TE Vfgh Erkenntnis 1986/11/29 B928/85

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Veröffentlicht am 29.11.1986
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

AVG §58 ff
ZivildienstG §2 Abs1

Leitsatz

ZDG; keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine Verletzung des in §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, insbesondere nicht durch verfahrensrechtliche Verstöße gravierender Natur

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDOK) wies mit Bescheid vom 24. September 1985 unter Bezugnahme auf §2 Abs1 und §6 Abs2 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 187/1974, idF der Nov. BGBl. 459/1984 (im folgenden: ZDG) den Antrag des Bf. ab, ihn zwecks Zivildienstleistung von der Wehrpflicht zu befreien. Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

"Im Vorbringen des Rechtsmittelwerbers findet sich zwar gewiß manches, was als die Behauptung eines schwerwiegenden Gewissensgrundes im Sinne des Gesetzes (§2 Abs1 ZDG) gewertet werden kann. Es ist ihm aber auch in der Berufungsverhandlung nicht gelungen, seiner gesetzlichen Glaubhaftmachungsverpflichtung (§6 Abs2 ZDG) Genüge zu tun.

Infolge der komplexen Natur der freien Beweiswürdigung (vgl. etwa VfGH B128/83 und B304/83) können zwar nicht alle Erwägungen, die den Senat zu dieser Ansicht geführt haben, im einzelnen dargelegt werden.

Von tragender Bedeutung war aber gewiß, daß der Berufungswerber insgesamt nicht wie ein junger Mann seines Ausbildungsstandes wirkte, der eine gefestigte innere Einstellung zum fraglichen Thema zum Ausdruck bringt, der also auf der Basis einer echten Gewissensüberzeugung die Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen grundsätzlich und vorbehaltslos ablehnt. Vielmehr wirkte er eher wie ein Student, der sich auf eine Prüfung vorbereitet hat und nunmehr den Prüfungsstoff reproduziert, ohne sich mit seinem Vorbringen im Innersten zu identifizieren. Von Bedeutung war in diesem Zusammenhang auch, daß er während des mit ihm geführten rund 50 minütigen Gespräches in der Summe seiner Ausdrucksbewegungen auf den Senat - der über reichhaltige Vergleichsmöglichkeiten verfügt - nicht überzeugend wirkte. ohne daß dies - siehe oben - detailliert bzw. aufgeschlossen werden könnte.

Zu diesen allgemeinen Beweiswürdigungserwägungen treten auch einige Details, die gleichfalls in die Richtung einer nicht ganz ernsthaften Befassung mit der Thematik sprachen. So fiel etwa auf, daß der Berufungswerber - obwohl ersucht, sämtliche Gewissensgründe zu nennen und mit den wichtigsten zu beginnen - den von ihm in der Verhandlung erster Instanz geäußerten Grundsatz, das menschliche Leben sei für ihn das höchste Gut, nicht einmal mehr erwähnte - was erfahrungsgemäß bei Grundüberzeugungen sehr selten vorkommt - und daß er, obwohl überzeugter Christ und mit dem kirchlichen Leben verbunden, über die Aussagen des Papstes und der österreichischen Bischofskonferenz zum gerechten Verteidigungskrieg mangels Information nichts zu sagen vermochte, was umsomehr Wunder nimmt, als von einem akademisch gebildeten Menschen wohl verlangt werden kann, sich vor einer schwerwiegenden Gewissensbildung mit dem Für und Wider in der betreffenden Sachfrage gründlich zu befassen.

Bei der Würdigung der Person und des Vorbringens des Antragstellers wurde mit in Rechnung gestellt, daß er in seiner Schule an der Vorbereitung eines Friedens-Work-Shops teilnahm und im Rahmen der katholischen Jugend an der Vorbereitung eines Festes, in dessen Rahmen auch Friedensfragen in den Vordergrund gestellt werden sollen, mitwirkte. Auch daß er an der seinerzeitigen Friedens-Vesper im Stephansdom teilnahm, daß er während der Gymnasialzeit sich als Schülervertreter für die Belange der Schüler einsetzte, er als Ministrant und Jungscharbetreuer tätig war, er gegenüber der Vertrauensperson - dem Diözesanjugendseelsorger von Eisenstadt - der Sache nach die gleichen Absichten äußerte, wie in der Berufungsverhandlung sowie daß der genannte Seelsorger den Eindruck gewann, die Überzeugung des Berufungswerbers sei in dessen Person fundiert und es habe insoweit seit der ersten Verhandlung eine Entwicklung und ein Reifeprozeß stattgefunden, wurde mitgewürdigt.

All dies war aber im Sinne eines spezifischen Zusammenhanges mit der vom Zivildienstgesetz geforderten inneren Einstellung nicht gewichtig genug, den in freier Würdigung unmittelbar gewonnenen Eindruck des Senates - siehe oben - entscheidend zu verändern.

Mangels der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Wehrdienstbefreiung mußte sonach der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben."

2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die vom Bf. geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung läge nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9732/1983) vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hätte, wenn ihr wesentliche verfahrensrechtliche Verstöße bezüglich der für den Nachweis dieser Voraussetzungen maßgebenden Vorgangsweise der Glaubhaftmachung unterlaufen wären oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hätte, das Zutreffen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

Der Bf. geht - zutreffend - davon aus, daß die bel. Beh. annahm, es liege ein tauglicher, dh. im Fall der Glaubhaftmachung zur Wehrpflichtbefreiung führender Gewissensgrund vor, und lastet ihr - unter Bezugnahme auf die dargestellte ständige Rechtsprechung - an, daß ihr wesentliche Verstöße im verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen seien. Diesen Vorwurf erhebt er jedoch nicht zu Recht.

Den Beschwerdevorwurf stützt der Bf. in erster Linie auf das Argument, daß die ZDOK - entgegen der aus dem AVG erfließenden Pflicht zur Bescheidbegründung - eine bloß eingeschränkte Begründungspflicht annehme. Hiebei geht er jedoch von einer unrichtigen Wertung einer - allerdings tatsächlich leicht mißzuverstehenden - Passage in der Bescheidbegründung aus ("... können zwar nicht alle Erwägungen, die den Senat zu dieser Ansicht geführt haben, im einzelnen dargelegt werden."), die sich - wie sowohl aus der unmittelbar anschließenden Würdigung der Parteiaussage des Bf. als auch aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf das hg. Erk. B128/83 (= VfSlg. 9785/1983) - hervorgeht - ausschließlich auf die spezifische Situation bei der Beurteilung von Angaben einer Person aufgrund des unmittelbaren Eindrucks bezieht, nicht aber auf die der Behörde obliegende Begründungspflicht insgesamt.

Wenn der Bf. der belangten Zivildienstbehörde weiters anlastet, sie habe einzelne Teile seines Vorbringens aneinandergereiht und nur scheinbar "mitgewürdigt" sowie - aktenwidrig - angenommen, er sei in der Verhandlung zur Nennung sämtlicher Gewissensgründe aufgefordert worden, so enthält dieses Vorbringen bloß den Vorwurf nicht in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensfehler; solche lägen - wie der Bf. im Ergebnis richtig erkennt - nämlich lediglich vor, wenn die ZDOK ihre Beweiswürdigung entgegen der Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens zuwider vorgenommen hätte. Wie die eingehende Bescheidbegründung zeigt, legte die Kommission jedoch schlüssig dar, weshalb sie im Hinblick auf die Art und Weise, in der die Parteiaussage abgelegt wurde, zur Auffassung gelangte, daß beim Bf. keine echte Gewissensüberzeugung in der von ihm behaupteten Richtung bestehe.

2. Im Beschwerdeverfahren kam schließlich weder die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervor.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegründung, Zivildienst

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B928.1985

Dokumentnummer

JFT_10138871_85B00928_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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