TE Vfgh Beschluss 2006/10/4 B1396/06

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Veröffentlicht am 04.10.2006
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1
VwGG §61
ZPO §464 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist; Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde vom 2. August 2006, die am 3. August 2006 beim Verfassungsgerichtshof einlangte, wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Mai 2006, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Antrag auf Asylgewährung abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §§7 und 8 AsylG 1997 abgewiesen worden ist.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. Mai 2006 zugestellt.

Der für den Beschwerdeführer einschreitende Rechtsanwalt führte zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde aus, dass

"mein Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe vom VwGH abschlägig behandelt und mir die Entscheidung hierüber am 22.6.2006 zugestellt worden ist, sodass die Frist zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde mit meiner Kenntnis der Verweigerung der Gewährung der Verfahrenshilfe neu zu laufen begonnen hat und die gegenständliche Beschwerde sohin rechtzeitig eingebracht ist."

Da beim Verfassungsgerichtshof kein entsprechender Antrag anhängig war, forderte der Gerichtshof den Beschwerdeführer zu näheren Angaben für die Beurteilung der Beschwerdezulässigkeit auf, woraufhin der Beschwerdeführer das oben erwähnte Zustelldatum bekannt gab und den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 2006, VH 2006/20/0126, vorlegte, mit dem sein (ebenfalls in Kopie beigelegter) Verfahrenshilfe-Antrag gegen den oben genannten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen wurde.

2. Die in diesem Vorbringen zum Ausdruck kommende

Rechtsansicht über den Lauf der Beschwerdefrist im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist verfehlt: Der den Lauf der Beschwerdefrist unterbrechende Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wurde für das (denselben Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates betreffende) Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellt. Es besteht jedoch keine Rechtsvorschrift, welche die gemäß §61 VwGG iVm §464 Abs3 ZPO eintretende Wirkung der Zustellung des den Verfahrenshilfe-Antrag

abweisenden Beschlusses auf den Fristenlauf im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über dieses Verfahren hinaus auf ein anderes Verfahren ausdehnt, insb. nicht in der anscheinend angenommenen Weise auf ein denselben Bescheid betreffendes Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl. VfSlg. 13.747/1994; 14.397/1995; 14.751/1997; VfGH 28.11.1997, B2733/97; 25.2.2002, B1709/01; 24.11.2003, B1472/03, 7.6.2006, B860/06).

3. Die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde vom 2. August 2006 erweist sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer (5. Mai 2006) zu berechnenden sechswöchigen Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG jedenfalls als verspätet und ist somit zurückzuweisen.

4. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, ist abzuweisen, weil nach Art144 Abs3 B-VG (und §87 Abs3 VfGG) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen ist, dass der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweist oder ihre Behandlung ablehnt, nicht aber für den Fall ihrer Zurückweisung.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis konnte auch eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entfallen.

II. 1. Mit dem nach Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes ergangenen Schriftsatz vom 18. August 2006, in dem der Beschwerdeführer das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides bekannt gab, stellte er gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründend führte er aus, dass er im "festen Glauben" war, nicht nur beim Verwaltungsgerichtshof, sondern auch beim Verfassungsgerichtshof Verfahrenshilfe beantragt zu haben. Dass in der Beschwerde zur Zulässigkeit auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wurde, erklärte der Beschwerdeführer damit, dass sein Rechtsvertreter ursprünglich eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde konzipiert hatte, die schließlich umgearbeitet wurde, wobei man die Abänderungen hinsichtlich der Angaben zur Zulässigkeit irrtümlich unterlassen habe.

Nach Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des Fristenlaufes habe der Beschwerdeführer eine telefonische Anfrage bei beiden Gerichtshöfen öffentlichen Rechts durchgeführt, die ergeben habe, dass unter dem Namen des Beschwerdeführers kein Verfahrenshilfe-Antrag eingebracht worden sei; erst die "Durchforstung" der eigenen Papiere habe den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 2006 zum Vorschein gebracht. Der Beschwerdeführer weist ferner auf seine mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache und lateinischen Schrift hin und führt unter Berufung auf den am Verfahrenshilfe-Antragsformular angebrachten Eingangsstempel, auf dem der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof genannt sind, aus:

"Vielleicht war ich auf Grund dieses Stempels - an den ich mich genau erinnern kann - der Ansicht, ich hätte auch einen Antrag auf Verfahrenshilfe beim VfGH gestellt.

Vielleicht habe ich sogar einen solchen Antrag gestellt und ich habe nur den entsprechenden Antrag und den Beschluss hierüber verloren und man findet den Akt nicht, auf Grund meines langen Namens, wie es zuerst ohne den Beschluss des VwGH zu VH 2006/20/0126-5 beim VwGH der Fall war."

Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 und §148 Abs2 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung gehindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. zB. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 11.157/1995; VfGH 4.3.2005, B731/04).

2. Im vorliegenden Fall kann von einem minderen Grad des Versehens jedoch nicht gesprochen werden: Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Terminen bedarf es eines Mindestmaßes an Sorgfalt sowie der Einrichtung einer möglichst effizienten Organisation, die geeignet ist, Fristversäumungen zu verhindern (vgl. zB. VfSlg. 14.929/1997).

Diesem Mindestmaß an Sorgfalt entspricht auch nicht, wenn der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer für ihn wichtige Unterlagen und Urkunden zum Nachweis der Zulässigkeit seiner Beschwerde nicht aufbewahrt und sich - trotz oder gerade wegen sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten - nicht vergewissert, bei welchem Gerichtshof er die Verfahrenshilfe beantragt bzw. ob er auch beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag eingebracht hat.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

III. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 litb und §33 zweiter Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Fristen, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B1396.2006

Dokumentnummer

JFT_09938996_06B01396_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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