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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Tir. GVG 1983; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Erwerb des Hälfteanteiles an der Eigentumswohnung des (österr.) Ehegatten im Miteigentum durch die Ehegattin, die französische Staatsangehörige ist; denkunmögliche Auslegung des §4 Abs2 dahingehend, daß ein Untersagungsgrund vorliege, weil die Genehmigung nicht im öffentlichen Interesse liege sowie dahingehend, daß auf die Lagerung des Einzelfalles nicht Bedacht genommen zu werden braucht; denkunmögliche Annahme, daß ohne Hinzutreten besonderer Umstände der Rechtserwerb (an dem der Gesetzgeber ein "öffentliches Interesse bekundet hat") öffentlichen Interessen widersprichtSpruch
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird daher aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Kaufvertrag vom 21. Jänner 1982 erwarb Mag. M A 116/1400 Anteile der Liegenschaft EZ ... II KG Hötting, mit welchen Liegenschaftsanteilen das Wohnungseigentum an der im 2. Stock des Hauses ..., Innsbruck, gelegenen Wohnung Top Nr. I/7 untrennbar verbunden ist.
1.2. Die Bf. hat sich im Jahre 1983 mit Mag. M A verehelicht. Über Wunsch ihrer Eltern behielt sie vorläufig die französische Staatsbürgerschaft und - nach französischem Ehe- und Namensrecht - ihren bisherigen Familiennamen. Gemeinsamer Wohnsitz der Ehegatten ist die von Mag. M A angeschaffte Eigentumswohnung. Der Ehe entstammt ein im Jahre 1985 geborener Sohn. Dieser und der Ehegatte der Bf. sind österreichische Staatsangehörige. Mag. M A ist Mittelschullehrer, die Bf. ist Ordinationshilfe.
1.3. Mit Ehepakt vom 16. Dezember 1983 übertrug Mag. M A seiner Ehegattin die ideelle Hälfte der unter Punkt 1.1. näher bezeichneten Eigentumswohnung, zumal die Bf. finanzielle Beiträge zu deren Anschaffung geleistet hatte.
2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Innsbruck vom 20. Juni 1985 wurde dem beabsichtigten Rechtserwerb gemäß §4 Abs2 Tir. Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. 69 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.
2.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 21. Jänner 1986, Z LGv-1272/2-85, als unbegründet abgewiesen.
Der Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:
"Alleiniger, der Entscheidung zugrundeliegender Sachverhalt ist der,
daß eine ausländische Staatsangehörige eine in österreichischer Hand
befindliche Liegenschaft (Liegenschaftsanteile) in Innsbruck
erwirbt. ... Die jahrelange Erfahrung in der Handhabung des
Grundverkehrsgesetzes hat ... gezeigt, daß jede Genehmigung eines
ausländischen Grunderwerbes in einer Gemeinde zur Vervielfältigung
der Nachfrage nach Grundstücken und Wohnungen durch ausländische
Interessenten führt. Es darf nämlich nicht außer Betracht gelassen
werden, daß allein die Kenntnis, daß ein Ausländer Grundeigentum
erwerben konnte, zahlreiche ausländische Grundstücksinteressenten
vermuten läßt, die Genehmigung eines Grunderwerbes durch Ausländer
sei (wieder) möglich. Eine dadurch hervorgerufene Vervielfältigung
der Nachfrage ... würde aber zu einer Situation am Grundstücks- und
Baumarkt führen, die volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen
Interessen widerspricht. Das gegenständliche Verfahren ist sohin vor
allem im Hinblick auf die Folgewirkungen, die die Genehmigung mit
sich brächte, für die Intentionen des Grundverkehrsgesetzes im Sinne
des §4 Abs2 von Bedeutung. ... Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß
Liegenschaften und Eigentumswohnungen in Innsbruck, vor allem
verglichen mit den Preisen im benachbarten Deutschland und anderen
Nachbarländern, als relativ preisgünstig zu bezeichnen sind. Der
Erwerb derartiger Grundstücke stellt für Ausländer eine gute
Kapitalsanlage dar, insbesondere wenn man bedenkt, daß in der
Fremdenverkehrs- und Universitätsstadt Innsbruck eine gewinnbringende
Weitervermietung leicht möglich ist. ... Dies wiederum führt zur
Erhöhung des Preisniveaus am Grundstücks- und Baumarkt ... Diese
Umstände bringen es aber mit sich, daß es zum einen der heimischen
Bevölkerung erheblich erschwert wird, zu diesen gestiegenen Preisen
den lebensnotwendigen Wohnbedarf zu decken und es zum anderen immer
schwieriger wird, den in volkswirtschaftlicher Hinsicht notwendigen
Ausdehnungsraum für heimische Unternehmen zu bewahren. Damit führt
aber eine Genehmigung ... zu einer negativen Beeinflussung
volkswirtschaftlicher und staatspolitischer Interessen. ... Nunmehr
läuft das Berufungsvorbringen im Ergebnis darauf hin, daß es einer
mit einem österr. Staatsangehörigen verheirateten Ausländerin möglich
sein müßte, Liegenschaftsbesitz in Österreich zu erwerben, zumal
diese ohnehin die Absicht habe, im Laufe der nächsten Jahre die
österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. ... In diesem
Zusammenhang muß nochmals darauf verwiesen werden, daß eine
Zustimmung zu dem verfahrensgegenständlichen Rechtserwerb vornehmlich
vor dem Hintergrund der Beispielsfolgen nicht vertretbar
erscheint, ... weshalb auch ohne Belang bleiben muß, ob im Falle der
Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung die Aussicht
besteht, daß eine Wohnung - wieder - für den heimischen sozialen
Wohn- und Siedlungsmarkt frei wird. In Auslegung der Regelungen des
Grundverkehrsgesetzes ... kann nämlich die Zustimmung zum Erwerb
durch Ausländer nur dann erteilt werden, wenn hiefür wesentliche, im
öffentlichen Interesse gelegene Umstände vorliegen. ... Nach
Auffassung der Berufungsbehörde ist hiefür aber nicht zu erkennen, welche volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen das Land Tirol oder die Stadtgemeinde Innsbruck am (Mit-)Eigentumserwerb an einer Wohnung durch eine ausländische Staatsangehörige haben sollte, gleich wie auch der Umstand, daß der Ehegatte der Berufungswerberin Österreicher ist, jeden Zusammenhang mit einem derartigen Interesse entbehrt."
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde der C J, in der - der Sache nach - eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wegen denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die Beschwerde behauptet, daß die bel. Beh. das Gesetz denkunmöglich angewendet habe. Die Formulierung der Begründung des angefochtenen Bescheides erwecke den Eindruck, daß ein elektronisch gespeicherter abrufbarer Text verwendet wurde, der in anders gelagerten Fällen den von der bel. Beh. gewünschten Erfolg erbracht habe, im vorliegenden Fall jedoch in keiner Weise passe und als Folge zu einer Entscheidung geführt habe, die auf eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes hinauslaufe. Die Begründung des Bescheides könne bestenfalls beim Erwerb eines Grundstückes durch einen Ausländer zielführend sein; im vorliegenden Fall, bei dem es sich um die Schaffung gemeinsamen Wohnungseigentums durch Ehegatten handle, sei sie jedoch vollkommen fehl am Platz. Es widerspreche jeder Logik, unter den gegebenen Umständen auf eine gesteigerte Nachfrage seitens ausländischer Grundinteressenten zu schließen und zu folgern, daß durch die eintretenden Beispielsfolgen die gespannte Situation auf dem heimischen Bau- und Wohnungsmarkt verschärft würde. Ebenso verfehlt sei, von einer generalpräventiven Bedeutung zu sprechen, obwohl einem Inländer durch den beabsichtigten Rechtserwerb gar keine Wohnung vorenthalten werde. Der Abschluß des vorliegenden Ehepaktes und die damit verbundene Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums stehe staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen, kulturellen oder anderen Interessen, insbesondere an der sparsamen Verwertung der Bodenreserve ohne Zweifel nicht entgegen. Dazu komme, daß in anderen Bundesländern die Schaffung von Miteigentum zwischen Ehegatten, auch wenn einer von beiden Ausländer sei, nicht einmal der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.
3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die Beschwerde ist begründet:
Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9708/1983, 9720/1983) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht insbesondere auf §4 Abs2 GVG. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung wurden von der Bf. nicht geltend gemacht, solche sind im Gerichtshof aus Anlaß des Beschwerdefalles auch nicht entstanden (vgl. insbesondere auch VfSlg. 9014/1981). Eine Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte daher nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung vorliegen. Dies ist auch tatsächlich der Fall:
§4 Abs2 GVG besagt ausdrücklich, daß einem Grunderwerb durch Ausländer nur dann zuzustimmen ist, wenn der Erwerb den näher bezeichneten öffentlichen Interessen nicht widerspricht, und erlaubt daher der Grundverkehrsbehörde die Verweigerung der Zustimmung zu einem Rechtserwerb, wenn dieser in einem Widerspruch zu den rechtlich geschützten Interessen des Grundverkehrsrechtes steht. Die Behörde hat daher zu prüfen, ob unter den jeweils gegebenen Umständen ein Widerspruch zu staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen vorliegt. Demgegenüber geht der angefochtene Bescheid davon aus, daß in "Auslegung der Regelungen des Grundverkehrsgesetzes ... die Zustimmung zum Erwerb durch Ausländer nur dann erteilt werden (kann), wenn hiefür wesentliche, im öffentlichen Interesse gelegene Umstände vorliegen". Der VfGH hat bereits mit Erk. VfSlg. 10935/1986 ausgesprochen, daß §4 Abs2 GVG denkmöglich so nicht ausgelegt werden kann. Der angefochtene Bescheid enthält wohl auch Ausführungen, warum die bel. Beh.
vermeint, daß der vorliegende Rechtserwerb gegen §4 Abs2 GVG
verstoße, wendet das Gesetz jedoch auch insofern denkunmöglich an. Im
angefochtenen Bescheid wird das Vorliegen eines solchen Widerspruches
nämlich ausschließlich mit negativen Folgewirkungen, die aus der
Erteilung der Zustimmung für andere Fälle zu erwarten seien,
begründet: "... allein die Kenntnis, daß ein Ausländer Grundeigentum
erwerben konnte, (läßt) zahlreiche ausländische
Grundstücksinteressenten vermuten ..., die Genehmigung eines
Grunderwerbes durch Ausländer sei (wieder) möglich. Eine dadurch
hervorgerufene Vervielfältigung der Nachfrage ... würde aber zu einer
Situation am Grundstücks- und Baumarkt führen, die
volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen widerspricht."
Die bel. Beh. stützt die Verweigerung der Genehmigung des Rechtserwerbes demnach nicht auf Umstände, die den vorliegenden Rechtserwerb betreffen, sondern unterstellt §4 Abs2 GVG den Inhalt, daß auf die Lagerung des Einzelfalles überhaupt nicht Bedacht genommen zu werden braucht; dies ist aber mit dem Wortlaut der zitierten Bestimmung denkmöglich nicht vereinbar. Das mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbare Vorgehen der bel. Beh. wird umso deutlicher, als der in Frage stehende Rechtserwerb Ehegatten betrifft, und zum Ziel hat, daß die gemeinsam angeschaffte und gemeinsam bewohnte Eigentumswohnung zu gleichen Teilen in das gemeinsame Eigentum der Ehegatten fallen soll. Zu berücksichtigen ist, daß der Wohnungseigentums-Gesetzgeber, der Miteigentum an Eigentumswohnungen grundsätzlich nicht zuläßt, für Ehegatten eine solche (Ausnahme-)Regelung ausdrücklich vorsieht und damit ein besonderes öffentliches Interesse an dieser gesetzlichen Einrichtung bekundet. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die im Beschwerdefall von der bel. Beh. gar nicht behauptet, geschweige denn erwogen wurden, ist es denkunmöglich, davon auszugehen, daß der in Frage stehende Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen widerspricht (vgl. VfSlg. 10894/1986).
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
4.2. Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Schlagworte
AusländergrunderwerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B229.1986Dokumentnummer
JFT_10138872_86B00229_00