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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1Leitsatz
ZDG; nachteilige Wertung des Umstandes, daß keine besonderen sozialen Aktivitäten nachgewiesen wurden; hier tragende Bedeutung dieser Begründungspassage; Verletzung des in §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks ZivildienstleistungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 6, vom 26. Juli 1985, Z 139.705/1-ZDK/6/85, wurde der von J R unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974 (ZDG), gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
1.2. Der dagegen von J R erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 4, vom 21. Feber 1986, Z 139.705/2-ZDOK/4/86, gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.
1.3.1. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des J R an den VfGH; der Bf. beruft sich darin auf die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
1.3.2. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Die geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung liegt nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; sie ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Zutreffen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (zB VfSlg. 8787/1980). In diesem Zusammenhang sprach der VfGH schon wiederholt aus, daß zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet insbesondere wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel zählen.
2.2.1. Der VfGH verweist hier auf seine Judikatur in Fällen, in denen die bel. Beh. die vom Antragsteller geltend gemachte Gewissensüberzeugung mit der Begründung, es seien "keinerlei Aktivitäten auf karitativem oder sonst humanitärem Gebiet" entfaltet worden, oder mit einer ähnlichen, in dieselbe Richtung zielenden Argumentation als nicht bescheinigt ansah (etwa VfSlg. 9243/1981 mit Bezugnahme auf 8865/1980; 10435/1985); ein derartiges Vorgehen der Zivildienstbehörde lehnte der Gerichtshof ab, weil auch Personen, die keine Neigung besitzen, ihre Auffassungen im Rahmen einer gleichgesinnten Personengemeinschaft oder öffentlichkeitsbezogen zu bekunden, eine den materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG entsprechende Einstellung haben können.
2.2.2. Nach dieser Judikatur, von der abzugehen der VfGH keinen Grund findet, muß es aber als krasser Verfahrensverstoß gewertet werden, wenn die bel. Beh. ihre abweisliche (Berufungs-)Entscheidung ua. wie folgt begründete:
"Die vorgebrachten Ansichten finden keinen Niederschlag im Leben des Berufungswerbers, der - sieht man von gelegentlichen geradezu selbstverständlichen Unterstützungen von Studienkollegen bei Lernschwierigkeiten ab - keinerlei soziale, humanitäre oder karitative Aktivitäten, auf die gemäß §6 Abs2 ZDG Bedacht zu nehmen wäre, aufweisen kann."
Zwar begnügte sich die ZDOK nicht mit dieser - die Frage der Glaubhaftmachung der Gewissensgründe mit dem festgestellten Fehlen besonderer sozialer Aktivitäten des Berufungswerbers unzulässig vermengenden - Begründung; sie stellte auch andere beweiswürdigende Überlegungen an, doch ist - wie die Entscheidungsgründe insgesamt zeigen - nicht zweifelhaft, daß die als unhaltbar erkannte Begründungspassage tragende Bedeutung besitzt.
2.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die bel. Beh. den Bf. - allein schon aus den zu Punkt 2.2. ersichtlichen Erwägungen - im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzte, sodaß der angefochtene Bescheid als verfassungswidrig aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das sonstige Beschwerdevorbringen weiter einzugehen.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B526.1986Dokumentnummer
JFT_10138872_86B00526_00