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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; Auflösung einer bereits mit rechtskräftigem Bescheid untersagten Versammlung sowie mündlich angeordnete Untersagung einer Versammlung, jeweils ohne vorangehendes Verfahren - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; Bf. als Veranstalter beschwerdelegitimiert VersammlungsG; zum Begriff einer Versammlung nach §4; abgehaltene Versammlung nicht iS des §2 Abs1 auf geladene Gäste beschränkt - die Personen hatten sich eingefunden, obgleich sie nicht persönlich und individuell zum Erscheinen geladen worden waren; in der Folge ausgegebene schriftliche Einladungen an die bereits Anwesenden - formelles Vorgehen, das die Versammlung nicht auf geladene Gäste beschränkt; zur Mißachtung der - hier vorliegenden - Anzeigepflicht nach §2 Abs1 müssen weitere Umstände hinzutreten, um eine Auflösung der Versammlung zu rechtfertigen - diese Umstände müssen so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in Art11 Abs2 MRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre; zur Beurteilung solcher Umstände; hier keine Gründe, die die (offenkundig ausschließlich wegen Verletzung der Anzeigepflicht verfügte) Versammlungsauflösung notwendig gemacht hätte - Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit; kein Eingriff in das Hausrecht; ebenfalls mangels Vorliegens von Gründen, die die Untersagung der geplanten Versammlung gerechtfertigt hätten (auch wenn die Anzeigepflicht verletzt worden wäre) Verletzung im Recht auf VersammlungsfreiheitSpruch
Der Bf. ist dadurch, daß
1. ein Beamter der Bundespolizeidirektion Wien am 12. Dezember 1985 um 20.45 Uhr die Auflösung einer vom Bf. in Wien 3, Landstraßer Gürtel ... veranstalteten Versammlung verfügte, und
2. ein Beamter derselben Behörde am 25. März 1986 um zirka 19.00 Uhr die Abhaltung einer am selben Ort geplanten Versammlung untersagte,
im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) In der zu B106/86 erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird behauptet, der Bf. habe am 12. Dezember 1985 abends in einem Lokal in Wien 3, Landstraßer Gürtel ... (über das er verfügungsberechtigt sei) eine Versammlung veranstaltet, die nur für geladene Gäste zugänglich gewesen sei. Diese Versammlung sei von einem Beamten der Bundespolizeidirektion Wien mit der Begründung aufgelöst worden, daß sie der Behörde nicht angezeigt worden sei. Der Bf. meint, daß eine Anzeigepflicht nicht bestanden habe.
b) In der zu B373/86 eingebrachten Verfassungsgerichtshofbeschwerde wird vorgebracht, ein Beamter der Bundespolizeidirektion Wien habe dem Bf. am 25. März 1986 abends untersagt, eine geplante Wählerversammlung durchzuführen.
c) Gegen diese als sog. faktische Amtshandlungen (Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG) gewerteten Maßnahmen wenden sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Versammlungsfreiheit und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrechtes behauptet und begehrt wird, diese Rechtsverletzungen kostenpflichtig festzustellen.
2. Die durch die Finanzprokuratur vertretene Bundespolizeidirektion Wien als bel. Beh. erstattete Gegenschriften. Die Behördenvertreter seien berechtigt gewesen, die Versammlung aufzulösen (B106/86) oder deren Abhaltung zu untersagen (B373/86). Das Versammlungsrecht sei daher nicht verletzt worden.
In das Hausrecht sei in beiden Fällen überhaupt nicht eingegriffen worden.
Die Behörde begehrt, die Beschwerden daher kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
II. 1. Der VfGH nimmt zur Beschwerde B106/86 (Versammlungsauflösung vom 12. Dezember 1985) aufgrund des vorgelegten Aktes der Bundespolizeidirektion Wien Z I-Pos 206/CLXXXI/85 res sowie der - in den hier wesentlichen Belangen einander nicht widersprechenden - Aussagen von damals einschreitenden Beamten der Bundespolizeidirektion Wien (nämlich von Rat Mag. G B, Oberleutnant S W und Bezirksinspektor M A) als Zeugen und des Bf. als Partei folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die Bundespolizeidirektion Wien hatte mit (rechtskräftig gewordenem) Bescheid vom 11. Dezember 1985 eine vom Bf. für den 12. Dezember 1985, um 19.00 Uhr in Wien 3., Landstraßer Gürtel ..., beabsichtigte Versammlung gemäß §13 Abs1 Versammlungsgesetz 1953 untersagt. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen, gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde gemäß §64 Abs2 AVG 1950 ausgeschlossen. Dieser Bescheid war damit begründet worden, daß die Behörde aus Druckwerken entnommen habe, es sei eine nicht auf geladene Gäste beschränkte Versammlung vorgesehen, deren Abhaltung dem §2 Abs1 Versammlungsgesetz 1953 (VersG) zuwider nicht angezeigt wurde. Derartige Versammlungen seien gemäß §13 Abs1 leg. cit. zu untersagen.
Der Bescheid wurde dem Bf. am 11. Dezember 1985 zugestellt.
Die Bundespolizeidirektion Wien überwachte ab dem Nachmittag des 12. Dezember 1985 das Haus Landstraßer Gürtel ..., um festzustellen, ob das Versammlungsverbot eingehalten werde. Um 17.00 Uhr stellten Kriminalbeamte fest, daß sich bereits einige Personen im Lokal eingefunden hatten. Diese und andere Personen begaben sich in der Folge in zwei nahe gelegene Gasthäuser, wo ihnen der Bf. persönlich Einladungen zu einer "Aktivistenbesprechung zur Vorbereitung der Bundespräsidentenwahl 86" übergab, die von ihm unterfertigt waren. Die Namen der Eingeladenen wurden teils vom Bf., teils von ihnen selbst eingesetzt.
Um etwa 18.45 Uhr traf der Bf. beim Haus Landstraßer Gürtel ... ein. Er teilte den Beamten mit, daß er beabsichtige, eine "Wahleinsatzbesprechung" für die bevorstehende Wahl des Bundespräsidenten abzuhalten. Der Behördenvertreter Rat Mag. B nahm zunächst an, es handle sich um eine iZm. der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl stehende Wählerversammlung iS des §4 VersG. In dieser Meinung wurde er von seinen Vorgesetzten bestärkt. Die Behörde hinderte daher nicht, daß die Versammlung, an der etwa 60 Personen teilnahmen, begann. Der Einlaß in das Versammlungslokal wurde von einem Beauftragten des Bf. derart kontrolliert, daß nur Personen mit auf ihren Namen lautenden Einladungen Zutritt fanden.
Der Verlauf der Versammlung wurde von den Behördenorganen nicht überwacht. Nachdem die Veranstaltung ungefähr eine halbe Stunde gedauert hatte, verfügte um 20.45 Uhr der anwesende rechtskundige Beamte der Bundespolizeidirektion Wien, Mag. B, die Auflösung der Versammlung, nachdem er von seiner vorgesetzten Stelle eine entsprechende Weisung erhalten hatte; es könne sich, da die Bundespräsidentenwahl noch nicht ausgeschrieben sei, um keine Wählerversammlung handeln. Mag. B begründete seine mündliche Auflösungs-Verfügung lediglich mit dem Hinweis auf die erteilte Weisung. Auf der schriftlichen Bestätigung über die verfügte Versammlungsauflösung scheint keinerlei Begründung für diese Maßnahme auf.
Die anwesenden Personen entfernten sich daraufhin aus dem Versammlungslokal, ohne daß die Behördenorgane Gewalt anwendeten. Um etwa 21.20 Uhr hatten alle anwesenden Personen das Lokal verlassen.
Nennenswerte Störaktionen fanden nicht statt und waren auch konkret nicht zu erwarten.
2. Zur Beschwerde B373/86 (Versammlungsuntersagung vom 25. März 1986) stellt der VfGH aufgrund des vorgelegten Aktes der Bundespolizeidirektion Wien, Z I-Pos 91/96/86 res, sowie der - einander in den hier bedeutsamen Punkten nicht widersprechenden - Aussagen von damals einschreitenden Beamten der Bundespolizeidirektion Wien (nämlich von OR Mag. G Z, Bezirksinspektor M A und Bezirksinspektor F K) als Zeugen und des Bf. als Partei folgenden Sachverhalt fest:
Am 25. März 1986 bemerkten Sicherheitswachebeamte in einem Fenster des Hauses Wien 3., Landstraßer Gürtel ..., ein Plakat, das auf eine für diesen Tag um 19.00 Uhr beabsichtigte Versammlung hinwies. Als Redner war der Bf. angeführt. Die Versammlung war der Behörde nicht angezeigt worden.
Weisungsgemäß begab sich gegen 18.00 Uhr OR Mag. Z mit zwei Kriminalbeamten (den Bezirksinspektor A und K) zum angegebenen Versammlungsort. Das Plakat war inzwischen aus dem Fenster entfernt worden. Gegen 18.30 Uhr erschien der Bf. Mag. Z teilte ihm mit, daß die beabsichtigte Versammlung nicht stattfinden dürfe. Der Bf. erwiderte, es sei eine Wählerversammlung anläßlich der bevorstehenden Wahl des Bundespräsidenten vorgesehen, die nicht unter das VersG falle; ein von ihm organisiertes Wahlkomittee wolle die Wahl des Kandidaten Dr. S. unterstützen; er werde nicht zu dem im Plakat angeführten Thema sprechen; ein diesbezügliches Plakat sei ihm im übrigen unbekannt; er habe seit längerem eine Wählerversammlung geplant und dies auch öffentlich bekanntgegeben.
Dennoch beharrte Mag. Z darauf, daß die Versammlung, falls sie stattfinden sollte, aufgelöst werden würde. Er verweigerte allen nicht im Haus polizeilich gemeldeten Personen den Zutritt, zunächst auch dem Bf. Schließlich ließ er ihn doch ein. Um etwa 19.00 Uhr hatten sich insgesamt neun Personen eingefunden. Ehe der Bf. die Veranstaltung eröffnete, betraten Mag. Z und Kriminalbeamte den Raum und teilten dem Bf. mit, daß die Versammlung untersagt sei. Der Bf. und die anderen Personen versicherten dem Behördenvertreter, es sei eine Wählerversammlung anläßlich der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl zugunsten des Kandidaten Dr. S. in Aussicht genommen. Der Behördenvertreter blieb aber dabei, daß die Versammlung verboten sei. Nach einiger Zeit entfernten sich schließlich alle Anwesenden, ohne daß eine Versammlung stattgefunden hätte oder Gewalt gegen die Anwesenden gebraucht worden wäre.
Zu Gegendemonstrationen kam es nicht.
III. Der VfGH hat über die Beschwerden erwogen:
1. Die Beschwerden sind zulässig:
Die von einem Beamten der Bundespolizeidirektion Wien verfügte Auflösung der Versammlung vom 12. Dezember 1985 und die von einem anderen Beamten dieser Behörde am 25. März 1986 mündlich angeordnete Untersagung einer Versammlung ergingen ohne vorangehende behördliche Verfahren. Sie sind als in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte zu qualifizieren, die nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim VfGH bekämpfbar sind (vgl. zB VfSlg. 10443/1985).
Der Bf. trat in beiden Fällen als Veranstalter auf. Jedenfalls als solcher ist er beschwerdelegitimiert (vgl. auch hiezu das soeben zitierte Erkenntnis).
Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Die Beschwerden sind auch begründet:
a) Zu B106/86 (Versammlung vom 12. Dezember 1985)
aa) Gemäß §4 VersG sind Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, dann zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten von den Bestimmungen des VersG ausgenommen, wenn sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel abgehalten werden. Die Begünstigung des §4 VersG gilt jedenfalls auch für die Wahl des Bundespräsidenten. Die Zeit der ausgeschriebenen Wahlen umfaßt den von der Wahlausschreibung bis zur Beendigung der Wahlen währenden Zeitraum (vgl. schon RGSlg 37/1872). Am 12. Dezember 1985 war die Bundespräsidentenwahl 1986 noch nicht ausgeschrieben. Diese Ausschreibung fand erst am 28. Jänner 1986 statt (BGBl. 81/1986).
Die Versammlung vom 12. Dezember 1985 fiel daher nicht unter §4 VersG.
bb) Nach §2 Abs1 VersG ist eine "Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste" vom Veranstalter der Behörde schriftlich anzuzeigen (zum Begriff einer Versammlung nach §2 VersG vgl. zB das oben näher zitierte Erk. VfSlg. 10443/1985).
Die vom Bf. veranstaltete Versammlung war nicht iS dieser Gesetzesbestimmung "auf geladene Gäste beschränkt": Zwar besaßen letztlich alle im Versammlungslokal anwesenden Personen eine auf ihren Namen lautende Einladung. Diese Einladungen waren aber größtenteils an solche Personen ausgestellt worden, die sich in nahegelegenen Gasthäusern eingefunden hatten, um an der für 19.00 Uhr geplanten, jedoch von der Behörde untersagten Versammlung teilzunehmen, die - was auch vom Bf. nicht bestritten wird - allgemein zugänglich gewesen wäre. Die Personen hatten sich also eingefunden, obgleich sie nicht persönlich und individuell zum Erscheinen geladen worden waren. Wenn in der Folge an diese bereits Anwesenden schriftliche Einladungen ausgegeben wurden (in die sie zT selber ihren Namen einsetzten) so beschränkt ein solches formelles Vorgehen nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Versammlung nicht auf geladene Gäste; es konnte nämlich nicht dazu führen, daß die Versammlung nur von Personen besucht wurde, deren Teilnahme von vornherein vom Veranstalter gewünscht war.
cc) Die Versammlung wäre, da sie nicht unter §2 Abs1 VersG fiel, sohin der Bundespolizeidirektion Wien anzuzeigen gewesen. Diese Pflicht hat der Bf. verletzt. Die Versammlung wurde sohin iS des §13 Abs1 VersG entgegen den "Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet".
Die Behörde war daher nach der zitierten Gesetzesbestimmung ermächtigt, die Auflösung der - bereits im Gang befindlichen - Versammlung zu verfügen; dies aber - wie schon aus dem Wortlaut des §13 Abs1 VersG hervorgeht - nur "nach Umständen". Für eine behördliche Auflösung muß ein zureichender Grund vorliegen; zur Mißachtung der Anzeigepflicht nach §2 Abs1 VersG müssen also weitere Umstände hinzutreten, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen. Liegen solche Umstände nicht vor, ist die Verletzung der Anzeigepflicht durch die im §19 VersG vorgesehenen Strafen sanktioniert.
Welche Umstände dies sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalles vor dem Hintergrund der verfassungsgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit zu beurteilen. Die Umstände, die zusätzlich zur Verletzung der Anzeigepflicht eingetreten sein müssen, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in Art11 Abs2 MRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Ob solche Umstände vorliegen, hat das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bietet. Dies muß der Veranstalter, der seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, gegen sich gelten lassen; er hat in Kauf zu nehmen, daß kein eigentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werden kann und daß es der Behörde in der Regel auch nicht mehr möglich sein wird, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen, etwa solche, die dem Schutz der Versammlung vor Gegendemonstrationen oder der Umleitung des Straßenverkehrs dienen (vgl. VfSlg. 10443/1985).
dd) Anders als in dem mit dem soeben zitierten Erkenntnis abgeschlossenen Fall lagen hier keine Gründe vor, die die Versammlungsauflösung zur Wahrung einer der im Art11 Abs2 MRK aufgezählten öffentlichen Interessen notwendig gemacht hätten. Die einzige Begründung, die der Behördenvertreter an Ort und Stelle gab, war der Hinweis auf eine ihm erteilte Weisung. Offenkundig erfolgte die Auflösung der Versammlung - nachdem der Behördenvertreter zur Einsicht kam, daß seine Meinung, es handle sich um eine (anzeigefreie) Wählerversammlung, verfehlt war - ausschließlich deshalb, weil die Pflicht, eine allgemein zugängliche Versammlung anzuzeigen, verletzt worden war. Das allein rechtfertigt aber - wie dargetan - diese Maßnahme nicht.
ee) Aus dem folgt, daß die Behörde dadurch, daß sie die Auflösung der Versammlung verfügte, zwar nicht das Hausrecht verletzte - in dieses Recht wurde überhaupt nicht eingegriffen - (vgl. zB VfSlg. 8928/1980, 10522/1985) -, daß aber der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde; die Auflösung der Versammlung wurde nämlich von der Behörde entgegen den Bestimmungen des VersG verfügt (vgl. auch hiezu das wiederholt zitierte hg. Erk. VfSlg. 10443/1985).
b) Zu B373/86 (geplante Versammlung vom 25. März 1986)
aa) Die Behörde behauptet - entgegen dem Bf. - es habe sich bei der am 25. März 1986 vorgesehenen Versammlung um keine Wählerversammlung gehandelt, sondern um eine der Anzeigepflicht nach §2 Abs1 VersG unterliegende, allgemein zugängliche Versammlung.
bb) Auch wenn man den Ausführungen der Bundespolizeidirektion Wien folgt und jene des Bf., es habe sich um eine Wählerversammlung gehandelt, als bloße Schutzbehauptung abgetan werden, ist für die Behörde im Ergebnis nichts zu gewinnen:
Ebensowenig wie bei der Versammlung vom 12. Dezember 1985 nahm der Behördenvertreter irgendwelche Umstände wahr, die iS der dargestellten Rechtslage (s. oben III.2.a.cc und dd) die Untersagung der geplanten Versammlung (auch wenn die Anzeigepflicht verletzt worden wäre) gerechtfertigt hätten. Der Hinweis darauf, daß die Versammlung vom 12. Dezember 1985 (s. oben II.1.) nunmehr sozusagen fortgesetzt hätte werden sollen, ist - selbst auf dem Boden der Behauptungen der Behörde - für sie nicht zielführend, weil die ursprünglich vorgesehene Versammlung von der Behörde nur aus formalen Gründen (Unterlassen der Anzeige) untersagt worden war und weil die Auflösung der seinerzeit dann tatsächlich abgehaltenen Versammlung zu Unrecht erfolgte (s. die vorstehende lita).
cc) Die Versammlung vom 25. März 1986 wurde sohin ohne gesetzliche Grundlage untersagt. Der Bf. als ihr Veranstalter wurde daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrecht (nicht jedoch Hausrecht) verletzt (s. oben III.2.a.ee).
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / Legitimation, Versammlungsrecht, HausrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B106.1986Dokumentnummer
JFT_10138799_86B00106_00