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50 GewerberechtNorm
AutomatenV des Bürgermeisters der Stadt Bregenz vom 28.06.83Beachte
Kundmachung am 13. Feber 1987, BGBl. 62/1987, Anlaßfall B249/86 vom 28. November 1986 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Muster VfSlg. 10600/1985Leitsatz
AutomatenV des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 28. Juni 1983; keine Deckung des (weiten) Untersagungsbereiches des §1 Z1 der Verordnung in §52 Abs4 GewO; Aufhebung dieser Verordnungsbestimmung als gesetzwidrigSpruch
I. Die Z1 des §1 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 28. Juni 1983, mit welcher aufgrund des §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981 die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Mj. ausgerichtet sind, untersagt wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Beim VfGH ist zu B249/86 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vbg. vom 30. Jänner 1986 richtet. Mit diesem Bescheid wurde der Bf. wegen der Verwaltungsübertretung nach §367 Z15 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619 (künftig: GewO), iVm. §1 Z1 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 28. Juni 1983 (künftig: AutomatenV) mit einer Geldstrafe von 1000 S im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Arreststrafe von 2 Tagen bestraft.
2.1. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, die Z1 des §1 der AutomatenV von Amts wegen zu prüfen.
2.2. Der Einleitungssatz des §1 und die in Prüfung gezogene Z1 (diese ist hervorgehoben) der in Frage stehenden Verordnung lauten:
"§1
Zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Süßwaren- oder Kaugummiautomaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährigen ausgerichtet sind, für das Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Bregenz an folgenden öffentlich zugänglichen Orten untersagt:
1. Im Umkreis von 300 Metern der Volksschule Stadt, der Volksschule Augasse, der Volksschule Rieden und der Volksschule Schendlingen sowie der Hauptschulen Bregenz - Stadt, Bregenz - Rieden und Bregenz - Vorkloster, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden. Die Entfernung ist bei einem eingefriedeten Schulareal von den straßenseitigen Zugängen zu diesem Areal, ansonsten von den Eingängen des Schulgebäudes zu messen.
2. ..."
2.3. Die in Prüfung gezogene Regelung stützt sich auf §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619, der lautet:
"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,
1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,
2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,
3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,
4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder
5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume
untersagen."
2.4. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die AutomatenV wie folgt umschrieben:
"Mit der in Prüfung gezogenen Regelung wird eine Verbotszone im Umkreis von 300 m von Volks- und Hauptschulen verfügt. Der VfGH hat das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Z1 des §1 der Verordnung dem Einleitungssatz des Abs4 des §52 GewO widerspricht, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden darf, soweit dies für die im Gesetz genannten Zielsetzungen 'erforderlich' ist (vgl. hiezu VfSlg. 10050/1984). Es ist nicht einsichtig, daß ein solches Erfordernis im Umkreis von 300 m von Volks- und Hauptschulen gegeben ist.
Die Regelung dürfte dem Gesetz auch insofern widersprechen, als bei der verfügten Verbotszone nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß sie den 'näheren Umkreis' im Sinn des §52 Abs4 Z1 GewO betrifft (vgl. dazu VfSlg. 10594/1985). Der VfGH hegt daher das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Regelung mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht in Einklang zu bringen ist. Die Z1 des §1 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 28. Juni 1983 scheint daher mit Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes belastet zu sein."
3. Das Verfahren ist zulässig.
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Stelle der Verordnung zweifeln ließe.
4. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie und der Bürgermeister von Bregenz haben im Verfahren eine Äußerung erstattet. Der Bürgermeister von Bregenz hat weiters den Verordnungsakt vorgelegt.
Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie nimmt zu dem Bedenken des VfGH wie folgt Stellung:
"...
Zu dem Bedenken, der festgelegte Umkreis von 300 m entspreche nicht dem 'näheren Umkreis' iS des §52 Abs4 Z1 GewO 1973, sowie zu dem Bedenken, daß der festgelegte Umkreis dem Einleitungssatz des Abs4 des §52 GewO 1973 widerspreche, ist zu bemerken, daß das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie keine Kenntnis der von der Verordnung betroffenen Örtlichkeiten in der Stadt Bregenz hat. Es kann daher nicht ausschließen, daß allfällige besondere örtliche Verhältnisse einen weiteren Umkreis erforderlich machen als jenen (200 m), der im Erkenntnis des VfGH vom 2. Oktober 1985, V36/84, für zulässig erachtet wird. Aus diesem Grund kann zu den diesbezüglich geäußerten Bedenken nicht Stellung genommen werden.
Im Hinblick auf das Vorgesagte sieht das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie im vorliegenden Verfahren von einer konkreten Antragstellung ab."
Der Bürgermeister von Bregenz tritt der Auffassung des VfGH nicht entgegen:
"...
Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 2. 10. 1985, V36/84-12, die Festlegung eines Umkreises von 300 m als Verbotsbereich für die Aufstellung eines Warenautomates bereits als in jedem Falle zu weitgehend erachtet und einen solchen von höchstens 200 m für zulässig erklärt.
Dieser Auffassung wird nicht entgegengetreten, zumal auch im Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Bregenz keine besonderen örtlichen Verhältnisse einen über 200 m hinausgehenden Verbotsbereich erforderlich machen."
5. Der VfGH hat in der Sache selbst erwogen:
Der Sache nach hat der VfGH gegen diese AutomatenV dieselben Bedenken geäußert, die ihn im Fall VfSlg. 10594/1985 zur Aufhebung der dort geprüften Verordnung bewogen haben. In diesem Erk. hat der VfGH zur Frage, was unter "näherem Umkreis" verfassungskonform zu verstehen ist, folgendes ausgeführt:
"Sicher wird an die Einschätzung einer Gemeinde, in welchem Ausmaß eine Untersagungsverordnung erforderlich ist, kein allzu strenger Maßstab anzulegen sein, solange die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß Kinder, um deren Schutz es dem Gesetzgeber geht, den Aufstellungsort eines Warenautomaten von den im Gesetz genannten Orten aus, an denen sie sich erfahrungsgemäß häufig aufhalten, leicht, also ohne besondere Mühe und ohne besonderen Zeitaufwand, (was einer Distanz von höchstens 200 m entspricht) erreichen können. Die Festlegung eines Umkreises von 300 m scheint dem VfGH in jedem Fa11 als zu weitgehend, da sich der Automat in einem solchen Fall nicht mehr in einer solchen Nahebeziehung zu den von Kindern am häufigsten frequentierten Plätzen befindet."
Der VfGH sieht keinen Anlaß, von dieser Auslegung des §52 Abs4 GewO abzugehen. Der Bürgermeister von Bregenz tritt der Auffassung des VfGH auch nicht entgegen und bemerkt, daß im Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Bregenz keine besonderen örtlichen Verhältnisse einen über 200 m hinausgehenden Verbotsbereich erforderlich machen.
Die Z1 des §1 der AutomatenV entspricht daher nicht dem Gesetz.
6. Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Gewerberecht, AutomatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:V75.1986Dokumentnummer
JFT_10138872_86V00075_00