und Industrie hat folgende Äußerungen erstattet:

3.1.1. Im Verfahren V10/86:

"...

Dieses Bedenken" - 200 m entsprechen nicht dem Wort 'bei' - "gegen die Worte 'sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen' in der Z2 der in Rede stehenden Verordnung wird vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie unter Berücksichtigung der Ausführungen des VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 10594/1985, geteilt. Nach diesem Erkenntnis kann bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden, daß sich ein Automat 'bei einer Haltestelle' befindet, also noch eine unmittelbare Nähe der Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs gegeben wäre. Eine größere Distanz könnte nach Ansicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie wohl nur dann durch die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 GewO 1973 gedeckt sein, wenn auf Grund der Besonderheiten der konkreten Situation eine unmittelbare Nähe auch noch über diese Distanz hinaus als gegeben anzunehmen ist. Mangels konkreter Kenntnis der Situation an Ort und Stelle möchte sich das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie allerdings eines abschließenden Urteils über die Frage enthalten, ob eine Distanz von 200 m in der Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 Deckung finden kann.

2. Weiters hat der VfGH auch das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verbotszone im Bereich des Postamtes den Z4 und 5 und dem Einleitungssatz des §52 Abs4 GewO 1973 widerspricht. Dem VfGH sei nicht einsichtig, daß es sich bei einem Postamt um einen Platz handelt, der von unmündigen Minderjährigen erfahrungsgemäß viel besucht wird.

Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie kann auf Grund seines Wissensstandes dieser Erwägung des VfGH nicht entgegentreten. Allerdings muß im Hinblick auf das Wort 'erfahrungsgemäß' davon ausgegangen werden, daß es nicht darauf ankommt, ob Postämter an sich viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, sondern ob das in der Verordnung bezeichnete konkrete Postamt ein Platz ist, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht wird. Mangels konkreter Kenntnis der Gegebenheiten an Ort und Stelle kann das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie die Frage, ob das in Rede stehende Verbot im §52 Abs4 GewO 1973 Deckung findet, nicht beurteilen.

3. Im Hinblick auf die Ausführungen unter Z1 und 2 sieht das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie im vorliegenden Verfahren von einer konkreten Antragstellung ab."

3.1.2. Im Verfahren V11/86:

"Was die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 Z1 Gewerbeordnung 1973 anlangt, so ist das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie der Ansicht, daß diese Gesetzesstelle auf eine Handelsakademie und eine Handelsschule zutrifft. Denn nach dieser Gesetzesstelle kommt es darauf an, daß es um eine Schule geht, 'die von unmündigen Minderjährigen besucht wird'. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß der erste Jahrgang solcher Schulen noch von Schülern besucht wird, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben.

Unter dem Gesichtspunkt der Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 Z4 Gewerbeordnung 1973 erscheint es nach Ansicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie ebenfalls als nicht ausgeschlossen, daß die in Rede stehende Schule viel von unmündigen Minderjährigen besucht wird. Nach dieser Gesetzesstelle muß es sich um einen Platz handeln, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht wird. Es wird also nicht darauf ankommen, ob Handelsakademien und Handelsschulen an sich viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, sondern darauf, ob die konkrete Handelsakademie und Handelsschule ein Platz ist, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht wird. So erscheint es durchaus möglich, daß bestimmte Einrichtungen dieser Schule auch für Zwecke zur Verfügung stehen können, die zu einem häufigen Besuch von unmündigen Minderjährigen führt. Mangels konkreter Kenntnis der Gegebenheiten an Ort und Stelle kann aber das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie nicht beurteilen, ob das in Rede stehende Verbot im Gesetz Deckung findet.

2. Weiters hat der VfGH das Bedenken, daß die Festlegung einer Verbotszone in einem Umkreis von 200 m von Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs §52 Abs4 Gewerbeordnung 1973 widerspricht, weil die Festlegung eines 'näheren Umkreises' als Verbotszone nur nach den Z1 und 5 des §52 Abs4 Gewerbeordnung 1973, also für Schulen und Plätze, die von unmündigen Minderjährigen frequentiert werden, vorgesehen ist, nicht aber nach dessen Z2 und 3, die Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen betreffen und ein Verbot, Automaten aufzustellen, lediglich in unmittelbarer Nähe der Haltestellen erlauben (vgl. VfSlg. 10594/1985). Diese Bedenken gegen die Worte 'sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen' in der Z2 der in Rede stehenden Verordnung werden vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie unter Berücksichtigung der Ausführungen des VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 10594/1985, geteilt. Nach diesem Erkenntnis kann bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden, daß sich ein Automat 'bei einer Haltestelle' befindet, also noch eine unmittelbare Nähe der Haltestelle gegeben wäre. Eine größere Distanz könnte nach Ansicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie wohl nur dann durch die Verordnungsermächtigung gedeckt sein, wenn auf Grund der Besonderheiten der konkreten Situation eine unmittelbare Nähe auch noch über diese Distanz hinaus als gegeben anzunehmen ist. Mangels konkreter Kenntnis der Situation an Ort und Stelle möchte sich das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie allerdings eines abschließenden Urteils über die Frage enthalten, ob eine Distanz von 200 m in der Verordnungsermächtigung Deckung finden kann.

3. Schließlich äußert der VfGH das Bedenken, die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen widersprechen auch dem Einleitungssatz des §52 Abs4 Gewerbeordnung 1973, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden dürfe, soweit es für die im Gesetz genannten Zielsetzungen 'erforderlich' sei (vgl. VfGH-Erkenntnis vom 16. 6. 1984, GZ B410/83). Es sei nämlich nicht einsichtig, daß hinsichtlich der in Prüfung gezogenen Verbotsbereiche ein solches Erfordernis bestehe.

Es mag sein, daß die in Prüfung gezogenen Worte der in Rede stehenden Verordnung Verbote bewirken, die im Hinblick auf die Eigenart der Schule oder die Größe des Verbotsbereichs nicht erforderlich im Sinne des §52 Abs4 Einleitung Gewerbeordnung 1973 sind. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen unter Punkt 1 und 2 hingewiesen werden. Daß die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel im Hinblick auf die im Gesetz genannten Zielsetzungen grundsätzlich erforderlich ist, erscheint aus der Sicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie durchaus plausibel, da erfahrungsgemäß einschlägige Automaten in der Nähe von Schulen, Haltestellen usw. aufgestellt werden. Soll daher ein Schutz der unmündigen Minderjährigen vor unnötigen Geldausgaben bewirkt werden, so erscheint es erforderlich, durch Verhängung eines entsprechenden Verbots einer sonst zu erwartenden Aufstellung einschlägiger Automaten an diesen Orten entgegenzutreten. In diesem Sinne erscheinen solche Verbote jedenfalls als erforderlich, da ansonsten der vom Gesetz angestrebte Schutz wohl nicht erreicht werden könnte. In diesem Sinn war auch nach Ansicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie das Erkenntnis des VfGH vom 16. Juni 1984, GZ B410/83, zu verstehen.

4. Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie beantragt daher, daß die in Prüfung gezogenen Worte der in Rede stehenden Verordnung nicht allein wegen der in Punkt 3 behandelten Bedenken des VfGH aufgehoben werden."

3.2. Der Bürgermeister von Kitzbühel teilte in beiden Verfahren lediglich mit, daß die Erlassung der Verordnung im Einvernehmen mit der Gewerbeabteilung des Amtes der Tir. Landesregierung erfolgte, die die Verordnung auch im aufsichtsbehördlichen Verfahren genehmigt habe. Eine weitere schriftliche Äußerung zum Gegenstand erübrige sich.

4. Der VfGH hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

5. Es wurde erwogen:

5.1. Die Verfahren sind zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Stellen der Verordnung in den jeweils eingeleiteten Verfahren zweifeln ließe.

5.2. In der Sache selbst:

5.2.1. Die Bedenken gegen die Worte ", Bundeshandelsakademie und -handelsschule (Traunsteinerweg)" (V11/86) erweisen sich als begründet:

Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie entgegnet einerseits, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß der erste Jahrgang der Schule von Schülern besucht wird, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; andererseits, daß es durchaus möglich sei, daß bestimmte Einrichtungen der Schule auch für Zwecke zur Verfügung stehen, die zu einem häufigen Besuch von unmündigen Mj. führen. Mangels Ortskenntnis könne der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie jedoch nicht beurteilen, ob das Verbot im Gesetz Deckung finde. Der Bürgermeister hat sich zu den Bedenken nicht geäußert.

Der erste Einwand ist schon aus folgendem Grund ungeeignet, die Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle gesetzwidrig ist, zu zerstreuen: Die genannte Schule wird vom Schultyp her von mündigen Mj. besucht. Nach §52 Abs4 Z1 GewO ("... Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden") genügt nicht die abstrakte Möglichkeit, daß die Schule auch (in Ausnahmefällen: die Kinder müßten schon mit 5 Jahren in die Volksschule eingetreten sein) von unmündigen Mj. besucht werden könnte. Vielmehr verlangt diese Gesetzesstelle, daß die Schule tatsächlich von unmündigen Mj. besucht wird. Das ist jedoch nicht hervorgekommen. Dies ist auch der Grund, warum der zweite Einwand ebenfalls nicht zum Tragen kommt: Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, daß die Schule außerhalb der Unterrichtsstunden einem Zweck dient, der dazu führt, daß sie zu einem Gebäude würde, das den Z4 und 5 des §52 Abs4 GewO unterliegt. Die in Prüfung gezogenen Worte können daher auch nicht auf diese Gesetzesstelle gestützt werden.

5.2.2. Auch die in beiden Verfahren geäußerten Bedenken gegen die Worte "sowie in einem Umkreis von 200 m von diesen" in der Z2 der AutomatenV erweisen sich als begründet:

Der Sache nach hat der VfGH gegen die Worte in der Z2 dieser AutomatenV dieselben Bedenken geäußert, die ihn im Fall VfSlg. 10594/1985 zur Aufhebung der dort geprüften Verordnung bewogen haben. In diesem Erkenntnis hat der VfGH zur Frage, was unter "bei" einer Haltestelle verfassungskonform zu verstehen ist, folgendes geäußert:

"Der VfGH verschließt sich auch nicht der Überlegung des Bürgermeisters, daß die konkreten Umstände dafür maßgeblich sind, ob ein Untersagungsbereich weiter oder enger zu ziehen ist. Der VfGH ist jedoch der Meinung, daß für Haltestellen im Ortsbereich die Festlegung eines Umkreises von 300 m im Gesetz keinesfalls Deckung findet; das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, da bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß sich ein Warenautomat 'bei einer Haltestelle' befindet."

Der VfGH sieht keinen Anlaß, von dieser Auslegung des §52 Abs4 GewO abzugehen. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat lediglich darauf verwiesen, daß bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine größere Distanz als 50 m im Umkreis von Haltestellen zu rechtfertigen wäre, konnte aber keine Umstände aufzeigen, warum im konkreten Fall die Festlegung eines Umkreises von 200 m gerechtfertigt sein sollte. Die Verordnungsstelle ist daher - da sie ohne erkennbare Grunde über die Distanz von 50 m hinausgeht durch die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 GewO nicht gedeckt.

5.2.3. Auch die Bedenken des VfGH gegen das Wort ", Postamt" in der Z3 der AutomatenV (V10/86) sind begründet:

Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was darauf hinweisen würde, daß das Postamt von Kitzbühel ein Ort ist, der erfahrungsgemäß viel von unmündigen Mj. besucht wird. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie tritt der Erwägung des VfGH nicht entgegen und kann diese Frage mangels konkreter Ortskenntnis nicht beurteilen. Der Bürgermeister von Kitzbühel hat nichts vorgebracht, was die Gesetzmäßigkeit der geprüften Verordnungsstelle begründen würde.

Daraus ergibt sich, daß die aufgeworfenen Bedenken zutreffen und die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen nicht dem Gesetz entsprechen.

6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Gewerberecht, Automaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V10.1986

Dokumentnummer

JFT_10138872_86V00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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